Verbot von Moscheeverein: Juristin mahnt zu Sorgfalt bei Al-Nur-Untersuchung
Politiker fordern Einblicke in das Innere der vom Verfassungsschutz beobachteten Al-Nur-Moschee. Fachanwältin Ruth Hadamek spricht von einem "Dilemma".
Der Druck wächst: Nachdem eine parlamentarische Anfrage des SPD-Innenexperten Tom Schreiber deutlich gemacht hatte, dass niemand so ganz genau weiß, was in der vom Verfassungsschutz beobachteten Al-Nur-Moschee in Neukölln abläuft, hatten sich unter anderem Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) sowie sein Stellvertreter Falko Liecke zu Wort gemeldet.
Beide forderten Einblicke in das Innere des 1986 gegründeten Moscheevereins, insbesondere mit Blick auf den wöchentlich stattfindenden Unterricht für Kinder und Jugendliche. Es besteht der Verdacht, dass die Teilnehmer mit salafistischen Inhalten beeinflusst oder indoktriniert werden.
Diese Einblicke zu gewähren dürfte schwer werden. Der Innenverwaltung, die jede Stellungnahme zu dem Thema ablehnt – im Hintergrund läuft das noch unter Frank Henkel (CDU) angestoßene Verbotsverfahren – sind die Hände gebunden. Um polizeirechtlich tätig zu werden, muss sie das Vorliegen konkreter Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung nachweisen können. Mit Blick von außen und ohne Hinweise von innen wird das schwer.
Der bloße Verdacht reicht nicht aus
Ruth Hadamek, Fachanwältin für Verwaltungsrecht, spricht von einem „Dilemma“. In Hinblick auf die Al-Nur-Moschee sagt sie: „In dieser Situation Straftaten oder andere Rechtsbrüche konkret zu benennen scheint schwierig zu sein“. Hadamek saß bis März 2017 im Vorstand der Rechtsanwaltskammer Berlin, eines ihrer Spezialgebiete ist der Bereich Staats- und Verfassungsrecht. Sie verweist auf die Generalklausel als Eingriffsgrundlage der Polizeibehörden.
„Es müssen grundsätzlich konkrete Hinweise auf Straftaten oder andere Rechtsbrüche vorliegen, damit die Polizei tätig werden kann“. Der bloße Verdacht – in diesem Fall auf die salafistische Indoktrination der Kinder und Jugendlichen – reicht dafür erstens nicht aus.
Zweitens wäre diese – so sie vorliegt – nicht automatisch mit einer Straftat gleichzusetzen. „Zu sagen, Frauen seien nicht gleichberechtigt, ist zwar absurd, aber keine Straftat oder per se ein Rechtsbruch, wenn nicht weitere Tatsachen hinzutreten“, erklärt Hadamek.
Auch unangenehme Äußerungen seien von der Meinungsfreiheit gedeckt. Zudem sei die Religionsfreiheit zu beachten. Würde den Kindern aber beigebracht, Dieben sei grundsätzlich die Hand abzuhacken, läge der Fall möglicherweise anders. „Dieser Fall ist zumindest grenzwertig“, sagt Hadamek.
Hadamek mahnt zur Zurückhaltung
Einen möglichen Ausweg aus dem Dilemma, Moscheen wie die des Al-Nur-Vereins zu einem „kriminalitätsbelasteten Ort“ zu erklären, an denen Personen und Sachen – zu denen unter Umständen auch Gebäude zählen können – verdachtsunabhängig kontrolliert werden können, sieht Hadamek skeptisch. Die Voraussetzung bleibe, dass Verbrechen gegeben sein müssen. „An dieser Stelle ist möglicherweise der Gesetzgeber dazu aufgerufen, die Kriterien zu überprüfen."
Mit Blick auf das Verbotsverfahren, auf dessen erfolgreiches Ende Hikel wie Liecke gedrängt hatten, mahnte Hadamek zur Zurückhaltung: „Solch ein Verfahren muss sitzen, das darf später nicht vor Gericht scheitern wie im Fall des Parteiverbots der NPD.“ Sie wirbt für Geduld mit dem Rechtsstaat, auch wenn der Druck der Öffentlichkeit steigt. „Es könnte sein, dass aktuell Verfahrensschritte vorbereitet werden. Denn ein Vereinsverbot stellt die Grundlage für ein Einschreiten gegen einen rechtswidrig agierenden Moscheeverein dar.“
Zwölf Newsletter, zwölf Bezirke: Unsere Leute-Newsletter aus allen Berliner Bezirken können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de