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Müde Schüler. Früh am Morgen sind viele noch nicht aufnahmefähig.
© imago/RelaXimages

Schulbeginn am Morgen: Lernen wie im Halbschlaf

Viele Schüler würden lieber später aufstehen. Schulen können über den Unterrichtsbeginn selbst entscheiden – und tun es auch.

Fragt man Jugendliche, was sie an der Schule stört, ist die Antwort oft dieselbe: „Dass man so früh aufstehen muss.“ Meistens geht der Unterricht um acht Uhr los, manchmal sogar noch früher. Ein Gymnasium in Alsdorf bei Aachen hat jetzt damit Schlagzeilen gemacht, dass es Schülern freistellt, zwischen acht und neun Uhr anzufangen.

Ist ein späterer Beginn in Berlin möglich?

Ja. Die Schulen können selbst festlegen, wann sie anfangen. Im Schulgesetz steht, dass die Schulkonferenz über den täglichen Unterrichtsbeginn entscheidet. Die Schulkonferenz ist das höchste Beschlussgremium der Schule. Zu ihr gehören vier Elternsprecher, vier Lehrer, vier Schüler, der Schulleiter und eine nicht zur Schule gehörende Person. Über den Unterrichtsbeginn kann das Gremium mit einfacher Mehrheit entscheiden.

Welche Modelle gibt es in Berlin?

Tatsächlich machen eher wenige Schulen von dieser Möglichkeit Gebrauch. Welche und wie viele es sind, darüber hat die Senatsbildungsverwaltung keinen „flächendeckenden Überblick“. Die Anfangszeiten bewegen sich meist zwischen 7.45 und 8.30 Uhr, unter Umständen noch früher, falls Schulen eine „nullte Stunde“ für sinnvoll halten. Um 8.10 Uhr beginnen etwa die Grunewald-Grundschule und die Kreuzberger Reinhardswald-Grundschule. Ein paar Schulen beginnen gegen 8.30 Uhr, zum Beispiel die Evangelische Schule Berlin-Zentrum und das Rosa-Luxemburg-Gymnasium in Pankow.

Letzteres stellte sein Zeitmodell im Jahr 2006 auf einen Beginn um 8.35 Uhr (mit Ausnahmen für Oberstufenschüler) und eine Stundenlänge von 60 Minuten statt 45 Minuten um. Dadurch gibt es am Tag weniger Unterrichtseinheiten und damit weniger Pausen. „Unsere Schüler würden am liebsten um 9 Uhr anfangen“, sagt Schulleiter Ralf Treptow. „Aber da gibt es eine natürliche Grenze, wenn man nicht will, dass die Jugendlichen bis nach 16 Uhr in der Schule sind.“ Obwohl auch das jetzige Modell etwas längere Zeiten am Nachmittag bedeute, sei die Zustimmung und Zufriedenheit bei Lehrern und Schülern hoch. Auch Caroline Treier, die stellvertretende Leiterin der Evangelischen Schule Berlin-Zentrum, spricht von einer „wohltuenden Wirkung“. „Bei uns wird viel diskutiert und Strukturen gern hinterfragt, aber der spätere Beginn ist unumstritten“, sagt sie.

Wie funktioniert eine flexible Regelung?

Das Gymnasium in Alsdorf arbeitet nach der sogenannten Dalton-Pädagogik. Das ist ein Konzept, bei dem Schüler Zeiten zum selbstständigen Lernen zur Verfügung haben. Sie bekommen Wochenaufgaben und können selbst entscheiden, wann sie sich welchem Fach widmen. Das Alsdorfer Gymnasium legt die Dalton-Stunden an den Anfang und räumt – allerdings nur den Oberstufenschülern – die Möglichkeit zur Gleitzeit ein.

Auch in Berlin gibt es ein Gymnasium, das nach der Dalton-Pädagogik arbeitet, nämlich das Albrecht-Dürer-Gymnasium in Neukölln. Schulleiter Rainer Kistermann hält einen späteren Schulbeginn für die Klassen 7 bis 10 für diskussionswürdig. Eine Verlegung der Dalton-Stunden an den Anfang und einen damit verbundenen flexiblen Beginn sieht er aber skeptisch: „Die Dalton-Stunden sind gleichwertige Unterrichtsstunden. Ich sehe die Gefahr der Entwertung, wenn die Teilnahme daran mehr oder weniger freigestellt wird.“

Was spricht für, was gegen einen späteren Start?

Was spricht für einen späteren Start?

