Sport: Wer hat Angst vorm bösen Wolf?
Die in Brandenburg und Sachsen frei lebenden Tiere beschäftigen jetzt auch das Bundesumweltministerium
Berlin - Ein lebensgroßer Pappwolf schaut durch die Scheiben in den Kongresssaal der Katholischen Akademie in Berlin. Wolfsgeheul eröffnet und beendet jeden Tagesordnungspunkt einer ungewöhnlichen Konferenz, zu der das Bundesumweltministerium gestern eingeladen hatte. Unter dem Motto „Wer hat Angst vorm bösen Wolf?“ diskutierten Wissenschaftler, Wolfsforscher und Vertreter von Naturschutzverbänden darüber, wie angesichts möglicher Ängste in der Bevölkerung die Akzeptanz für wild lebende Wölfe erhöht werden kann.
Denn die Wölfe sind bekanntlich nach Deutschland zurückgekehrt und vermehren sich fleißig. Zwei Rudel mit rund zwei Dutzend Tieren leben im sächsisch-brandenburgischen Grenzgebiet, der Lausitz. Zudem durchstreifen zwei Einzelgänger die Gegend, so dass es bald zur Gründung weiterer Rudel kommen könnte.
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) nannte die Tagung „bitter nötig“. Schließlich bekäme er auf internationalen Konferenzen zum Artenschutz von Vertretern afrikanischer Staaten neuerdings oft zu hören: „Ihr Deutschen wollt, dass wir unsere Löwen und Elefanten schützen und dann erschießt Ihr den ersten Bären, der bei Euch um die Ecke kommt.“
Zwar sei der Umgang mit „Problembär Bruno“ in Bayern nicht mit der Rückkehr der Wölfe nach Sachsen und Brandenburg zu vergleichen, sagte Gabriel, aber neuerdings mehrten sich auch hier die Forderungen: „Schießt die Wölfe ab.“ Diese kämen vor allem von Jägern, die erstmals seit mehr als hundert Jahren wieder die Konkurrenz der Wölfe fürchteten.
Der Präsident des brandenburgischen Jagdverbandes, Wolfgang Bethe, hatte während des Kongresses darauf hingewiesen, dass es für viele Jäger durchaus ein Problem sei, wenn der Wildbestand in den von ihnen gepachteten Wäldern durch die Wölfe dezimiert werde. Prompt erntete er das Missfallen des Publikums. Ähnlich erging es dem Vertreter des brandenburgischen Landesschäferverbandes. Er kritisierte, dass es in Brandenburg im Gegensatz zu Sachsen keine Entschädigungsregelungen für Fälle gäbe, in denen Schafe durch Wölfe gerissen werden.
Auch die lebhaften Diskussionen machten deutlich, dass die Rückkehr der Wölfe durchaus eine Reihe von Konflikten heraufbeschwört, für die noch keine Lösungen gefunden sind. Eine Pädagogin aus Sachsen erzählte, dass Eltern in den Wolfsgebieten ihre Kinder aus Angst nicht mehr zu Fuß in die Schule gehen ließen. Die gebetsmühlenartige Behauptung, dass „ein gesunder Wolf noch nie einen Menschen angefallen hat“, nutze da wenig.
Gesa Kluth und Ilka Reinhardt, die im Freistaat Sachsen die Wölfe seit Jahren wissenschaftlich betreuen, nehmen solche Ängste sehr ernst. Auch wenn sie überzeugt sind, dass „momentan von den Wölfen keine Gefahr für Menschen ausgeht“, plädierten sie angesichts zunehmender kritischer Presseberichte für ein professionelles Wolfsmanagement. Das unterstützten auch andere Referenten. Sie wiesen darauf hin, dass viele Menschen ein falsches Bild vom Wolf hätten. Für die einen sei er fast heilig, mystisch verbrämt nach Kevin Costners Film „Der mit dem Wolf tanzt“. Für die anderen sei er einfach nur „der böse Wolf“– Experten nennen das „Rotkäppchen-Effekt.“ Beide Extreme würden der Natur des Wolfes nicht gerecht.
Neben Umweltminister Gabriel hielt am Abend auch die französische Pianistin Hélène Grimaud, die sich seit Jahren für den Schutz der Wölfe einsetzt, ein flammendes Plädoyer für den Schutz der Tiere. Anschließend äußerten sich viele Teilnehmer zufrieden darüber, dass der Bund Sachsen und Brandenburg nicht allein lasse – und dass endlich auch die kritischen Aspekte des Themas auf sachliche Weise angesprochen worden seien.
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