Elektronisches Klassenbuch: Schulschwänzer-SMS hängt fest
Eigentlich sollen Eltern schnell informiert werden, wenn ihr Kind unentschuldigt fehlt. Doch das Projekt "elektronisches Klassenbuch" kommt nur schwer voran.
131 Tage – diese Zahl hat selbst die Reinickendorfer Schulstadträtin Katrin Schultze-Berndt (CDU) schockiert. So lange fehlte ein Schüler in ihrem Bezirk unentschuldigt im letzten Schuljahr. Ein Extremfall in dieser Höhe, doch kein Einzelfall. Mehr als drei Prozent aller Berliner Schüler gelten als hartnäckige Schwänzer. Im letzten Jahr waren es rund 3500 Schüler der Klassen sieben bis zehn, die mehr als zehn Tage unentschuldigt fehlten. Die Zahlen in den Jahren davor bewegen sich auf ähnlichem Niveau. Um gegen das Problem vorzugehen, kündigte Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) im Frühjahr die Einführung des sogenannten elektronischen Klassenbuchs an: Fehlt ein Kind unentschuldigt, soll automatisch eine SMS an die Eltern geschickt werden. Vorgesehen war, das Modell in diesem Jahr an zehn Schulen zu testen. Doch die Erprobungsphase verzögert sich offenbar. Die Bildungsverwaltung hält sich zum Start bedeckt und gibt nicht an, wann es losgehen wird. In einer ersten Phase sollen sich allerdings nur drei Schulen beteiligen, die sukzessive starten; danach werde das Projekt auf insgesamt zehn Schulen ausgeweitet.
„Ich rechne nicht damit, dass es in diesem Halbjahr noch etwas wird“, sagt Paul Schuknecht, Leiter der Friedensburg-Oberschule (Integrierte Sekundarschule) in Charlottenburg. Er hat seine Schule bei dem Pilotprojekt angemeldet. Vor dem Start müssten allerdings noch die Schulgremien zustimmen, zudem sei die technische Ausstattung noch nicht einsatzbereit. Schuknecht verspricht sich von dem Versuch, dass Bürokratie vereinfacht wird und die Schulen einen schnelleren Draht zu den Eltern von Schulschwänzern bekommen.
Schon seit Februar gelten in Berlin strengere Regeln, wenn ein Kind nicht in der Schule erscheint. Lehrer sind angehalten, bereits am ersten Fehltag die Eltern anzurufen. Schulleiter hatten daraufhin den hohen zusätzlichen Verwaltungsaufwand und die Mehrarbeit für ohnehin überlastete Lehrer beklagt. „Das lässt sich so gar nicht immer durchführen“, sagt auch Schulleiter Schuknecht. Mit einem automatischen SMS-Versand könnte es seiner Ansicht nach deutlich einfacher werden.
„Prinzipiell begrüße ich die Initiative, allerdings ändern sich bei vielen Familien die Handynummern so schnell, dass die Schulen gar nicht hinterher kommen können“, sagt die Neuköllner Bildungsstadträtin Franziska Giffey (SPD). Diese Sorge teilt Schuknecht nicht: „Bei dem Versuch mit dem elektronischen Klassenbuch müssen die Eltern vorher zustimmen, dass wir sie kontaktieren können.“
Schon jetzt stehen den Schulbehörden und Jugendämtern verschiedene Maßnahmen zur Verfügung, um gegen notorische Schwänzer vorzugehen. Fehlt ein Schüler mehr als zehn Tage, geht eine Versäumnisanzeige ans Schulamt. Es folgen Gespräche mit den Eltern und Hilfsangebote durch das Jugendamt. Als letzte Möglichkeit können die Bezirke auch Bußgelder anordnen oder Schüler von der Polizei abholen lassen. „Diese polizeiliche Zuführung hat sich allerdings nicht bewährt“, sagt Giffey. „Manche Schüler genießen es, dass sie dann auch noch einen großen Auftritt bekommen, wenn die Polizei sie zur Schule bringt.“ In ihrem Bezirk lasse sie Bußgelder konsequent eintreiben, noch wichtiger sei allerdings die Prävention, und zwar schon in der Grundschule, so Giffey. Neukölln hat nach dem Bezirk Mitte die höchste Quote an unentschuldigten Fehltagen. Die niedrigsten Werte gibt es in Pankow, Treptow-Köpenick und Steglitz-Zehlendorf.
„Kein Kind fehlt ohne Grund“, sagt Giffey. Es gehe vor allem darum, an die Eltern heranzukommen – auch um die Familien auf Hilfsangebote aufmerksam zu machen. Eine wichtige Rolle können die Schulstationen spielen. An der Silberstein-Grundschule in Neukölln haben die Sozialarbeiter gute Erfahrungen damit gemacht, Kinder, die oft fehlen, morgens von zu Hause abzuholen. „Wir helfen dann beim Anziehen und Taschepacken und überlegen gemeinsam, wie sich der Morgenablauf besser organisieren lässt“, sagt Matthias Hoffmann von der Schulstation Vielfalt e. V. Oft seien die Eltern überfordert und dankbar für die Hilfe. „Nach ein oder zwei Wochen klappt das dann von alleine“, so Hoffmann.