Debatte um einheitliche Strafen für alle Bezirke: Rund 3.500 Berliner Schüler schwänzen regelmäßig
Rund 3.500 Schüler fehlen im Unterricht regelmäßig unentschuldigt. Sanktionen gibt es zwar, die werden in den Bezirken aber nicht einheitlich umgesetzt. Und Projekte wie das "elektronische Klassenbuch" stecken noch in den Kinderschuhen. Jetzt startet die Politik einen neuen Vorstoß.
Rund 3.500 Berliner Schüler gelten als hartnäckige Schwänzer – sie fehlen mehr als zehn Tage im Jahr unentschuldigt. Allein im ersten Schulhalbjahr 2011/12 fehlten 655 Schüler der Klassen sieben bis zehn sogar mehr als 40 Tage ohne Entschuldigung. Das geht aus einer Kleinen Anfrage des SPD-Abgeordneten Joschka Langenbrinck hervor.
Abgeordnete der CDU- und SPD-Fraktion fordern jetzt von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) ein konsequenteres und berlinweit einheitliches Vorgehen gegen Schulschwänzer. „Wir brauchen klare Regeln, die in allen Bezirken gleich umgesetzt werden“, sagt Langenbrinck. Zusammen mit der bildungspolitischen Sprecherin der CDU, Hildegard Bentele, hat er eine Große Anfrage ins Parlament eingebracht, über die am späten Donnerstagabend im Abgeordnetenhaus debattiert wurde.
Die Zahlen der Schulschwänzer bewegen sich seit Jahren auf ähnlichem Niveau. Doch die Bezirke reagieren ganz unterschiedlich auf das Problem. Neukölln ist Spitzenreiter bei den sogenannten Schulversäumnisanzeigen. Diese werden nach zehn aufeinanderfolgenden unentschuldigten Fehltagen von den Schulen an die Eltern und an das Schulamt gesandt.
Bentele und Langenbrinck fordern, die Versäumnisanzeigen künftig bereits nach fünf unentschuldigten Fehltagen zu stellen. Zudem müssten nach einer solchen Anzeige auch tatsächliche Konsequenzen folgen. Bisher könne die Anzeige nämlich auch folgenlos bleiben. Das Einschalten des Jugendamtes oder des schulpsychologischen Dienstes sei in der entsprechenden Vorschrift nur eine Kann-Bestimmung.
Des Weiteren bemängeln die beiden Abgeordneten, dass die Bezirke die Verhängung von Bußgeldern (in der Regel rund 150 Euro) sehr unterschiedlich handhaben. Während es in Neukölln die meisten Verfahren gibt, treiben die Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg, Treptow-Köpenick und Pankow fast gar kein Geld von den Eltern säumiger Schüler ein.
Es sei nicht gut, wenn in einer Stadt und in angrenzenden Bezirken – wie etwa in Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg – solch unterschiedliche Signale ausgesendet werden, kritisiert Bentele.
Joschka Langenbrinck, der selbst aus Neukölln stammt, sagt, das Thema Schulschwänzer sei ihm eine Herzensangelegenheit, auch weil es in seinem Heimatbezirk ein besonders gravierendes Problem sei. Es gehe darum, Kindern durch eine Schulbildung andere Zukunftschancen als eine Hartz-IV-Karriere zu bieten. Dazu müsse aber die Schulpflicht konsequent durchgesetzt werden, nötigenfalls mit Anzeigen und Bußgeldern. „Es kann doch nicht sein, dass die Bezirke beim Falschparken konsequenter sind als bei Schulschwänzern“, empört sich der 27-jährige Abgeordnete. „Es gibt nun einmal gesellschaftliche Regeln und die müssen eingehalten werden.“
Schulstadtrat Peter Beckers (SPD) aus Friedrichshain-Kreuzberg ist dagegen skeptisch, dass Bußgelder etwas bewirken können. Oft hätten Kinder und Eltern massive Probleme, die zum Schwänzen führten. Statt Bußgeldern bräuchten die Familien sozialpädagogische Hilfen. „Strafe wird überschätzt“, so Beckers.
Bei der Bildungsverwaltung ist man sich der Schwänzer-Problematik bewusst. „Die Zahl der Schulversäumnisse ist zu hoch. Um Schulabbruch zu verhindern, müssen Eltern frühzeitig eingebunden werden, wenn Kinder und Jugendliche immer wieder unentschuldigt fehlen,“ sagt Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD).
Ihre Sprecherin Beate Stoffers verweist zudem darauf, dass seit Anfang des Jahres strengere Regeln gelten. Eltern werden jetzt schon ab dem ersten Tag, an dem ihr Kind unentschuldigt fehlt, informiert.
Ein anderes Projekt hängt dagegen im Zeitplan hinterher. Das „Elektronische Klassenbuch“, das ab diesem Schuljahr an zehn Schulen erprobt werden sollte, steckt noch immer in den Startlöchern. Bei unentschuldigtem Fehlen sollte automatisch eine SMS an die Eltern geschickt werden – so die Idee des Projektes.
An drei Schulen wird nach Auskunft von Stoffers seit September nun immerhin „der Testbetrieb vorbereitet“. Frühestens im Januar könnte es dann dort losgehen.