zum Hauptinhalt
Alarm, Alarm. Ob Polizei oder Feuerwehr, Technische Hilfeleister oder Rettungsschwimmer: Es ist ihr Job, für andere da zu sein. Doch statt einem Dankeschön bekommen viele Helfer immer wieder dumme Sprüche zu hören.
© Foto: Rene Ruprecht/dpa

Undank ist oft des Berliner Helfers Lohn: Sind wir noch zu retten?

Die Feuerwehr hilft, aber Bürger meckern. Kinder sind gerettet, und die Eltern schimpfen. Undank ist oft des Berliner Helfers Lohn.

Im Supermarkt ist eine junge Frau zusammengebrochen. Die Feuerwehr eilt heran, der Notarzt beugt sich über die Frau, will sie reanimieren, ihr Leben retten. Da schiebt dem Mediziner ein älterer Herr von hinten den Einkaufswagen fast in die Hacken und sagt: „Lassen Sie mich durch, ich will zur Butter!“ Die Szene stammt nicht aus einer Comedy-Serie. Die Berliner Feuerwehrfrau und Pressesprecherin Bianka Olm hat sie erlebt. Und auch andere Helfer von Polizei, Feuerwehr, Technischem Hilfswerk oder Deutscher Lebens-Rettungs-Gesellschaft kennen das: Immer wieder begegnen ihnen Menschen bei Rettungseinsätzen nicht gerade mit Dankbarkeit. Wir haben einige Beispiele aus der jüngsten Zeit zusammengetragen.

BESSERWISSER

Der Bootsschuppen der Marina Lanke Werft brennt. „Sie müssen da doch rein!“ drängen aufgeregte Yachtbesitzer die Feuerwehrleute. Doch die löschen von außen, weil sie genau wissen, dass bei 800 Grad Hitze die Halle über ihnen zusammenbrechen kann.

Ein anderer Einsatz, von dem Bianka Olm erzählt, spielte sich so ab: Die Feuerwehr muss einen Kran aufbauen, um einen schwergewichtigen Schwerstkranken aus dem Haus zu hieven. Eine Nachbarin kommt herbei und schimpft: „Machen sie doch mal die Straße frei, ich muss mit meinem Auto zur Arbeit.“

Die Feuerwehr erlebe oft, erzählt Sprecherin Olm, dass Anwohner oder Zeugen so in ihrer Routine feststecken, dass sie offenbar nicht mehr spontan umdenken können. Mitunter lenkten Autofahrer auf einer Kreuzung nicht einmal ihre Wagen zur Seite, wenn sich die Feuerwehr mit Blaulicht nähert – manchmal aus Angst, auf der Kreuzung geblitzt zu werden. Dabei, sagt Olm, müsse in einem solchen Fall keiner eine Strafe zahlen.

MEISTER IM WEGSEHEN

Viele Helfer klagen auch über Gleichgültigkeit. Sei es, dass Autofahrer mit dem Kopfhörer am Steuer die Rettungsgasse nicht freimachen, sei es, dass sie einfach auf dem Bürgersteig parken, exakt über den ovalen Hydrantendeckeln.

RUHESTÖRER

Berlins früherer Feuerwehrchef und jetziger Präsident der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk Albrecht Broemme erlebt da so einige Geschichten: Nach einem Sturm müssen umgestürzte Bäume klein gesägt werden, um die Straße wieder freizumachen. „Dann erleben wir es oft, dass sich Nachbarn wegen des Lärms bei der Polizei beschweren.“ Natürlich sollten die Helfer nicht gerade nachts ihre Motorsäge neben einem Seniorenheim jaulen lassen, sagt Broemme. Aber wenn ein Notarztwagen bei einer Wiederbelebung den Motor für die Technik laufen lassen muss, könne man es als Retter in einem Berliner Sommer, wenn Anwohner bei offenen Fenstern schlafen, durchaus erleben, dass ein Nachbar angelaufen komme und sage: „Machen Sie doch mal endlich den Motor aus!“

