Dämpfer für den Großinvestor: Schwedischer Konzern Heimstaden verliert drei Häuser an Berliner Bezirke
Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln üben das Vorkaufsrecht aus. Ein Haus in der Bergmannstraße ist ein besonderer Fall. Es könnte zum Rechtsstreit kommen.
Für drei der mehr als 130 Häuser, die der schwedische Investor Heimstaden in Berlin kaufen will, ziehen die Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln das Vorkaufsrecht. Vor allem ein Fall hat politische Sprengkraft: Florian Schmidt, der Bezirksstadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, wird für ein Haus ein preislimitiertes Vorkaufsrecht ausüben.
Eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft wird diese Immobilie zu einem niedrigeren Preis kaufen als dem, den Heimstaden zahlen wollte. Der Verkäufer könnte dagegen klagen, Unterstützung erhält er von der CDU.
Beim Vorkaufsrecht springt ein landeseigenes Unternehmen ein und übernimmt den Vertrag anstatt des Investors. In Friedrichshain-Kreuzberg wird die Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte mbH (WBM) ein Haus in der Mühsamstraße 36 kaufen und die Gewobag eines in der Bergmannstraße 94 / Ecke Solmsstraße 28.
In Neukölln wurde ein Haus in der Friedelstraße 27 durch Vorkaufsrecht erworben, Käufer ist dort die Wohnungsbaugenossenschaft Am Ostseeplatz. Bei drei anderen Häusern in Friedrichshain-Kreuzberg wurde das Vorkaufsrecht zwar geprüft, aber nicht durchgesetzt. In einer gemeinsamen Presserklärung mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen teilten die beiden Bezirksämter mit: „Die Angst von Mieterinnen und Mietern vor steigenden, nicht mehr bezahlbaren Mieten und vor Verdrängung ist berechtigt, denn Mietwohnungen sind zur Kapitalanlage geworden. Deshalb muss die Politik zum Wohl der Mieterinnen und Mieter eingreifen, wo es rechtlich möglich ist.“
Insgesamt sind 63 Wohnungen betroffen. In Friedrichshain-Kreuzberg handelt es sich demnach um 44 Wohnungen und 2 Gewerbeeinheiten, in Neukölln um 19 Wohnungen und 5 Gewerbeeinheiten in einem Haus. Ein Kaufpreis wurde nicht mitgeteilt.
Mieter protestierten gegen den Kauf der Häuser durch Heimstaden
Das Bezirksamt hatte die Mieter bereits vor acht Wochen informiert, darunter auch den Autor dieses Artikels, der in einem der Häuser wohnt. Ein Teil der Mieter hatte gegen den Kauf protestiert und den Vorkauf gefordert.
Einige hängten Transparente aus den Fenstern, wie man sie in Innenstadtbezirken mittlerweile häufig sehen kann. Andere verteilten Flyer in der der Nachbarschaft oder nutzten sozialen Medien, um die Unterstützung von Bezirken und Senatsverwaltung einzufordern.
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Einige versuchten auch, auf eigene Faust, einen Vorkäufer zu finden. Martin Rösel, der in Friedrichshain wohnt, kontaktierte 40 Genossenschaften. Die Antworten, sofern welche kamen, empfand er als ernüchternd: Keine einzige Zusage, dafür 17 Absagen.
„Die meisten haben durchblicken lassen, dass ihnen der Preis viel zu hoch ist“, sagt er. Die Zeit sei zu kurz gewesen. „Irgendein Vorstand war immer gerade im Urlaub oder anderweitig nicht erreichbar.“ Die Bezirke waren erfolgreicher. Für Kontroversen dürfte allerdings das Eckhaus Bergmannstraße / Solmsstraße sorgen. Dieses Haus will Friedrichshain-Kreuzbergs Stadtrat Florian Schmidt zum reduzierten Preis kaufen. Das sogenannte preislimitierte Vorkaufsrecht ist bisher in Berlin noch nie erfolgreich umgesetzt worden.
Schwedischer Investor will mit Politik verhandeln
Christian Gräff, der baupolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, hält das für einen Rechtsbruch. Der grün regierte Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gehe einen „Weg der Konfrontation“, sagt er: „Erst wird den Mietern Angst gemacht, und dann kommt man mit so brachialen Methoden.“ Er werde nun den Kontakt zum Verkäufer suchen, der Unternehmensgruppe Schönhaus Immobilien, denn es sei skandalös, „wie hier mit Eigentum umgegangen wird“.
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Jagna Anderson, Sprecherin der Initiative „Fünf Häuser“, findet den Vorkauf richtig: „Die Politik muss dem Ausverkauf der Stadt an private Investoren wie Heimstaden einen Riegel vorschieben.“
Der Vorkauf sei in seiner derzeitigen Form ein viel zu schwaches Mittel, findet Anderson und fordert, dass die Gesetzgebung auf Bundesebene geändert werden müsste. Der Fall Bergmannstraße / Solmsstraße könnte richtungsweisend sein, auch im Hinblick auf die insgesamt etwa 4000 Wohnungen, die Heimstaden in Berlin gekauft hat. Der Verkäufer kann vor Gericht dagegen klagen, dass er weniger Geld bekommen soll.
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Heimstaden hätte den Vorkauf durch die Unterzeichnung einer Abwendungsvereinbarung verhindern können. Darin verpflichtet sich der Investor zu Garantien bezüglich sozialer Standards, etwa zum Verzicht auf die Umwandlung in Eigentumswohnungen.
Offenbar war Heimstaden dazu aber bisher nicht bereit. Bernd Arts, der Sprecher der Unternehmensgruppe, teilte dem Tagesspiegel nun mit, dass Heimstaden in Bezug auf weitere Verkäufe „in Gesprächen mit der Politik“ sei. Es wird also offenbar um die genauen Konditionen verhandelt.
Zuletzt hatten Bewohner möblierter Wohnungen mit befristeten Mietverträgen im Tagesspiegel ihre Sorge vor der Zukunft geäußert. Der Vorbesitzer der fünf Häuser in Friedrichshain-Kreuzberg, die Gruppe Schönhaus Immobilien, hatte Wohnungen zu hohen Mietpreisen und mit einer zeitlichen Befristung vermietet. Der Investor verspricht nun: „Heimstaden wird ihnen den Abschluss unbefristeter Mietverträge anbieten.“