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Ein Transparent gegen Wohnungsspekulationen hängt an einer Fassade eines Mietshauses im Berliner Bezirk Friedrichshain.
© Wolfgang Kumm/dpa

Berliner Wohnungsmarkt: Senat will Enteignungsgesetz verschärfen

Enteignungen und „Vorkaufsrecht“. Das sind die Instrumente der Wahl im rot-rot-grünen Kampf gegen die Wohnungsnot.

Friedrichshain-Kreuzberg hat es getan, Neukölln will es tun – und auch andere Bezirke erwägen den Kampf gegen die Wohnungsnot durch Mittel zu verschärfen, deren Einsatz noch in der letzten Legislaturperiode tabu waren: Durch Ausübung des „Vorkaufsrechts“ kann das Land in bereits ausgehandelte Verträge zwischen zwei privaten Immobilienbesitzern einsteigen – und durch eine Spielart der „Enteignung“, nämlich die Einsetzung eines Treuhänders kann sie Immobilien an den Wohnungsmarkt bringen, die zweckentfremdet sind.

Die verschärfte Gangart hatte Rot-Rot-Grün schon im Koalitionsvertrag angekündigt: Der Senat werde „alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen“, um Menschen, insbesondere Flüchtlingen, den Zugang zum Wohnungsmarkt zu ermöglichen, heißt es da. Von Enteignungen ist da zwar keine Rede. Aber jüngst erklärte der Senat, er plane eine Überarbeitung des „Berliner Enteignungsgesetzes“, soll heißen: eine Verschärfung. Ziel sei es, „das Instrument der Enteignung“ für alle Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge „effektiv zu nutzen“, so die Antwort des Senats auf eine Anfrage des CDU-Abgeordneten Hans-Christian Hausmann. Zur „Daseinsvorsorge“ gehört, für Berliner Durchschnittsverdiener bezahlbare Wohnungen bereitzustellen, an denen es bisher fehlt.

„öffentliche Zwecke“ heiligen die Mittel

Beides, Vorkauf und Enteignungsverfahren sind schon heute gesetzlich geregelt, der Vorkauf im Baugesetzbuch des Bundes und die Enteignung durch ein gleichnamiges Gesetz des Landes Berlin.

Paragraf 24 des Baugesetzbuches regelt das Vorkaufsrecht. Demnach kann das Land diesen Joker zum Beispiel ziehen, wenn die Fläche im Gebiet eines Bebauungsplans liegt und das Amt es für die Errichtung von Kitas, Schulen, Straßen oder für andere „öffentliche Zwecke“ braucht. Vorrangig zum Kauf ermächtigt ist das Land außerdem, wenn die Fläche in einem Sanierungsgebiet liegt oder wenn dadurch Stadtteile mit ihrer sozialen Mischung erhalten werden.

Wenn der Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg Florian Schmidt (Grüne) also erklärt, nach Möglichkeit den ganzen Bezirk unter Milieuschutz stellen zu wollen, dann dient dies auch diesem Zweck: Notfalls die Spekulation auf immer höhere Mieten beim Handel mit Wohnhäusern durch Ausübung des Vorkaufsrechts zu unterbinden.

Landeseigene Firmen müssen die Häuser dann zum „Verkehrswert“ übernehmen. Allerdings endet der Streit darüber, wie hoch der Verkehrswert ist, schon mal vor Gericht. Dies ist beispielsweise der Fall im Kampf um die Wohnhäuser Großgörschen- Ecke Katzlerstraße. Den zwischen den Privatleuten ausgehandelten Verkaufspreis nannte der Bezirk „spekulativ“: Er sei nur zu rechtfertigen, wenn der Käufer das Mietshaus aufteilt in Wohnungen, die anschließend als Eigentumsobjekte einzeln weiterverkauft werden. Das entspreche nicht dem tatsächlich niedrigeren Verkehrswert von Miethäusern in der Lage. Das Gericht sah das anders und gab dem Verkäufer recht, der den Kaufpreis als marktüblich ansieht. Der Fall geht nun in die nächste Instanz.

In anderen Fällen klappt der Einstieg landeseigener Firmen in private Geschäfte. Möglich ist das, weil jeder Verkäufer in geschützten Gebieten ein „Negativzeugnis“ des Bezirks braucht, um das Geschäft zu vollziehen. Acht Wochen hat der Bezirk Zeit, dazwischenzufunken und das eigene Interesse zu begründen.

Während in Friedrichshain-Kreuzberg das Vorkaufsrecht schon ausgeübt wird und nun auch Neukölln dies plant, sind Enteignungsverfahren eher selten: zwei in diesem Jahr, elf im vergangenen. Um enteignen zu können, muss der Senat die öffentliche Daseinsvorsorge begründen. Um Treuhänder einzusetzen, konnte er sich auf das Zweckentfremdungsverbot berufen, das zum Beispiel untersagt, Wohnungen längere Zeit leerstehen zu lassen. In Steglitz droht der Bezirk jetzt damit, ein seit Jahren leerstehendes Haus durch einen Treuhänder verwalten zu lassen (siehe Kasten).

Eigentum verpflichtet

Dieter Blümmel, Sprecher des Eigentümerverbandes Haus und Grund in Berlin, sagt: „Eine solche Bestimmung gab es früher einmal im Zweckentfremdungsgesetz. Aber davon ist nie Gebrauch gemacht worden.“ Der Grund: Treuhandverfahren seien teuer, kompliziert und arbeitsintensiv für die Verwaltung. „Mit dem gleichen Aufwand kann der Bezirk in der selben Zeit stattdessen zahlreiche Wohnungen genehmigen.“

Zu dem anderen Instrument der öffentlichen Hand zur Bändigung des heiß gelaufenen Wohnungsmarktes sagt Blümmel: „Das Vorkaufsrecht steht im Gesetz und Grundeigentümer sind gesetzestreu.“ Allerdings kritisiert Blümmel, dass „Bezirksstadtrat Schmidt die gesetzlichen Regeln im Umgang mit Eigentum umdreht.“ Eigentum verpflichte zwar und dürfe nicht dem Gemeinwohl zuwiderlaufen, aber das stehe nicht an erster Stelle: „Zuvorderst steht im Grundgesetz, dass der Staat das Eigentum garantiert – und um das auch in Kreuzberg sicherzustellen, dafür haben wir die Gerichte“.

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