BLOß NICHT DANKE SAGEN

Selbst wenn es Rettungskräften gelungen ist, Menschen vor dem Tod zu bewahren, müssen sie sich mitunter noch etwas anhören. Wie der ehrenamtliche Helfer der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG), der vergangenes Wochenende zwei drei- und achtjährige Kinder an der Wasserrettungsstelle Reiswerder am Tegeler See vorm Ertrinken bewahrte. Die waren draußen mit ihrer Luftmatratze umgekippt. Gerade rechtzeitig konnte der Rettungsschwimmer die Kinder schnappen und sie wohlbehalten zu den Eltern zurückbringen. Von denen bekam er zu hören, es sei ja gar nichts passiert, der Einsatz sei ja wohl übertrieben gewesen. „Das ist kein Einzelfall. Dank bekommen wir bei sowas selten“, sagt DLRG-Sprecher Frank Villmow: „Aus Scham nehmen viele eine Schutzhaltung ein.“ Die Ehrenamtlichen lernen aber schon in der Ausbildung, damit umzugehen und nicht patzig zu werden, sondern in dieser Situation deeskalierend zu wirken.

ZWISCHEN KRITISCH UND RESPEKTLOS

Manchmal ist es auch ein Informationsdefizit, das Beschwerdebürger zum Hörer greifen lässt. Etwa, wenn nachts die Polizei einen Vermissten per Helikopter und Wärmekameras suchen muss und die Anwohner sich wiederum bei der Polizei über Lärm am Nachthimmel beschweren. Polizeisprecher Stefan Redlich nimmt da allerdings auch die Bürger in Schutz. Generell sei es ein Zeichen funktionierender Demokratie, wenn Menschen kritisch seien und Dinge in Frage stellten. Doch leider schlage das „starke Bewusstsein eigener Grundrechte mitunter in Respektlosigkeit“ um. Dann etwa, wenn jemand an einer Straßenabsperrung wegen eines Einsatzes „bis ins Kleinste ausdiskutieren will, warum denn ausgerechnet hier gesperrt sei“. Da in Zeiten von Handykameras und Internet „jeder sei eigener Verleger und Regisseur“ sei, könnten die Leute eben alles publizieren, was sie als ungerecht empfänden und zögen am liebsten alles in Zweifel. Als die Polizei jüngst ihre 24-Stunden-Twitteraktion als Dokumentation der Vielschichtigkeit aller Einsätze in der Stadt hatte, kamen sogar vereinzelte Anrufe, warum Steuergelder mit solch einer Aktion verpulvert werden müssten. Aber, relativiert Redlich, es gebe gottseidank auch jede Menge positiver Reaktionen aus der Bevölkerung.

DIE ANDERE SEITE

Berlins Polizei bekommt jedes Jahr rund 500 Dankesschreiben, die dann auch intern publiziert werden. Da melden sich Opfer von Taschendiebstählen, die sich über zurück erhaltene Papiere freuen. Da danken Autofahrer, denen ausnahmsweise mal Starthilfe gegeben wurde. Da freuen sich Touristen über die des Englisch mächtigen Freunde und Helfer. Ex-Feuerwehrchef Albrecht Broemme und seine THWler tröstet, dass die Kollegen „nach den Einsätzen im Hochwasser so viele selbst gebackene Kuchen als Dank erhielten wie noch nie“.

Berlins DLRG-Sprecher Frank Villmow sagt, dass Lebensretter selten Dank bekämen, sei nicht schlimm: „In so einer Situation schütten Sie als Lebensretter so viel Adrenalin aus und sind so euphorisch, da brauchen sie keinen Dank.“ Und es gebe ja auch Menschen, die hinterher eine Spende an die DLRG überweisen.

Die Feuerwehrleute in der Wache Oderberger Straße, die kürzlich bei der Hitze spontan eine Übung nutzten, um Anwohner mit Löschwasser zu erfrischen, haben auch Grund zur Freude. Nach Berichten über Meckerer, die Wasserverschwendung und Autoflecken beklagten, meldeten sich sehr viele Menschen, die voll des Lobes über so viel Bürgernähe waren.

Zur Startseite