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Lange waren Wölfe in Brandenburg ausgestorben, inzwischen gibt es hier wieder etwa hundert Tiere.
© dpa
Update

Tödliche Straßen in Brandenburg: Seit Jahresbeginn wurden schon acht Wölfe überfahren

Am Wochenende lief ein Wolf auf der Autobahn südlich von Berlin in eine Pkw. Immer mehr Tiere sterben durch Verkehrsunfälle, einige wurden auch erschossen.

„Es war ein ausgesprochen schöner Wolf“, sagt Anja Kayser. Die promovierte Zoologin aus Beelitz war in der Nacht zu Sonnabend zur Autobahn A9 bei Klein Marzehns gerufen worden. Sie gehört zu etwa drei Dutzend ehrenamtlichen Wolfsbeauftragten in Brandenburg, die bei Unfällen oder anderen Vorkommnissen von der Polizei hinzugezogen werden.

„Zum Glück wurde kein Mensch verletzt“, erzählt Anja Kayser: „Der Fahrer konnte leider nichts mehr tun – der Wolf hatte die Autobahn überqueren wollen, gemerkt, dass es auf der anderen Seite nicht weiterging, auf dem Mittelstreifen kehrtgemacht und war dann direkt vor das Auto gelaufen.“

Paarungszeit geht zu Ende

Es ist schon der achte Wolf, der in diesem Jahr auf Brandenburgs Straßen überfahren wurde. Diese Häufung kann Zufall sein, sagt Anja Kayser. Sie kann aber auch damit zusammenhängen, dass sich die diesjährige Paarungszeit dem Ende nähert. Anders als zum Beispiel Hunde sind Wölfinnen nur einmal im Jahr zur Paarung bereit – im Spätwinter, etwa von Ende Januar bis Anfang März. „Für Rüden, die jetzt noch keine Partnerin gefunden haben, wird es höchste Zeit“, sagt Anja Kayser: „Da kann schon eine gewisse Panik einsetzen.“

Jungwolf lief bis nach Weißrussland

Die Welpen werden nach etwa 63 Tagen Ende April, Mai und Anfang Juni geboren und können im warmen Sommer groß werden. Wenn der Winter kommt, sind sie schon fast so groß wie die Alttiere, und wieder ein Jahr später erreichen sie die eigene Geschlechtsreife. Viele Jungwölfe verlassen dann ihr Rudel, um sich eine Partnerin oder einen Partner zu suchen und in einem neuen Territorium eine eigene Familie zu gründen.

Dabei legen sie täglich bis zu 70 oder 80 Kilometer und insgesamt manchmal riesige Entfernungen zurück, sagt Anja Kayser. So lief ein in Sachsen mit einem Sender versehener Jungwolf fast tausend Kilometer bis nach Weißrussland.

Manchmal steckt eine Kugel im Körper

Aufschlüsse über das Verhalten liefern die Untersuchungen im Berliner Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung, wo auch der am Wochenende überfahrene Wolf begutachtet wird. Manchmal erlebe man dabei Überraschungen, sagt Anja Kayser: „So wurden auch schon Schrotkugeln im Körper der Wölfe gefunden.“

Nicht alle sind den Tieren, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten in Deutschland wieder heimisch wurden, wohlgesonnen. Nutztierhalter müssen sich darauf einstellen, vor allem aber einige Jäger sehen den Wolf als Konkurrenten.

Ein Wolf wurde geköpft

„Ich habe auch schon erschossene und sogar geköpfte Wölfe gesehen“, sagt Kay-Uwe Hartleb, der für das Land Brandenburg als Wolfsbetreuer arbeitet: „Am schlimmsten finde ich allerdings, wenn solche archaischen Meinungen über die angeblich bösen Wölfe verbreitet werden oder Meldungen, wonach die Tiere inzwischen Berlin immer näher kommen, sozusagen fast schon einen Belagerungsring um die Stadt bilden.“

Dabei sei Berlin als Großstadt für die Wölfe gar nicht relevant, sagt Hartleb: „Die Tiere nehmen die Landschaft ganz anders wahr als Menschen und ziehen die schönen alten Wälder in Brandenburg allemal einer für sie stressigen menschenreichen Umgebung vor.“

Mehr Angst vor Wildschweinen

Da sich Wölfe inzwischen aber nicht mehr nur südlich von Berlin, sondern rundum angesiedelt hätten, Könne es natürlich auch hin und wieder vorkommen, dass ein Tier die Stadt streife. Fürchten müsse sich aber niemand, sagt Anja Kayser: „Ich habe mehr Angst vor einem Wildschwein – ein Wolf läuft im Normalfall immer vor Menschen davon.“

Im wildreichen Brandenburg leben nach Angaben des Landesumweltamts inzwischen wieder elf Wolfsrudel mit etwa 100 Tieren. Besonders häufig liegen die Reviere auf ehemaligen oder noch genutzten Truppenübungsplätzen.

Im Rudel über die Autobahn

Die Wölfe haben keine natürlichen Feinde – die größte Gefahr droht ihnen tatsächlich vom Straßenverkehr. Deutschlandweit sind seit dem Jahr 2000 fast 100 Tiere überfahren worden – erst vor vier Wochen wurden auf dem südlichen Berliner Ring am Abzweig Ferch zwei junge Wölfe getötet, die mit ihrem Rudel die A 10 überqueren wollten. Weil es mehr Wölfe in Brandenburg gibt, werden natürlich auch mehr überfahren, sagen Tierschützer. Im gesamten Jahr 2015 waren es acht, genauso viele wie 2016 schon nach neun Wochen. Es steht also zu befürchten, dass es in diesem Jahr weitaus mehr werden.

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