Als Schüler ins Ausland: Nichts wie raus!
Austausch, College, Internat: Welche Möglichkeiten Schüler haben, um ins Ausland zu kommen – und was es bringt.
VIER WOCHEN IN ROM
Dass Radfahren in Rom nicht unbedingt üblich ist, weiß Boris, seitdem er von dort eine Schüleraustauschpartnerin zu Besuch hatte: Als Schüler des Britzer Albert-Einstein-Gymnasiums konnte er Italienisch als zweite Fremdsprache lernen und an einem vierwöchigen Schüleraustausch teilnehmen.
Sprachlich ist nicht so viel hängen geblieben, weil die Italiener sehr gut Deutsch konnten. „Aber es war eine tolle Erfahrung, so lange im Ausland sein zu können und dazu noch in Rom“, fasst der Student den Effekt des Austausches zusammen. Es gab Exkursionen in die Toscana, es gab den Familienanschluss und dennoch nach dem vormittäglichen Schulbesuch viel Freizeit, auch mit den Gleichaltrigen die Stadt zu erkunden. Gekostet hat das Ganze fast nichts: Der Flug und etwas Taschengeld war alles, was aufgebracht werden musste. Und die römische Austauschpartnerin hat in Berlin nicht nur ihr Deutsch verbessert, sondern auch Radfahren gelernt.
DREI MONATE IN LYON
Marielle* hatte schon seit der dritten Klasse Französisch und besucht inzwischen das Schöneberger Rückert-Gymnasium, das sowohl zum französischen als auch zum deutschen Abitur führt. Ein Jahr lang ins Ausland kam für sie nicht infrage, aber ein paar Monate schon. Bei der Suche nach einem passenden Angebot landete ihre Familie auf der Homepage des Deutsch-Französischen Jugendwerks, das den Weg zum „Brigitte-Sauzay-Programm“ ebnete: Es bietet einen dreimonatigen Aufenthalt in einer französischen Gastfamilie mit einem Gegenbesuch des Austauschpartners. „Aus dem Sauzay-Programm haben wir 200 Euro Reisekostenzuschuss für die Fahrt nach Lyon erhalten, ansonsten fielen – abgesehen von der Bewirtung der französischen Schülerin – kaum Ausgaben an“ , berichten Marielles Eltern. Seit der Rückkehr aus Lyon spricht ihre Tochter fließend „und ohne nachzudenken“ Französisch, den selben Effekt haben sie auch bei anderen Kindern gesehen, die Französisch nur als Zweitsprache gewählt hatten. Abgesehen davon fand Marielle es interessant, ein anderes Schulsystem kennenzulernen. Für sie war die neunte Klasse genau der richtige Zeitpunkt, es gibt das Programm aber auch für die achte, zehnte und elfte Klassenstufe.
SECHS MONATE IN NEUSEELAND
Seit der Einführung des Abiturs nach zwölf Jahren sehen die meisten Schüler nur in der 10. Klasse die Möglichkeit für einen längeren Auslandsaufenthalt. Für Nina (Jahrgang 1994) war klar: Ausland ja, möglichst weit weg, aber nur sechs Monate, denn sie wollte kein Schuljahr verlieren. Über die Agentur „Stepin“ kam die Empfehlung für das Pakuranga-College in Auckland/Neuseeland. Ein mehrstündiger Test in Berlin bestätigte ihr die nötige sprachliche Kompetenz, ihren 16. Geburtstag feierte sie schon in einer neuseeländischen Gastfamilie. Das völlig andere Schulsystem mit nur fünf Kernfächern faszinierte sie, auch der überhaupt nicht eurozentrische Unterricht half ihr, in eine ganz andere Kultur einzutauchen. Gut fand sie auch, dass sie am College in eine Tutorengruppe eingebunden war, die sich jeden Tag traf.
Das College war in sechs Häuser eingeteilt, die gegeneinander Wettkämpfe austrugen – es war wie bei Harry Potter. Der Wiedereinstieg in das deutsche Gymnasium machte ihr keinerlei Probleme. Die Zeit in Neuseeland hat sie viel selbständiger gemacht, sagt sie selbst, verstärkte ihr Interesse an fremden Ländern und war auch der Auslöser für das soziale Jahr, das sie nach dem Abitur in Südamerika absolvierte. Nachteil: Da die neuseeländischen Gastfamilien Geld erhalten, und weil der lange Flug teuer ist, sollte man für einen solchen Auslandsaufenthalt rechtzeitig bei Onkeln und Tanten um Unterstützung werben. Für sechs Monate Aufenthalt in Neuseeland inklusive Flug muss man etwa 13 000 Euro einkalkulieren. Ein Highschool-Jahr in den USA ist etwas günstiger, ab etwa 9000 Euro gibt es Angebote.
