Rot-Schwarz widersetzt sich Gewerkschaftsforderungen: Senat lässt Lehrer zwei Tage länger arbeiten
Lange wurde gerätselt, was der Senat den Berliner Lehrern anbieten würde, um die Nachteile des Angestelltenstatus zu kompensieren. Jetzt steht fest: Es ändert sich nicht viel. Stattdessen kommen zwei zusätzliche Arbeitstage für alle Lehrer hinzu. Aber die älteren Lehrer stehen besser da als bisher.
Bundesweit war Berlin zuletzt das einzige Bundesland, das älteren Lehrern keine Stundenermäßigung gewährte. Das ist jetzt vorbei: Wer älter als 58 Jahre ist, wird ab August 2014 eine Stunde weniger unterrichten müssen, ab einem Alter von 61 Jahren fallen zwei Stunden weg. Damit verabschiedet sich Berlin von einer Sparmaßnahme, die seit Jahren für großen Unmut sorgte.
Allerdings bekommen die Lehrer dieses Entgegenkommen nicht geschenkt. Denn im Gegenzug entfallen die Arbeitszeitkonten, auf denen bislang ein Teil der Mehrarbeit gut geschrieben wurde, die Berliner Lehrer seit rund zehn Jahren leisten mussten. Indem die Konten entfallen, entfällt künftig auch die Kompensation für die bis zu zwei zusätzlichen Stunden, die Berliner Lehrer in Folge des Spardrucks unterrichten müssen.
Die bisher auf den Arbeitszeitkonten angesammelten Guthaben können sich Lehrer wahlweise ausbezahlen lassen, oder sie können entsprechend früher in den Ruhestand gehen. Als weitere Möglichkeit können Lehrer auch "persönliche Ermäßigungsstunden" nehmen und zwar bis zu drei pro Woche, wenn sie älter als 58 sind. Damit summiert sich dann die Zahl der möglichen Ermäßigungsstunden in diesem Alter auf vier, ab 61 sogar auf fünf. Die neue Regelung gilt mit Auflösung der Arbeitszeitkonten ebenfalls ab dem August 2014.
Die Altersermäßigung gehört zu den "Maßnahmen", die Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) und Finanzsenator Dr. Ulrich Nußbaum (für die SPD) am Montag "zur weiteren Steigerung der Attraktivität des Lehrerberufs" vorstellten.
Als weiteren Punkt nannten sie, dass Lehrer in Mangelfächern künftig nach dem 1. Staatsexamen frei wählen können, ob sie ein vollständiges Referendariat machen oder gleich in den Beruf einsteigen. Dann könnten sie gleich voll verdienen, müssten aber nur 19 statt 26 Stunden unterrichten und würden ein berufsbegleitendes Referendariat absolvieren. Wer ein reguläres Referendariat macht, verdient weniger, muss aber auch nur rund sieben Stunden unterrichten und kann sich dadurch mehr auf die praktische Ausbildung konzentrieren. Die Gewerkschaften sehen im berufsbegleitenden Referendariat eine Aushöhlung der Unterrichtsqualität, weil die Schüler zunächst von didaktisch nicht geschulten Lehrern unterrichtet werden. Bislang galt diese Möglichkeit nur für "Seiteneinsteiger" mit Diplom statt 1. Staatsexamen. Die Bildungsverwaltung begründete diese Ausweitung des berufsbegleitenden Referendariats damit, dass eine Gleichbehandlung der Lehrer mit und ohne Staatsexamen erreicht werden sollte. Gewerkschafter sehen in der Regelung eher das Eingeständnis des Senats, dass er zur Bekämpfung des Lehrermangels "nach jedem Strohalm greift".
Aber noch eine weitere Entscheidung wurde von Nußbaum und Scheeres verkündet: Anders als von der Gewerkschaft Bildung und Erziehung (GEW) und der Initiative "Bildet Berlin" gefordert, wird die 1200-Euro-Zulage der angestellten Junglehrer nicht tariflich festgeschrieben. Nußbaum und Scheeres sicherten aber zu, dass die Zulage künftig nicht mehr zurückgenommen werden kann, wenn ein Lehrer sie einmal hat. Sie sei damit "unwiderruflich" für die betreffenden Lehrer. Diese übertarifliche Regelung gilt allerdings nur bis 2017. Florian Bublys von der Aktion "Bildet Berlin" befürchtet, dass die Regelung fallen gelassen wird, sobald der Lehrermangel schwächer wird. Dies könnte der Fall sein, wenn die Pensionierungswelle abnimmt, erwartet Bublys.
Neu ist auch, dass die Lehrkräfte ab August 2014 einen weiteren Tag pro Jahr nach eigenem Gutdünken frei nehmen können. Bisher gab es nur einen einzigen flexiblen Tag.
Empört reagierte Bublys darauf, dass alle Lehrer ab Sommer 2014 drei Tage statt bisher nur einen Tag vor Ende der großen Ferien in den Schulen präsent sein müssen. Das sei eine "Arbeitszeitverlängerung". Der Senat rechtfertigt diesen Schritt damit, dass es in anderen Bundesländern üblich sei, bis zu eine Woche vor Ferienende eine Präsenzpflicht zu haben. Von diesen Tagen sollen ein bis zwei Tage zur schulinternen Fortbildung genutzt werden, kündigte der Senat an. Die GEW reagiert empört auf die Ankündigungen. Die Arbeitsbedingungen würden nicht "attraktiver sondern schlechter".
Susanne Vieth-Entus
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