Wissenschaftlich ist es ziemlich eindeutig. Für Jugendliche ab der Pubertät ist ein späterer Schulbeginn günstiger. „Ab dem Alter von etwa 13 Jahren verschiebt sich der biologische Rhythmus nach hinten“, sagt der Regensburger Schlafforscher Jürgen Zulley. Die Jugendlichen werden später müde und sind morgens um acht Uhr noch nicht leistungsfähig. Erst mit etwa 25 Jahren höre diese Entwicklung auf und verschiebe sich wieder in Richtung Frühaufsteher, erklärt Zulley. Leider nütze es nichts, die Jugendlichen früher ins Bett zu schicken, weil man diesen Rhythmus kaum beeinflussen könne. Wenn Schulen aus organisatorischen Gründen nicht später beginnen können, sollten sie zumindest Prüfungen später terminieren und in die ersten Stunden nicht die anspruchvollsten Fächer legen. Wichtig sei eine Mittagspause, am besten eine Stunde lang. „Nach vier Stunden braucht man eine Pause, das gilt auch für Erwachsene“, sagt Zulley. „Eine halbe Stunde reicht für Essen und Regeneration nicht aus.“ Zu wenig Schlaf könne auf Dauer das Immunsystem schwächen, das Erinnerungsvermögen beeinträchtigen und zu Übergewicht beitragen.

Was spricht dagegen?

Eltern, die früh zur Arbeit müssen, kann ein späterer Schulbeginn Probleme bereiten. An Grundschulen werden Kinder ab 7.30 Uhr betreut, bei Bedarf auch schon ab 6 Uhr im Hort. Die Kleinen wären also versorgt, bei den Schülern ab Klasse 7 gibt es diese Möglichkeit aber nicht. Jugendliche mit früh arbeitenden Eltern müssen also diszipliniert genug sein, um morgens alleine loszukommen.

Das Hauptargument dagegen ist, dass der Unterricht länger dauert und weniger Zeit für Hobbys bleibt. In den Klassen 7 und 8 sind an Gymnasien 33 Wochenstunden, in Klasse 9 und 10 34 Stunden unterzubringen. Das sind fast sieben Stunden am Tag. Mit Pausen kommt man schnell auf Zeiten bis 15 oder 16 Uhr. An Sekundarschulen sind es mit 31 und 32 Wochenstunden kaum weniger.

Was sagt der Landeselternsprecher?

Norman Heise vom Landeselternausschuss verweist auf die Eigenständigkeit der Schulen. „Wenn alle Beteiligten einverstanden sind, kein Problem. Ich würde raten, vor der Entscheidung eine Umfrage durchzuführen.“ Das John-Lennon-Gymnasium in Mitte hat das 2009 nach langen Diskussionen gemacht. Die Mehrheit war dagegen.

Was Schüler sagen

Soll die Schule später anfangen? Vier Schülerinnen der Evangelischen Schule Berlin-Mitte haben ihre Ansichten aufgeschrieben:

Zweimal Pro

Nelly (11): Ich bin der Meinung, die Schule sollte später beginnen! Da die meisten in meiner Klasse morgens noch sehr müde sind, glaube ich, dass wir aufmerksamer wären, wenn wir wenigstens eine Stunde mehr Schlaf hätten. Wir haben jetzt 80 Minuten Mittagspause. Mir würden 40 Minuten reichen, wenn ich morgens länger schlafen könnte.

Emma (11): Wenn die Schule später beginnt, kann ich mich besser auf das Lernen konzentrieren. Aber weil die Menschen verschieden sind, lautet mein persönlicher Vorschlag, dass man Früh- und Spätklassen einrichtet. Bestimmt lassen sich auch Lehrer und Lehrerinnen finden, die lieber später aufstehen beziehungsweise anfangen.

Zweimal Contra

Romy (12): In den ersten zwei Stunden bin ich immer noch ein bisschen müde, aber nach der ersten Hofpause, die immer um 9.45 anfängt, wird es dann schon viel besser. Ich mag es lieber, wenn die Schule früh beginnt und früh endet. Dass man noch etwas vom Tag hat. Wer morgens zu müde ist, kann doch einfach früher ins Bett gehen.

Emilia (11): Ich finde, die Schule sollte früh anfangen! Ich mache drei Mal die Woche Sport, und das würde nicht mehr gehen, wenn die Schule noch länger geht. Im letzten Block werden schon jetzt viele unruhig, weil sie sich nicht mehr konzentrieren können. Und wenn der Unterricht später beginnt, geht die Schule auch länger, und dann sind die Kinder weniger aufmerksam.

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