Berlin soll vernetzte Stadt werden: Senat beschließt "Smart City"-Programm
Selbstfahrende Autos und sprechende Mülleimer. Der Senat hat ein Strategiepapier beschlossen, nach dem Berlin zur intelligent vernetzten Stadt werden soll. In Sachen freies W-Lan kommt der Senat aber noch immer nicht so recht voran.
Autos ohne Fahrer, funkende Mülltonnen und eine Kummerkasten-App, mit der verärgerte Bürger Schlaglöcher übers Handy melden können: Bei der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung von Cornelia Yzer (CDU) bringt man derzeit viel Fantasie auf, wie man die Stadt in die Zukunft bringen kann. Am heutigen Dienstag hat der Senat zunächst ein dickes Strategiepapier zum Thema „Smart City“ verabschiedet. Unter dem Begriff versteht man Konzepte für intelligent vernetzte Städte. Die Vorlage kam von Stadtentwicklungs- und Umweltsenator Andreas Geisel: „Berlin ist eine internationale Metropole mit der Besonderheit hoher Lebensqualität", so Geisel. "Wir wollen diese Vorteile Berlins erhalten und ausbauen", gleichzeitig solle aber der Ressourcenverbrauch der wachsenden Stadt eingedämmt werden. Intelligente Informationstechnik könne dabei eine Schlüsselrolle spielen.
Frist für Fördergelder-Bewerbung läuft ab
Der Senat hat es plötzlich eilig mit der Zukunftsplanung, weil sich Berlin gemeinsam mit den Städten Paris und Bologna um EU-Fördergelder im Volumen von insgesamt 25 Millionen Euro im Rahmen des Forschungsprogramms „Horizon 2020“ beworben hat. Im Mai läuft eine Frist ab. Bei diesem konkreten Projekt arbeitet der Senat zusammen mit Unternehmen wie Siemens, Bosch und Vattenfall sowie dem Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme und dem Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel. Sie wollen – sofern die EU den Zuschlag erteilt – die Gartenstadt Lichterfelde Süd „intelligent vernetzen“.
Unabhängig davon sieht der Beschluss vor, dass die Senatsverwaltungen „bis Mitte des Jahres“ konkrete Projekte und Technologien identifizieren, die man in Berlin zumindest erproben kann. Die Verwaltung für Stadtentwicklung hat die Federführung, doch vor allem die Wirtschaftsverwaltung drängt, weil man sich dort einen Schub für Unternehmen und Institute verspricht. „Smart-City-Themen müssen bei allen Maßnahmen der wachsenden Stadt mitgedacht werden“, forderte Yzer bereits im Vorfeld: „Jetzt ist es wichtig, dass die Umsetzung der Maßnahmen zur Chefsache aller Senatoren und auch des Regierenden Bürgermeisters wird.“
Visionen der Senatorin: selbst fahrende Autos und sprechende Mülleimer
Ihr Haus hat bereits eine Liste mit realisierungswürdigen Projekten erstellt. Darauf steht unter anderem der erwähnte Pilotversuch mit selbst fahrenden Autos. Derzeit arbeitet der Bundesverkehrsminister an einer Versuchsstrecke auf einem Abschnitt der Autobahn A9. Doch im Hause Yzer meint man, Berlin sollte sich bemühen, Referenzstadt für autonomes Fahren zu werden. Schon heute tüfteln einige Berliner Institute und der VW-Konzern mit seiner Tochter Carmeq in Charlottenburg an diesem Thema.
Die Senatsverwaltung fordert auch, dass das Projekt Parkplatz-App ausgeweitet wird. Siemens hat wie berichtet einen Kilometer der Bundesallee mit Radarsensoren versehen, um das auszuprobieren. Zudem wünscht sich Yzer „sprechende Mülltonnen“: Die BSR solle Tonnen mit Sensoren bestücken, die der Zentrale mitteilen, ob sie voll oder leer sind. Unnötige Müllabfuhr könne man so vermeiden.
Aufgrund all der intelligenten Vernetzung wächst natürlich auch die Gefahr, dass die Bewegungen einzelner Bürger oder Gruppen aufgezeichnet werden könnten. In seiner Presseerklärung zur Verabschiedung des Strategiepapiers hieß es dazu, "dass der informationellen Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger eine hohe Bedeutung beizumessen ist." Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung habe eine hohe Priorität.
Auf Yzers Wunschzettel steht auch ein Klassiker, der in unzähligen Städten der Welt längst realisiert ist: Freies W-Lan für alle. Bei diesem angestaubten Zukunftsthema kommt der Senat aber schon seit Jahren nicht voran.