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Bio wird Pflicht. Aus Küchenabfällen lässt sich Biogas gewinnen. Die BSR nutzt das bereits, um ihre Müllwagen zu betanken.
© Getty Images/Matteo de Stefano

Streit um Müllgebühren in Berlin: Senat will Biotonnen für alle - die BSR nicht

Bis 2021 sollen alle Berliner Biotonnen bekommen. Das hilft dem Klima, aber dürfte die Müllgebühren hochtreiben - und die BSR zu einem Neubau zwingen.

Rund 380 Kilo Abfall wirft der Durchschnittsberliner pro Jahr in die diversen Tonnen, knapp 230 davon in die graue für den Restmüll. Das passt nicht zum Leitbild ’Zero Waste’“ („null Müll“), das in der rot-rot-grünen Koalitionsvereinbarung steht. Nun soll es passend gemacht werden – mit spürbaren Folgen für die Berliner Stadtreinigungsbetriebe und deren Kundschaft.

Wichtigstes Vorhaben ist die Vermehrung der braunen Biotonnen. An die sind nach Auskunft der BSR rund 80 Prozent der Haushalte in den innerstädtischen Kiezen angeschlossen. In den von Ein- und Zweifamilienhäusern dominierten Siedlungsgebieten seien es knapp 25 Prozent. Dagegen steht in der Koalitionsvereinbarung: „Entsprechend der Bundesgesetzgebung wird die Biotonne flächendeckend in der ganzen Stadt schnellstmöglich eingeführt.“ Ein Antrag, den SPD, Linke und Grüne noch im Januar im Parlament beraten wollen, verfolgt dasselbe Ziel.

Die BSR warnt vor steigenden Kosten bei fraglichem Nutzen

„Für uns ist es eigentlich selbstverständlich,“ sagt der grüne Abgeordnete Georg Kössler, „dass die BSR das machen muss.“ Die sieht das anders: „Jeder, der die Biotonne haben will, bekommt sie auch“, sagt Sprecherin Sabine Thümler. Bei einem stadtweiten Anschlusszwang dürften aber die Kosten steigen, ohne dass ein ökologischer Nutzen gesichert sei. So seien in Potsdam die Tarife durch den Anschlusszwang um zwölf Prozent gestiegen. Und in Berlin habe ein Test in vier Stadtrandkiezen vor Jahren gezeigt, dass die Leute vor allem Gartenabfälle in die – probehalber damals kostenlos bereitgestellten – Biotonnen geworfen hätten. Doch Laub und Geäst eignen sich nicht zur Vergärung in der eigens dafür errichteten Anlage der BSR in Ruhleben. Denn aus ihnen kann kaum Biogas gewonnen werden, sondern nur Wärme oder Komposterde. Als Verwertung für Küchenabfälle im privaten Garten ist die Kompostierung sinnvoll, aber im großen Maßstab ist sie klimaschädlich.

Der Grüne Kössler will das landeseigene Unternehmen mit diesen Argumenten allerdings nicht davonkommen lassen: „Wir haben der BSR gesagt, die Ausweitung der Bioabfallsammlung muss in diesem Jahr beginnen, sonst gibt’s richtig Halligalli.“ Kössler schlägt vor, die braune Tonne künftig gratis anzubieten und die Kosten auf den Restmüll umzulegen. Der finanziert schon jetzt auch andere Angebote der BSR, etwa die weitgehend kostenlos nutzbaren Recyclinghöfe.

Der Senat verlangt die stadtweite Bio-Sammlung bis 2021

Wenn Bio Pflicht wird, dürfte sich die Rechnung für die Abfallkunden von Fall zu Fall deutlich unterscheiden: Während ein Haushalt in der City vielleicht etwas spart, wenn die Biotonne kostenfrei wird und zugleich weniger Restmüll anfällt, zahlt ein Eigenheimbewohner am Stadtrand, der schon jetzt mit dem verpflichtenden Minimum von 30 Litern Restmüll pro Woche auskommt, womöglich kräftig drauf.

Kössler will die Debatte offensiv führen, also den Effekt fürs Klima betonen. Das Thema wird ohnehin publik, wenn sich das Parlament damit befasst. In einem weiteren, bereits beschlussreifen Antrag der Koalition taucht die Formulierung auf, dass „die Restabfallmenge in den grauen Tonnen drastisch reduziert“ werden soll. Eine Debatte über die Kosten ist auch deshalb unvermeidlich, weil BSR und Land vereinbart haben, dass die Abfallgebühren nur um 1,9 Prozent jährlich steigen dürfen. Darin ist die stadtweite Biosammlung, für die laut Umweltverwaltung rund 100 Müllwerker mehr gebraucht würden, nicht eingepreist.

Biotonnen sind vor allem bei Eigenheimbewohnern bisher wenig gefragt: Nur etwa jeder vierte Haushalt hat eine.
Biotonnen sind vor allem bei Eigenheimbewohnern bisher wenig gefragt: Nur etwa jeder vierte Haushalt hat eine.
© Doris Spiekermann-Klaas

SPD-Umweltexperte Daniel Buchholz sagt zur Frage des Anschlusszwangs: „Wir wollen keine Dinge, die nichts bringen“. Aber nachdem die BSR jahrelang gebremst habe, „müssen wir da bald zu verbindlichen Absprachen kommen“. Die Umweltpolitiker wollen vor allem, dass das Müllaufkommen nicht mit der Stadt wächst, zumal das Müllheizkraftwerk der BSR bereits ausgelastet ist. Da sich auch die Bio-Vergärungsanlage ihrer Kapazitätsgrenze nähert, solle die BSR lieber ihre Pläne für den Bau einer zweiten Anlage reaktivieren, als sich zusätzliche Kapazitäten für die Müllverbrennung zu verschaffen, so der Plan. Ein Grundstück in Marzahn ist laut BSR nach wie vor verfügbar. Die Umweltverwaltung teilt auf Anfrage mit, die BSR solle die vom Bund verlangte flächendeckende Bio-Sammlung samt Bau der zweiten Anlage „spätestens bis 2021 konsequent umsetzen“.

Wie sehr sich Mülltrennung lohnt

Wie sehr sich Mülltrennung prinzipiell lohnt, zeigt eine Analyse von 2016: Demnach wurde der Inhalt der Papiercontainer (bezogen aufs Gewicht) zu 99 Prozent recycelt, Glas zu 97 Prozent, Biogut zu 96 Prozent. Der Inhalt der Gelben Tonnen kam auf 34 Prozent vor dem Restmüll, aus dem vier Prozent Wertstoffe – etwa Schrott – herausgeholt wurden.

Rund 11 000 Tonnen CO2 ließen sich nach Angaben des Senats durch die konsequente Bioabfallsammlung jährlich vermeiden. Dazu, wie weit sich die Biomüllmenge real steigern lässt, gibt es aber nur vage Anhaltspunkte: In den Stadtstaaten Hamburg und Bremen wird mit 33 und 35 Kilo pro Jahr und Einwohner zwar deutlich mehr Bioabfall getrennt erfasst als in Berlin (19 Kilo), aber die Zahlen sind laut BSR kaum vergleichbar, weil es dort beispielsweise keine Laubsäcke gebe. Und eine Untersuchung des Berliner Hausmülls ergab zwar, dass im Restmüll 44 Prozent organische Anteile stecken, allerdings zählen dazu laut BSR auch der Inhalt von Windeln und Textilien, die keinesfalls in die Biotonne gehören. Die Debatte über die Zukunft des Mülls steht also bevor. Und sie wird schmutzig werden.

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