ZWEI JAHRE IN CAMBRIDGE
Die verkürzte Abiturzeit behagte den Eltern von Johannes* überhaupt nicht. Also beschlossen sie, ihn nach der 10. Klasse für ein Jahr ins Ausland zu schicken. Der erste Gedanke lautete: ein Highschool- Jahr in den USA, aber dann tauchten Erinnerungen an viele schlechte Erfahrungen im Freundes- und Verwandtenkreis mit US-Gastfamilien auf. So fiel die Entscheidung für ein Internatsjahr in England.
Mit Hilfe einer der vielen Internatsberatungen wurde die 1875 gegründete renommierte „The Leys School“ in Cambridge gefunden. Letztlich gefiel es ihrem Sohn so gut, dass er noch um ein Jahr verlängern wollte – und durfte: Weitere rund 40 000 Euro war es seinen Eltern Wert, dass er unter den optimalen Bedingungen einer gut geführten und leistungsstarken Schule dort sogar seinen Abschluss machen konnte. Das sogenannte A-Level (Advanced Level) ist zwar dem deutschen Abitur nicht ganz gleichgestellt und hat in Deutschland eher den Status eines Fachabiturs. „Dabei kommt es aber sehr auf die Schwerpunktfächer an, die man wählt, berichtet Johannes’ Mutter. Da er Mathematik und Physik gewählt hatte, bekam er den gewünschten Platz an der Universität München – allerdings erst, nachdem die zuständige Berliner Anerkennungsbehörde nach ausgiebiger Prüfung den entsprechenden Stempel auf das Schulzeugnis gedrückt hatte.
FERIENKURSE
Wer während des Schuljahres nicht ins Ausland möchte oder kann, für den sind vielleicht Sprachkurse in den Ferien interessant. Gina war zweimal für jeweils zwei Wochen in Großbritannien. Das erste Mal nach der elften Klasse in Exmouth. „Weil dort überwiegend deutsche Schüler waren, wurde leider nur im Unterricht und in der Gastfamilie Englisch gesprochen“, sagt die heute 23-Jährige. Nach dem Abitur war sie dann in London und besuchte während des Kurses die renommierte King’s School. Die Teilnehmer kamen aus der Türkei, Italien, Südkorea und Russland. „Da meine Klasse so international besetzt war, wurden meine Englischfähigkeiten intensiv gefördert. Ich war gezwungen, konsequent Englisch zu reden.“ Zwei Wochen Intensivkurs in London kosteten 1445 Euro mit Unterkunft in einer Gastfamilie und Halbpension.
WAS ES SONST NOCH GIBT
Zwei Jahre Schule im Ausland und den Abschluss International Baccalaureate (IB), das geht in den United World Colleges, von denen es weltweit 13 gibt. An den Schulen leben und lernen Jugendliche aus vielen Nationen gemeinsam, ein Schwerpunkt ist soziales Engagement. Der Bewerbungsprozess ist recht anspruchsvoll, zur Finanzierung sind Voll- und Teilstipendien möglich. Informationen unter www.uwc.de.
*Name von der Redaktion geändert
Infos und Adressen
VORHER KLÄREN
Vor einem längeren Schüleraustausch oder Auslandsaufenthalt muss man zunächst mit der Heimatschule klären, welche Auswirkungen die Abwesenheit auf die Schullaufbahn hat. Wer nach der zehnten Klasse ein Jahr ins Ausland geht, macht in der Regel zurück in Deutschland mit der elften Klasse weiter, hat also ein Jahr „verloren“. Wer in der zehnten Klasse ein halbes Jahr weg ist, kann meistens regulär in der elften Klasse weiterlernen und bekommt den Mittleren Schulabschluss anerkannt.
ADRESSEN
Deutsch-Französisches Jugendwerk Informationen über das Voltaire-Programm (sechs Monate in Frankreich) gibt es beim Centre Français de Berlin, Müllerstraße 74, 13349 Berlin, Tel. 45979351, voltaire@centre-francais.de. Ansprechpartner für das Programm Brigitte Sauzay (dreimonatiger Austausch): Anett Waßmuth,
Tel.: 288757-15, E-Mail: wassmuth@dfjw.org. Mehr über beide Programme unter www.dfjw.org.
Internatsberatungen
Barbara Glasmacher, Internationale Schulberatung: www.glasmacher.de; Euro-Internatsberatung, www.internatsberatung.com; Till Jürgens Consulting: www.englische-internate.de
Online-Portal Schüleraustausch
Die gemeinnützige Deutsche Stiftung Völkerverständigung bietet im Internet eine Plattform zum Thema Schüleraustausch an, bei der man gezielt nach Anbietern und Programmen suchen kann: www.schueleraustausch-portal.de.
EU-Portal: Raus von Zuhaus
Wie junge Menschen ins Ausland kommen, darüber informiert auch das Portal www.rausvonzuhaus.de, das vom Bundesfamilienministerium und der Europäischen Kommission gefördert wird. Dort gibt es eine Datenbank über verschiedene Programme. sve/svo
Susanne Vieth-Entus, Sylvia Vogt, Gerd Appenzeller
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