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Klare Linien, bodentiefe Fenster: die neue ISS Mahlsdorf.
© Wolfgang Kumm/dpa

Der Osten als Vorreiter: Erster Neubau der Berliner Schulbauoffensive eröffnet

Alles riecht nach Holz: Ein Jahr nach Grundsteinlegung hat die ISS Mahlsdorf den Betrieb aufgenommen. Sie ist eine Schnellbauschule – und fast schon voll.

Die Außenanlagen sind kahl wie eine Mondlandschaft, an den Fenstern haftet noch der Baustaub – und doch ist alles festlich beflaggt. Es war ein Sprint, nicht nur auf den letzten Metern, sondern von Beginn an. Und es hat geklappt: Nicht einmal ein Jahr nach der Grundsteinlegung hat am Montag die Integrierte Sekundarschule (ISS) Mahlsdorf ihren Betrieb aufgenommen. Sie ist der erste fertige Neubau der Berliner Schulbauoffensive und hat für Marzahn-Hellersdorf eine noch größere Bedeutung: Es ist die erste neue Oberschule im gesamten Bezirk seit 25 Jahren.

Der Auflauf ist groß an diesem Morgen. Über schmale, teils unbefestigte Straßen bahnen sich Politiker und Lehrer, Schüler und Nachbarn den Weg zu dem Zweigeschosser, der silbrig in der Sonne glänzt. Vor der Tür steht eine große Eins, auf der Bühne schwebt sie als Luftballon in mehreren Farben, auf bunten Kappen ist die Zahl unzählige Male aufgestickt. Der Osten ist Vorreiter, das soll jeder sehen. Ein Trio der Musikschule spielt: "Isn't she lovely?"

Eine Besonderheit kann man beim Betreten des Gebäudes gleich riechen: Die ISS ist eine von drei Schulen in Berlin, die erstmals in Holzmodulbauweise errichtet werden. Die Wände: alle in Fichte. Auch die Geländer im luftigen zentralen Treppenhaus: alle aus Fichte. Die Flure sind breit, auch sie sollen je nach Unterrichtssituation Räume des Lernens werden.

290 Module seien insgesamt verbaut worden, drei bilden einen Klassenraum, wie Architekt Andreas Krawczyk erläutert. Jedes wurde mit bodentiefen Fenstern, Türen und Installationen wie Heizkörper und Steckdosen bei einer Firma in Köpenick vormontiert und zur Baustelle geliefert.

Es war der Schlüssel für die rasante Fertigstellung: Am 27. August 2018 erfolgte Grundsteinlegung, am 27. Februar wurde bereits Richtfest gefeiert. Nicht mal das Malheur eines Baggerfahrers, der vergangenen Mittwoch ein Stromkabel kappte, konnte die pünktliche Eröffnung noch verhindern. Auch bei der Drei-Feld-Turnhalle, die später am Tag Vereinen zur Verfügung stehen soll, war Holz der zentrale Baustoff. Sie wird bald anders riechen.

Luftig und hell: das hölzerne Treppenhaus der Schnellbauschule.
Luftig und hell: das hölzerne Treppenhaus der Schnellbauschule.
© Wolfgang Kumm/dpa

Die Mahlsdorfer Schule solle ein "Prototyp" sein für die "Schule von morgen", sagt Bausenatorin Katrin Lompscher, deren Verwaltung die Errichtung für den Bezirk übernommen hatte. Holz präge das Raumklima und sei auch unter ökologischen Gesichtspunkten sinnvoll.

Die Linken-Politikerin verweist darauf, dass der gesamte Prozess schnell vonstatten gegangen sei: Vom Beginn der Planung bis zur Fertigstellung seien insgesamt nur drei Jahre vergangen – inklusive zweier europaweiter Ausschreibungen. Das Land investierte 34,8 Millionen Euro und blieb damit weitgehend im Kostenrahmen. Und die Außenanlagen, auf dem Schulhof schon in Konturen zu erkennen, sollen bis Jahresende auch fertiggestellt werden.

Schlüsselübergabe: Marzahn-Hellersdorfs Schulstadtrat Gordon Lemm, Bausenatorin Katrin Lompscher, Schulleiterin Sibylle Fricke, und Bildungssenatorin Sandra Scheeres.
Schlüsselübergabe: Marzahn-Hellersdorfs Schulstadtrat Gordon Lemm, Bausenatorin Katrin Lompscher, Schulleiterin Sibylle Fricke, und Bildungssenatorin Sandra Scheeres.
© Wolfgang Kumm/dpa

Schulsenatorin Scheeres: „Das ist eine Wahnsinnsarbeit“

"Berlin kann's", das ist die Botschaft, die Schulsenatorin Sandra Scheeres nach Mahlsdorf mitgebracht hat. "Berlin kann schnell planen und bauen." Sie hebt besonders die moderne Konzeption hervor: 43 digitale Tafeln hängen in den Klassen, Teilungsräume ermöglichen die Arbeit in kleinen Gruppen, die Flure bieten Rückzugsräume, eine Mensa ist von vornherein integriert.

