Wie fühlen wir uns in Berlin sicherer?: Sicherheit – die Pläne der Parteien im Überblick
Bodycams, Präventivhaft und mehr Mülleimer: Vor der Abgeordnetenhauswahl wollen die Parteien mit verschiedenen Vorhaben punkten. Teil eins unserer Wahlserie.
Was sind die drängendsten Fragen im Bereich von Polizei und Ordnungsämtern in Berlin? Und was schlagen die Parteien vor, um Antworten darauf zu finden? Ein Überblick und Teil eins unserer Wahlserie.
1. Ausstattung und Präsenz der Polizei
Es besteht massiver Investitionsbedarf: Zahlreiche Liegenschaften sind marode, der Sanierungsstau beträgt 1,24 Milliarden Euro. Die Auswertung von Spuren dauert lange und bei der steigenden Internetkriminalität muss nachgerüstet werden. Rot-Rot-Grün hat die Polizei bereits massiv aufgestockt, neue Ausrüstung beschafft, das Polizeigesetz reformiert – nicht in allen Punkten zur Freude der Polizei.
Die Parteien liegen in ihren Wahlprogrammen bei der Ausstattung der Polizei nicht weit voneinander entfernt. Die meisten versprechen eine bessere Ausstattung, bessere Bezahlung und mehr Personal und Präsenz nah am Bürger – mit Kontaktbereichsbeamten, Fahrradstaffeln und mobilen Wachen.
Am weitesten geht dabei die CDU mit 1000 neuen Stellen, besserer Ausrüstung wie Taser, Bodycams, besserer Technik und einer neuen Stadtpolizei der Ordnungsämter in den Bezirken, aber auch mehr Videoüberwachung und Quellen-Telekommunikationsüberwachung.
[„Totale Sicherheit will niemand wirklich“: Lesen Sie auf Tagesspiegel Plus, was ein Polizeigewerkschafter vor der Berlin-Wahl fordert.]
Grüne, Linke und FDP setzen hingegen auf eine Stärkung der Bürgerrechte, Prävention, Legalisierung von Cannabis – und sind gegen eine Ausweitung der Befugnisse der Polizei. Die SPD liegt mit ihrer Forderung nach einem starken Staat gegen Vermüllung, Drogen und gewaltsamen Hausbesetzungen, aber gezielten Präventionsmaßnahmen zwischen den beiden Polen.
2. Bedeutung der Clankriminalität
Bei Clankriminalität handelt es sich zum Teil um Organisierte Kriminalität (OK). Über ethnisch abgeschlossene Familienstrukturen werden illegale Geschäfte gemacht: Geldwäsche, Schutzgelderpressung, Prostitution, Drogen- und Waffenhandel. Doch die klassische OK agiert im Verborgenen.
Kriminelle Mitglieder von Clans, zumeist deutsch-arabische Großfamilien, fordern durch ihr öffentliches Auftreten den Staat heraus, zuletzt beim Diebstahl des Sachsen-Geschmeides in Dresden. Innensenator Andreas Geisel (SPD) hat den Kampf gegen die Clankriminalität massiv verstärkt.
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Die Linke in der Koalition beklagt den diskriminierenden Charakter des Begriffs, die Grünen erwähnen ihn im Wahlprogramm nicht, wollen aber, dass eine neue Spezialanwaltschaft der Organisierten Kriminalität „den Geldhahn zudreht“. Die SPD verspricht ein energisches Vorgehen gegen die Organisierte, Clan- und Wirtschaftskriminalität sowie Intensivtäter. Die FDP will mehr Vermögen aus dunklen Geschäften abschöpfen, die CDU eine Sondereinheit gründen.
3. Extremismus
Rot-Rot-Grün war im Jahr 2016 wenige Tage im Amt, als der Islamist Anis Amri den Terroranschlag am Breitscheidplatz verübte. Seither wurde die Polizei in diesem Bereich gestärkt. Alle Parteien sehen wegen der weiterhin großen Anschlagsgefahr Bedarf im Kampf gegen Islamismus.
Im Fokus von Grünen und Linken steht nach dem Debakel um die Anschlagsserie von Neukölln und Verstrickungen in den Sicherheitsbehörden der Rechtsextremismus. In den Wahlprogrammen beider Parteien taucht das Wort Linksextremismus – obwohl Berlin Hotspot ist – nicht auf, sie wollen den Verfassungsschutz abschaffen.
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Die SPD setzt auf eine engere Zusammenarbeit mit dem Bundesamt und die FDP auf eine Fusion mit dem Brandenburger Verfassungsschutz. Die CDU will den Nachrichtendienst stärken, fordert eine „hinreichend lange“ Präventivhaft für Gefährder, das Aus für die Al-Nur-Moschee und eine Gefährderdatei für linke Gewalttäter.
4. Hauptsache, ein Dach über dem Kopf
Berlin gilt als „die Hauptstadt der Obdachlosen“. Zwischen 6000 und 10.000 Menschen leben ohne ein Dach über dem Kopf auf der Straße. Fast jeden Monat entsteht irgendwo in der Stadt ein neues Camp, in Parks, unter Brücken oder an zentralen S- und U-Bahnhöfen wie dem Kottbusser Tor.
Der Mord an Susanne F. 2017 im Tiergarten durch einen Obdachlosen schreckte die Stadt auf. Die Zahl der Obdachlosen soll stark gestiegen sein, schätzen Experten, besonders durch den Zuzug von Menschen aus Osteuropa, auch die Zahl der Frauen auf der Straße steigt.
Die Sozialverwaltung will deshalb das Projekt „Housing First“ stärken – die sofortige Unterbringung in Wohnungen steht darin an erster Stelle. Dieses Programm unterstützen fast alle Parteien. Streit gibt es vor allem darum, wie mit illegalen Camps umgegangen werden soll.
Linke und Grüne wollen sie dulden und teils legalisieren oder Orte für neue Camps finden – so schlug es Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch kürzlich vor. SPD-Chefin Franziska Giffey will mit mehr Polizei und Vor-Ort-Staatsanwälten schneller gegen kriminelle Obdachlose vorgehen. An extrem von Kriminalität belasteten Orten kann sich Giffey auch Videoüberwachung vorstellen – Linke und Grüne lehnen das ab.
5. Spritzen und Müll raus aus den Parks
Die Pandemie hat es deutlich gezeigt: Die Berliner Parks ächzen unter dem Müll, den die Menschen in ihnen hinterlassen. Die rot-rot-grüne Koalition hat deshalb die BSR beauftragt, mittlerweile 80 Parks zu reinigen, weil die Bezirke das nicht allein schaffen. Das Projekt ist ein Erfolg.
Zusätzlich wurden den Bezirken 100 Stellen für sogenannte Waste Watcher bei den Ordnungsämtern finanziert – dieses System funktioniert bislang nicht überall. Laut CDU soll die BSR künftig auch Kinderspielplätze von Spritzen und Müll befreien. Außerdem sollen 1000 zusätzliche Mülleimer in der Stadt aufgestellt werden. In der SPD kann man sich vorstellen, die Zahl der Parks zu verdoppeln, die die BSR reinigt.
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