Wegen zu hoher CO2-Emissionen: Schüler wollen weniger Klassenfahrten per Flugzeug
Immer mehr Schulklassen stimmen darüber ab, lieber mit der Bahn auf Reisen zu gehen. 2018 nahmen die Schüler bei fast jeder vierten Klassenfahrt das Flugzeug.
In den Berliner Klassenräumen regt sich Widerstand gegen Schülerreisen mit dem Flugzeug. „Es ist absurd, dass so viel geflogen wird. Keine Klasse muss eine Fahrt nach Peking machen“, sagt Luisa Regel, Sprecherin des Landesschülerausschusses Berlin. Deshalb will sich das Gremium nun mit einem Positionspapier „Klimagerechte Schule“ an die Bildungsverwaltung richten, in dem auch ein Bekenntnis enthalten sein soll, klimafreundlichere Schülerreisen zu veranstalten.
Denn die Zahlen aus dem letzten Jahr findet Luisa Regel viel zu hoch: Für fast jede vierte Berliner Klassenfahrt ging es zunächst in die Luft, bei 404 Fahrten von insgesamt 1.773 wurde geflogen. Das geht aus der Antwort der Bildungsverwaltung auf eine Schriftliche Anfrage der AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus hervor.
Demnach sind die beliebtesten Reiseziele Rom mit 41 Klassenfahrten (38 davon mit dem Flieger), Paris mit 34 und London mit 32 Klassenfahrten, davon je 30 per Flugzeug. Eine Klasse nahm sogar für die recht kurze Strecke Berlin–Prag den Flieger. Doch auch Langstreckenflüge sind dabei. Sechs Mal flogen Berliner Klassen 2018 in die USA, fünf Mal nach Peking, zwei Mal nach Taiwan.
Besonders beliebt sind Flugreisen an Schulen in Charlottenburg-Wilmersdorf, (30 Prozent) und Mitte (26 Prozent). Am seltensten flogen Schulklassen aus Lichtenberg (neun Prozent). Die AfD-Fraktion kommentierte, die „Jünger der Klima-Endzeitsekte“ seien „heuchlerisch: Freitags-Schulschwänzer lieben das Flugzeug!“
[Ein Berliner Bezirk fehlte bisher mit den Angaben zu den Klassenfahrten. Dem Spandau-Newsletter vom Tagesspiegel liegen die Daten jetzt vor. Wohin die Kinder reisten und welche Schule besonders weit flog (und warum) - lesen Sie die Geschichte hier im Tagesspiegel-Newsletter. Den gibt es in voller Länge und kostenlos unter leute.tagesspiegel.de]
Franziska Wessel, Mitorganisatorin der Berliner „Fridays for Future“-Demonstrationen, geht davon aus, dass die Zahlen in diesem Jahr niedriger sein werden. Wessel besucht die elfte Klasse des Werner-von-Siemens-Gymnasiums in Zehlendorf. Dort würden die Schüler anfangen durchzusetzen, dass immer mehr Reisen mit der Bahn gemacht würden. Ihre Parallelklasse sei dieses Jahr mit dem Bus nach London gefahren.
„Mit Fridays for Future versuchen wir den Blick darauf zu richten, dass Fliegen klimaschädlich ist, aber wir wollen niemandem verbieten zu fliegen“, sagt Wessel. Man wolle vor allem, dass sich politisch etwas ändere. „Um unsere Lebensgrundlage zu erhalten, müssen wir unsere CO2-Emissionen drastisch senken und können uns nicht mehr leisten, Klassenfahrten ins Nachbarland mit dem Flugzeug zu machen“, sagt Annkatrin Esser, Landesvorsitzende der Grünen Jugend in Berlin, dafür aber, sagt Esser, müsse insbesondere das Bahnfahren preiswerter sein als das Fliegen – was häufig nicht der Fall ist, gerade bei Kurzstrecken.
Schulfahrten häufig mit dem günstigsten Verkehrsmittel
Nicht alle Eltern können gleich viel Geld in die Reisen ihrer Schüler investieren. In der Ausführungsvorschrift zu Veranstaltungen der Schule ist geregelt: „Die Kosten der Fahrt müssen sich an der finanziellen Ausgangslage der Erziehungsberechtigten sowie der Schülerinnen und Schüler orientieren“.
Regelungen, dass das günstigste Mittel zur Reise genutzt werden muss, gibt es nicht, aber das entspreche natürlich häufig der Lebenswirklichkeit, damit alle mitkommen könnten, sagt Markus Hanisch, Pressesprecher der Lehrergewerkschaft GEW. „Wenn Fliegen die günstigere und schnellere Variante ist, nimmt man halt die. Das den Schülern vorzuwerfen, finde ich doppelmoralisch“, sagt Hanisch. Für Langstreckenflüge nach Peking oder New York gilt das natürlich nicht, das können sich ebenfalls nicht alle leisten. Jede Schule, jede Klasse, jeder Schüler, sagt Hanisch, sollte sich selbstkritisch hinterfragen. „Aber wir lehnen es ab, die Verantwortung bei den Schülern abzuladen.“
Genau die wollen die Schüler aber übernehmen. Luisa Regel erzählt, sie habe mit ihrem Politik-Leistungskurs gerade eine Reise nach Pisa geplant. Regel ist im Abiturjahr an der Kurt-Schwitters-Schule in Pankow. Es habe eine ausführliche Diskussion gegeben, im Anschluss die Abstimmung: Der gesamte Kurs werde für die sechstägige Reise im nächsten Sommer erst einen Zug nach München nehmen, dann den Nachtzug nach Pisa.
16 Stunden Reisezeit und teurer als das Fliegen sei es auch, aber Luisa Regel und ihr Kurs sind zufrieden. „Fliegen dauert alles in allem auch lange, ist mit so vielen Leuten unkomfortabel und eine riesige Klimaschweinerei“, sagt Regel. Immer mehr Klassen stimmen darüber ab, wie sie klimafreundlicher reisen könnten, das bestätigten Regel ihre Kollegen aus den Bezirksschülerausschüssen. „Das wird heute ganz anders diskutiert, als noch vor einem Jahr“, sagt Regel.
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