Die Sozialdemokratin erhofft sich von der Eröffnung ein Signal für die gesamte Schulbauoffensive. "Diese Stadt boomt so sehr, dass ich jedes Jahr mehrere tausend Schülerinnen und Schüler im Schulsystem begrüßen darf", sagt die Senatorin. Allein in diesem Jahr sollten 3800 neue Schulplätze in der Stadt entstehen. Viele Schulen würden saniert, 60 neue in den kommenden Jahren gebaut. "Das ist eine Wahnsinnsarbeit."

Gäste aus Hellersdorf: Zwei Schulen teilen sich ein Gebäude

Die neu gegründete ISS soll jetzt nach und nach wachsen. Ihre Räume sind auf 550 Schülerinnen und Schüler ausgelegt, vierzügig in den Klassen 7 bis 10, zweizügig von der 11 bis zur 13. Allerdings ist das Gebäude gleich zur Eröffnung schon fast voll belegt. Denn nicht nur die neuen Sekundarschüler ziehen am Montag ein, sogar fünf siebte Klassen und drei achte Klassen, insgesamt 200 Mädchen und Jungen. Hinzu kommen noch 13 Klassen der Hellersdorfer Mozartschule, also weitere 325 Schülerinnen und Schüler – macht insgesamt 525.

Sie trafen sich sofort im Klassenraum: die Hellersdorfer Schüler, die auch in das neue Gebäude in Mahlsdorf einziehen.
Sie trafen sich sofort im Klassenraum: die Hellersdorfer Schüler, die auch in das neue Gebäude in Mahlsdorf einziehen.
© Wolfgang Kumm/dpa

Die Gemeinschaftsschule aus dem sozialen Brennpunkt braucht einen Ausweichstandort für die Sekundarstufe 1, weil eines ihrer Gebäude in den kommenden beiden Jahren saniert werden soll. Wenn die ISS im Sommer 2020 vier weitere siebte Klassen bildet, sind die Kapazitäten mit 625 Schülerinnen und Schülern schon mehr als ausgereizt. Dauert die Sanierung der Mozartschule länger als geplant, gibt es ein Problem.

Die Nachricht, dass die Hellersdorfer Jugendlichen mit in das neue Gebäude einziehen, war im Februar auf scharfe Kritik in Mahlsdorf gestoßen. Eltern kritisierten, erst kurz vor der Anmeldephase darüber informiert worden zu sein. Der Mozartschule eilt ein schlechter Ruf voraus. Sie war in der Vergangenheit immer wieder durch ausufernde Gewalt aufgefallen, vor drei Jahren gab es sogar einen "Brandbrief", der an Verhältnisse erinnerte, wie sie einst an der Neuköllner Rütli-Schule herrschten. Marzahn-Hellersdorfs Schulstadtrat Gordon Lemm (SPD) hingegen betonte, dass die Mozartschule dank vielfältiger Unterstützung "auf einem guten Weg" sei, die Gewaltzahlen sind inzwischen zurückgegangen.

Die Schulleiterin macht erst mal ein halbes Jahr Pause

Die neue Schulleiterin Sibylle Fricke will sich von der Diskussion nicht beirren lassen. In der Zusammenarbeit mit der Mozartschule müsse "Augenmaß und Vernunft" herrschen, sagt sie am Montag dem Tagesspiegel. Sie wolle nicht alles reglementieren. Allen Schülerinnen und Schülern gibt sie aber eine klare Botschaft mit: Viele Menschen hätten Arbeit und Mühe in das neue Gebäude investiert, ruft sie ihnen von der Bühne am Eingang zu. "Ich erwarte, dass ihr es mit Respekt und Wertschätzung behandelt. Ihr sollt darin leben, aber wir möchten es gerne lange so erhalten, wie wir es heute in Besitz nehmen."

Seit Februar hat Fricke mit ihrem 20-köpfigen Kollegium ein Schulkonzept ausgearbeitet – neben ihrer Aufgabe als Leiterin der Klingenberg-Oberschule. "So einen Glücksfall hat man nur einmal im Leben, dass man von Null starten kann und seine eigenen Visionen verwirklichen kann", sagt sie dem Tagesspiegel über ihren neuen Job. Kern des Konzepts sei der Begriff der "Selbstwirksamkeit". Schüler, Lehrer und Eltern sollten am Aufbau der Schule mitarbeiten und erleben, wie sie durch eigenes Tun erfolgreich sein könnten. Fricke will aber auch eine "gesunde Fehlerkultur" etablieren. "Fehler gehören zum Weg des Lernens dazu."

Für einen Fehler halten viele eine persönliche Entscheidung der Schulleiterin: Nach der Eröffnung der Schule wird Fricke erst einmal ein halbes Jahr Auszeit nehmen, wie sie dem Tagesspiegel auf Nachfrage bestätigt. Schon vor Übernahme des neuen Leitungspostens habe sie ein Sabbatical verabredet, erklärt sie. Das habe sie nun auf ein halbes Jahr verkürzt. Ein Hindernis für die Schulentwicklung sieht sie darin nicht: "Ich denke, wir sind mit dem neuen Team gut aufgestellt." Erst einmal muss Stellvertreterin Ines Kerber die Chefrolle übernehmen.

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