Berlin-Friedrichshain: Senat und Deutsche Bahn streiten um Grundstück am Markgrafendamm
Die Bahn möchte ein Grundstück am Markgrafendamm an den Höchstbietenden verkaufen. Verhandlungen mit dem Bezirk sind gescheitert - nun könnte getrickst werden.
Die Wohnungsnot in Berlin ist groß. Doch Bauland in der Stadt ist selten und teuer. Erbittert kämpfen private und öffentliche Bauherren um die verbliebenen freien Flächen im Zentrum. In Friedrichshain-Kreuzberg eskaliert nun eine dieser Auseinandersetzungen. Senat, BSR und Bezirk stehen auf der einen Seite. Die Deutsche Bahn auf der anderen. Auf dem Spiel steht der Neubau von mehr als 400 dringend benötigten, bezahlbaren Wohnungen. Und weil die Not so groß ist, will der Bezirk nun sogar seine Planungshoheit einsetzen, um den Bahndeal mit einem Privaten zu blockieren – eine verdeckte Art der Enteignung.
Das umkämpfte Grundstück ist eine „gewidmete Bahnfläche“ im Eigentum der Bahn und liegt am Markgrafendamm. Mit dem Konzern hatten Senat und Bezirk verhandelt. „Das Grundstück eignet sich für eine Direktvergabe. Eine Vergabe nach Höchstpreisprinzip schließt sich hier aus“, sagt Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD. Für ihn ist das Areal ein „typischer Fall städtischer Infrastruktur“ Die Stadtreinigung soll darauf einen Betriebshof einrichten. Im Gegenzug würde die BSR dafür Flächen in bester Lage des „Entertainment-Districts“ an der Mühlenstraße aufgeben: Am Fuß der Warschauer Brücke, zwischen dem Party-Kiez nördlich der Spree und der Mercedes-Arena südlich davon könnten landeseigene Firmen rund 400 Wohnungen bauen. Aber das könnte nun platzen.
„Die Gespräche sind gescheitert, aber wir brauchen das Grundstück“, sagt der Baustadtrat des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg Florian Schmidt (Grüne). Das Interesse des Landes ist der Bahn zwar bekannt. Doch beim Konzern heißt es auf Anfrage: „Der Höchstbietende kommt zum Zug“. Die Deutsche Bahn sei „ein wirtschaftliches Unternehmen und handelt danach“. Die Berliner Stadtreinigung sei „im Auswahlverfahren integriert“. Das Verfahren zur Vergabe des Grundstücks werde aber zu Ende geführt und der Höchstbietende erhalte den Zuschlag.
„Es kann nicht sein, dass ein staatliches Unternehmen wie die Deutsche Bahn spekulativ unterwegs ist“, sagt Ramona Pop (Grüne). Die Aufsichtsratsvorsitzende der BSR und Wirtschaftssenatorin hat deshalb Verkehrsminister Alexander Dobrindt und Bahnchef Richard Lutz angeschrieben. Mit dem uneinsichtigen Vorgehen der Bahn „blockiert ein öffentliches Unternehmen das andere und verhindert den Kauf von Grundstücken zur Daseinsvorsorge“.
BSR kann nicht so viel bieten, wie Investoren
Die BSR ist deshalb nicht Meistbietenender, weil sie für ein Grundstück zur Einrichtung eines Betriebshofes nicht annähernd so viel Geld bieten kann, wie etwa ein Entwickler von Eigentumswohnungen oder Bürohäusern. Der Staatssekretär der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Sebastian Scheel sagt, der so genannte Bodenrichtwert für die Gewerbefläche am Markgrafendamm betrage gut 150 Euro je Quadratmeter. Die BSR habe sogar mehr als diesen Preis geboten. „Aber es gibt Leute, die noch wesentlich mehr zahlen wollen“, sagt Scheel.
Für die Vertreter von Senat und Bezirk ist klar: Wer so viel Geld für eine Gewerbefläche bietet, spekuliert darauf, dass er diese früher oder später mit lukrativeren Immobilien bebauen kann, mit Wohnhäusern oder Bürobauten eben. „Aber das wird in den nächsten zwanzig Jahren ganz sicher nicht passieren“, sagt Scheel. Dazu liege die Brache zu dicht an den Bahngleisen und sei schon wegen des Lärms dafür nicht geeignet.
Bezirksstadtrat Schmidt setzt noch einen drauf: „Sollte sich an der Haltung der Bahn nichts ändern, stellen wir einen Bebauungsplan für die Fläche auf, in dem eine Nutzung für die Stadtreinigung festlegt wird.
Der Bezirk meldet damit „Gemeinbedarf“ an für die BSR und schließt damit – ähnlich wie bei einem Stück Ackerland – jede andere Art der Nutzung und Bebauung aus. Das Grundstück ist dadurch entwertet.
Schmidt gibt zu, dass dies „eine Form der Enteignung“ ist. Mögliche Klagen gegen den Verwaltungsvorgang würde er aber durchkämpfen. Das würde allerdings die Entwicklung beider Flächen auf Jahre hinaus blockieren. Lieber wäre Senat und Bezirk deshalb eine Einigung am Verhandlungstisch.
Die landeseigene Berliner Stadtreinigung braucht zentrumsnahe Höfe, um wirtschaftlich arbeiten zu können und nicht auf langen Fahrten die ohnehin belastete Berliner Luft zusätzlich zu verschmutzen. Der Umzug an den Markgrafendamm weiter östlich wäre deshalb ein guter Kompromiss. Ein BSR-Sprecher bestätigte auf Anfrage, „dass wir Interesse an dem Grundstück am Markgrafendamm haben“.