Bühnenreife Geschichte: Sissi hat einen Ururenkel in Hermsdorf
Das Musical „Elisabeth“ kehrt nach Berlin zurück. Leopold Altenburg, Nachfahre der österreichischen Kaiserin, ist schon länger da.
„Und wenn auch bei der Einholung Kaiser Wilhelm seinen österreichischen Gast durch die Königgrätzer Straße führen mußte, so lenkte ja sehr bald der offene vierspännige Wagen, in welchem die beiden Kaiser saßen, in das Brandenburger Thor ein.“ Kaiser Franz Joseph in der Königgrätzer Straße? Das hätte leicht, wie der Reporter der „Gartenlaube“ anklingen ließ, einen Eklat geben können beim Drei-Kaiser-Treffen 1872 in Berlin, trug doch die heutige Stresemannstraße in Kreuzberg – sie führt blicknah am Tagesspiegel vorbei – den Namen der für die Österreicher so fatalen Niederlage gegen die Preußen sechs Jahre zuvor.
Alte Kamellen? Im Prinzip schon, allerdings nicht, wenn man, dazu in einem österreichischen Lokal wie dem Ottenthal in der Charlottenburger Kantstraße, einem Ururenkel von Franz Joseph gegenübersitzt. Der die damals sehr bedenkliche Wegführung, darauf angesprochen, auch sofort erfasst, ein Kenner der Familiengeschichte, und amüsiert lacht, wie schon sein Ahnherr entspannt reagiert oder offenbar gar nicht reagiert hatte.
Ja, das hätte sich der alte Kaiser nicht träumen lassen, dass 150 Jahre nach der für ihn so schmachvollen Bataille einer seiner Nachfahren selbst ein zumindest zugezogener Preuße sein würde. Dass dieser, da nun einmal ein Musical über seine Kaiserin, die Sissi, auf dem Programm steht, ganz locker und mit Humor Auskunft über ihn und die Familie der Habsburger geben würde. Wobei Leopold Altenburg, Schauspieler, Regisseur, Kabarettist, kurz: darstellender Künstler in verschiedener Form, das Habsburg nicht mehr im Namen trägt. Das lag an seinem Großvater Clemens Salvator von Österreich-Toskana, der 1930 heiratete, aus Sicht der damals noch immer sehr traditionsbewussten Familie aber nicht standesgemäß. Da blieben zwei Optionen: Entweder ließ er sich vom Erzherzog zum Grafen degradieren oder er wechselte den Namen. Und so wurde eben aus einem Habsburg ein Altenburg, benannt nach dem zweiten Stammsitz der Familie im Schweizer Kanton Aargau, den es als Jugendherberge noch immer gibt. Der 1971 in Graz geborene, 2002 nach Berlin gezogene und in Hermsdorf wohnende Leopold Altenburg hat sie selbstverständlich besichtigt, als er mal in der Nähe engagiert war.
Wie fühlt sich das Leben so an mit einem derart in der Tiefe der Geschichte wurzelnden Stammbaum? Hin und wieder habe das Vorteile, erzählt der Schauspieler, etwa als seine Schwester Franziska in der Wiener Kapuzinergruft, der Begräbnisstätte der Habsburger und auch von Franz Joseph und seiner Elisabeth, gratis Einlass begehrte, schließlich seien das ihre Verwandten. Man hat es ihr umgehend gewährt.
Ansonsten spiele die Herkunft im Alltag keine große Rolle, berichtet Altenburg, zumal er im Alltag auf das „von“ und den ihm zustehenden Namenszusatz „Prinz“ verzichte. Sicher, er und seine vier Geschwister seien schon im Bewusstsein der Geschichte ihrer Familie aufgewachsen, auch habe er verschiedene Biografien über Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth gelesen. Aber schon seine Mutter habe immer davor gewarnt, wegen des Titels irgendwie überheblich zu sein. „Natürlich reagieren die Menschen darauf, wenn sie von der Familiengeschichte erfahren“, sagt Altenburg. Es gebe drei Varianten: „Die einen sagen gleich, dass sie immer kaisertreu waren und die ,Sissi‘-Filme geliebt haben. Andere erklären umgehend, dass man die Monarchie in Großbritannien abschaffen solle. Die Dritten dagegen sagen gar nichts, erzählen aber überall rum, wen sie da gerade getroffen haben.“
Mit den „Sissi“-Filmen aus den 50er Jahren, die Altenburg spät, erst in Berlin, gesehen hat, kann er gut leben, auch wenn sie ziemlich viel Kitsch und Zuckerguss und manches Erfundene enthalten. Franz Joseph, der sich inkognito unters Volk mischt? Hätte sein Ururgroßvater sicher nie getan. Aber die Filme hätten sicher ihre Berechtigung, erfüllten nach dem Krieg die Sehnsucht nach Harmonie. Und seinen beiden Töchtern, sechs und sieben Jahre alt, mit denen er die Filme kürzlich ansah, haben sie sehr gut gefallen.
Dennoch ist ihm, wie schon seinem Vater, wichtig, dass das Musical Elisabeth differenzierter zeigt, als es in den Filmen der Fall war. Als geheimnisvolle, rätselhafte Kaiserin also, nicht nur in einer Opferrolle, sondern als Frau, die auch einiges habe gestalten können, etwa als Fürsprecherin des ungarischen Volkes. Und ihr Ururenkel findet es auch richtig, Seiten an ihr zu zeigen, die nicht so positiv seien.
Gesehen hat er das Musical noch nicht, aber als es jetzt für Berlin angekündigt wurde, meinte seine Frau, da müsse er jetzt hin, schließlich gehe es um seine Familie. Die CD zum Musical aber kennt er, hat sie seiner Frau zu Weihnachten geschenkt. Sie gefällt ihm gut, besonders das Lied „Kitsch“, gesungen von Sissis Mörder, dem italienischen Anarchisten Lucheni. Mehr noch, sollte das Musical je neu inszeniert und er vielleicht ebenfalls besetzt werden – gerade diese Rolle würde ihn als Schauspieler reizen. Lucheni habe auch humorvolle, zynische Seiten. Kaiser Franz Joseph dagegen: „Zu leidend.“
RÜCKKEHR DER KAISERIN
„Elisabeth – die wahre Geschichte der Sissi“ (Buch und Liedtexte: Michael Kunze; Musik: Sylvester Levay; Regie: Harry Kupfer) war zuletzt 2007 in Berlin zu sehen. 28 Ensemblemitglieder stehen auf der Bühne (Mehr Infos unter www.elisabeth-das-musical).com. Das Musical gastiert im Admiralspalast, Friedrichstraße 101–102, und zwar vom 7. Januar bis 14. Februar (Premiere am 8. Januar). Aufführungszeiten: Di, Do, Fr um 19.30 Uhr, Mi um 18.30 Uhr, Sa um 15 Uhr und 19.30 Uhr sowie So um 14.30 Uhr und 19 Uhr. Die Eintrittspreise liegen zwischen 21,50 Euro und 87,50 Euro (inkl. aller Gebühren). Tickets unter gibt es unter Telefon 030 / 479 974 77 sowie
01806 / 57 00 99, online auf www.semmel.de sowie an allen bekannten Vorverkaufsstellen.
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