Grundschule in Berlin Neukölln: Mit Hausbesuchen gegen den Einfluss der Moschee
Ein Modellprojekt soll das massive Aggressionsproblem einer Neuköllner Grundschule eindämmen. Doch die berüchtigte Al-Nur-Moschee unterwandert die Bemühungen.
Vielleicht hat der andere ja komisch geschaut oder eine seltsame Geste gemacht. Kann aber auch eine Bemerkung gewesen sein, wer weiß das schon, ging ja alles so schnell. Eine Provokation halt. Und so was lässt sich Mohamed* natürlich nicht gefallen. Der Syrer holte kurz aus und die Schmerzen, die sein Gegner dann im Gesicht spürte, das war die Wirkung von Mohameds rechter Geraden.
Und Respekt von einigen hatte er sich gleich noch mitverschafft. Zeugen gab es ja genug. Mohamed hatte auf dem Hof der Schule an der Köllnischen Heide alles klargemacht. Er ist elf Jahre alt.
"Wenn du geschlagen wirst, musst du zurückschlagen"
Eine Ausnahme? Nicht an dieser Schule in der Nähe des S-Bahnhofs Köllnische Heide. Nicht hier, wo von 650 Schüler 97 Prozent eine nichtdeutsche Herkunft haben und viele arabische Wurzeln. Nicht an diesem Ort, an dem die Schulleiterin Astrid-Sabine Busse sagt, ihre Lehrer stellten sich mitunter die Frage, wie viele ihrer Schüler eigentlich einigermaßen normal funktionierende Elternhäuser haben. Und als Antwort nur zwei Worte kommen: „Sehr wenige.“
Deshalb wird die Grundschule jetzt Modellprojekt. Das sorgsam formulierte Ziel der Senatsbildungsverwaltung: Die Aggressivität der Schüler soll eingedämmt werden, Eltern sollen ihren Kindern mit mehr Empathie begegnen. Oder überhaupt erst mal verstehen, dass es so etwas wie Mitgefühl gibt.
Bis jetzt hat Astrid-Sabine Busse viele Väter kennengelernt, die ihre Söhne mit einem klaren Leitspruch in die Schule schicken: Wenn du geschlagen wirst, musst du unbedingt zurückschlagen. Für die Schulleiterin ist diese Form der rauen Zuwendung „wirklich schlimm“.
Sozialarbeiter für die Elternarbeit
Modellprojekt bedeutet im Fall der Grundschule an der Köllnischen Heide: zwei weitere volle Stellen für Sozialarbeiter vom neuen Schuljahr an, eine halbe Sozialarbeiterstelle ab sofort. Finanziert von der Bildungsverwaltung. Bisher hat die Schule 1,5 Stellen für Sozialarbeiter. Die neuen Sozialexperten sollen sich einerseits um Kinder kümmern, die „mal wieder eine Klasse umpflügen“ (Busse) und eine halbe Stunde Spaziergang an der frischen Luft brauchen, um abzukühlen.
„Normale Lehrer haben dafür keine Zeit. Die Kollegen werden so entlastet“, sagt die Schulleiterin. „Vor allem aber“, sagt Astrid-Sabine Busse, „sollen diese Sozialarbeiter aufsuchende Elternarbeit machen.“ Stünden plötzlich Lehrer vor der Tür, könnten das viele Eltern eher als Heimsuchung empfinden. Sozialarbeiter aber haben einen anderen Zugang.
Sie sollen bei den Eltern schwieriger, also quasi fast aller Schüler auftauchen. Entweder präventiv oder anlassbezogen. Bei präventiven Gesprächen fragen die Sozialarbeiter nach Problemen und vermitteln das Gefühl von Fürsorge. Weitaus häufiger dürften sie allerdings anlassbezogen ums Gespräch bitten. „Hier gibt’s täglich ein Problem“, sagt die Schulleiterin seufzend.
Kindgerechte Angebote treffen auf rauen Alltag
Astrid-Sabine Busse ist eine elegante Frau, seit Jahrzehnten im Beruf; sie leitet mit jener souveränen Gelassenheit, die nötig ist, um den Betrieb mit geringstmöglichem Reibungsverlust am Laufen zu halten. Jetzt sitzt sie an einem langen Tisch in ihrem geräumigen Büro, die Tür zum Sekretariat ist offen, manchmal schaut ein Kollege kurz rein.
Die offene Atmosphäre steht für die ganze Schule. Hier ist Raum für Kreativität, in einem Kurs verwirklichten sich Schüler sogar mal in chinesischer Maltechnik. Doch kindgerechte Angebote treffen auch auf rauen Alltag. Astrid-Sabine Busse faltet ihre Hände auf dem Tisch, noch ein tiefer Seufzer. „Wir haben hier ein besonders schwieriges Umfeld.“
Mohameds Fall gehört schon zur klassischen Kategorie. Bei ihm ist ein Hausbesuch dringend nötig, letztlich ist der junge Syrer ja Opfer der familiären Umstände. Sein leiblicher Vater ist nicht mehr da, sein Stiefvater hat mit Mohameds Mutter eigene Kinder gezeugt, „jetzt stehen Mohamed und seine Geschwister in der zweiten Reihe“, sagt Busse.
