17-Jähriger aus Friedrichshain: Dieser Berliner Schüler fährt zur Mathe-Olympiade
Branko Juran hat schon viele Mathematik-Wettbewerbe gewonnen. Jetzt fährt er nach Hongkong zur Olympiade. Dafür verzichtet er sogar auf einen Urlaub.
Branko Juran rechnet nicht mehr. Das ist dem 17-Jährigen wichtig. Vielmehr denkt er über Dinge nach und löst Probleme. „Knobeln“ könne man das auch nennen, sagt er. Juran sitzt in einem Klassenzimmer und gibt Interviews. Das Interesse an dem Gymnasiasten aus Friedrichshain ist groß. In wenigen Tagen fährt er zur Internationalen Mathematikolympiade (IMO) in Hongkong, als einer von sechs deutschen und über 600 internationalen Teilnehmern.
Es ist der wichtigste Mathematik-Wettbewerb für Schüler. Ein Berliner nahm zuletzt 2007 teil: Peter Scholze. Wie Branko besuchte er das Heinrich- Hertz-Gymnasium in der Rigaer Straße in Friedrichshain. Es ist eine traditionsreiche Schule mit dem Schwerpunkt auf Mathematik und Naturwissenschaften. Später wurde Scholze mit 24 Jahren der jüngste Professor Deutschlands.
"Alle anderen finden das doof", was ihn fasziniert
Als Branko erfuhr, dass er zur IMO fahren darf, stand ein Urlaub mit seiner Familie an. Aber lange überlegen musste er nicht. Den Urlaub sagte er ab. Er hatte eigentlich nicht damit gerechnet, in die engere Auswahl zu kommen, obwohl er schon mehrere Wettbewerbe gewonnen hatte, unter anderem eine Medaille beim Bundeswettbewerb in Mathematik. Aber die IMO sei eine Liga darüber, meint er. Früher, erzählt Branko, war seine 13-jährige Schwester beleidigt, wenn er mal wieder irgendwo gewann. Nun freue sie sich für ihn. Sie selbst sei in Mathe „normal“.
An der Mathematik fasziniert ihn die Abstraktion. „Also das, was alle anderen doof finden“, sagt er. Ein System, das wundersamerweise funktioniere, von dem er vieles noch nicht wisse. Schon früh als Kind habe er mit Potenzen gerechnet. Woher das kommt? Der 17-Jährige meint, teilweise sei das Begabung. Aber daraus werde nur etwas, wenn man den Fähigkeiten nachgehe.
Der Vater ist Mathelehrer
Und das tat er. Als Zweitklässler machte er Matheübungen für Hochbegabte aus der dritten und vierten Klasse. Der Vater ist Mathelehrer, die Mutter Juristin. Beide unterstützten ihn, drängten aber nicht. Nur bei Mensch-Ärgere-Dich- Nicht mussten sie ihn gewinnen lassen. „Sonst bin ich wütend geworden“, sagt er. Nun schlägt er seine Eltern locker, etwa beim Tantrixspielen, einem Strategiespiel, das von einer Mathematikerin entwickelt wurde. Er verärgere seine Mitspieler, weil er nicht nur für seinen eigenen Sieg spiele, sondern aktiv gegen die anderen, erzählt er .
Branko interessiert sich auch für Politik. Er liest Nachrichten, sagt, er möchte wissen: „Was passiert in dem Staat, in der Welt, in der ich lebe?“ Wenn man so dicht an der Gefahrenzone Rigaer Straße zur Schule gehe, komme man gezwungenermaßen mit Politik in Berührung.
Die Gruppe, mit der er nach Hongkong fährt, versteht sich gut, sagt Branko Juran. Zur Vorbereitung trafen sie sich bei Seminaren, insgesamt fünf. Drei Wochenenden, zwei Wochen, sieben Klausuren. Zum Abschluss ging es in den Schwarzwald: ins Mathematische Forschungsinstitut Oberwolfach. Statt Jugendherberge bekamen sie Doppelzimmer in einem Hotel. Das Institut war eindrucksvoll: „Eine riesige Bibliothek, Tafeln über die ganze Wand für Formeln und Formen – und ein Automat mit Gratiskakao“, lacht Branko.
Die Atmosphäre sei so ähnlich gewesen wie an der Universität Bonn, wo er später studieren will. Dort möchte er forschen, vielleicht Professor werden. In die Wirtschaft gehen will Branko Juran eher nicht. Denn dort könnte er sich wohl nicht mit der abstrakten Art von Mathematik beschäftigen, die ihn wirklich interessiert.
Tania Röttger