Die Schule als emotionale Rettungsinsel
Mohamed taucht regelmäßig in ihrem Büro auf, wenn er mal wieder ausgerastet ist. Vor Astrid-Sabine Busse steht dann „ein engelsgleiches Kind“, eher zart, in kindlicher Unschuld unfähig zu erklären, weshalb es zugeschlagen hat. Die Antwort gibt seine Schulleiterin. „Dem fehlt einfach nur das normale Leben.“
Das fehlt vielen an dieser Schule, wobei die ja noch eine Art emotionale Rettungsinsel darstellt. Sie hält als gebundene Ganztagsschule die Kinder in festen Strukturen. In dem weißen Betonblock gibt es genügend Raum und Zeit, in freien Stunden kreative Fantasie zu entwickeln. Nur gibt es für Astrid-Sabine Busse auch „dieses Problem“.
Dieses Problem ist ein anderer Betonblock, vom Schulhof nur einen Steinwurf entfernt. Die berüchtigte Al-Nur-Moschee ist so etwas wie der Gegenentwurf zu den Bemühungen der Schule. „Dort müssen viele Kinder ihre Freizeit und das Wochenende verbringen“, sagt die Schulleiterin. „Dort gibt es einen großen Indoktrinierungsgrad. Was dort gelehrt wird, stimmt nicht mit freiheitlich-demokratischen Erziehungszielen überein.“
Was stattdessen gelehrt wird, bekommt sie hautnah mit, wenn Jungs extrem abwertend über Mädchen reden. „Da wird Schülern ein anderes Frauenbild vermittelt als bei uns.“ Und wenn die Freizeit vor allem darin besteht, „dass man Koranverse auswendig lernt“, kann man sich die Kreativität, die Kinder entwickeln, ja vorstellen.
"Die Aggressivität nimmt immer mehr zu"
Die größte Kreativität entwickeln sie regelmäßig beim Austesten von Gewaltformen. Vor allem montags wird der Schulhof zur Stresszone. „Die Kinder waren am Wochenende in der Moschee oder hingen vor der Glotze“, sagt Astrid-Sabine Busse, „oder sie spielten ,Fortnite‘.“ Ein brutales, aber sehr beliebtes Computerspiel. „Das beeinflusst die Kinder ungemein. Die Aggressivität nimmt immer mehr zu.“
Eigentlich müssten hier Eltern eingreifen. Das ist selbst in gutbürgerlichen Familien nicht so einfach. Doch in den Elternhäusern von Astrid-Sabine Busses Bereich passiert so gut wie nichts. „Wir haben viele bildungsferne Eltern. Die steuern nicht dagegen. Und der soziale Druck der Community ist extrem groß.“
Deshalb hat die Bildungsverwaltung ja auch die Schule als Modellprojekt ausgesucht. Einerseits ist es die größte Schule in der Gegend, andererseits lebt hier zur überschaubaren Freude von Astrid-Sabine Busse die richtige Klientel für die zusätzlichen Kräfte. „Die Mehrheit meiner Eltern ist Ansprechpartner für dieses Modell.“ Sollte die Schulleiterin messbare Erfolge melden, dann ist geplant, das Modell auf andere Schulen in Brennpunktgebieten auszuweiten.
Diese Erfolge sind durchaus möglich, letztlich ist alles eine Frage der Zuwendung und Betreuung. „Viele unserer Schüler sind klug“, sagt Astrid-Sabine Busse. „In einem normalen, gutbürgerlichen Elternhaus hätten sie gute Chancen.“ Oft kommen diese Kinder selbst zu den Sozialarbeitern an der Schule. Diese sind Bezugspersonen, sie genießen das Vertrauen der Schüler, mit denen kann man reden, sie bieten emotionalen Halt.
„Zu Hause“, sagt Astrid-Sabine Busse, „haben diese Kinder diese Bezugspersonen ja nicht.“ Deshalb ist jeder Lehrerwechsel auch ein Problem. Vertraute Gesichter verschwinden, Vertrauen muss neu aufgebaut werden.
Verhältnismäßig hohe Zahl an Gymnasialempfehlungen
Jährliche Erfolgsmeldungen hat die Schule schon, auf anderem Gebiet. Die Zahl der Gymnasialempfehlungen ist verhältnismäßig groß, fürs neue Schuljahr sind es 25 Prozent. An Astrid-Sabine Busse soll das neue Modell jedenfalls nicht scheitern, aber sie ist auch abhängig von den Umständen. Fürs neue Schuljahr benötigt sie sieben neue Lehrer und sieben Erzieher.
Und diese besetzten nur die ohnehin vorgesehen Planstellen. „Das wird schwierig genug“, sagt Astrid-Sabine Busse. Deshalb hat sie auch leichte Angst, dass das Modell erst mal bloße Theorie bleibt. „Der Markt ist leer gefegt“, sagt sie, „es ist nicht sicher, dass wir neue Sozialarbeiter finden.“
*Name geändert
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