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SPD-Fraktionschef Raed Saleh war die treibende Kraft beim Bonusprogramm, Bildungssenatorin Sandra Scheeres folgte ihm. Die freien Schulen waren dabei nicht vorgesehen.
© DAVIDS

Brennpunktprogramm: Die Arche-Schule ist der SPD nicht arm genug

Freie Schulen sollen kein Geld aus dem 15-Millionen-Brennpunktprogramm des Landes erhalten. Jetzt ziehen sie vor Gericht. Derweil verschanzt sich die Bildungssenatorin hinter dem Parlament, das nicht wusste, was es tat.

Am 19. April 2013 war Raed Saleh in seinem Element. In einer Art Überrumpelungsakt war es dem SPD-Fraktionschef zuvor gelungen, seine Genossen und den Koalitionspartner von einem 15-Millionen-Euro-Sonderprogramm für die Berliner Brennpunktschulen zu überzeugen. Diesen Erfolg galt es nun zu verkünden, weshalb Saleh am besagten 19. April zusammen mit seiner Parteifreundin und Bildungssenatorin Sandra Scheeres vor die Kameras trat.

„Brennpunktschulen heißen Brennpunktschulen, weil es dort eine Häufung von Problemen gibt“, ließ Saleh die Öffentlichkeit wissen. Mit dem neuen Brennpunktschulprogramm wolle man „dort helfen, wo es notwendig ist“. Scheeres pflichtete ihm bei.

Die Klagen liegen vor dem Verwaltungsgericht

Anderthalb Jahre später bereitet Salehs bislang größter Coup nicht nur Freude, sondern auch Verdruss, denn zwei freie Schulen kamen auf die Idee, ein Stück vom 15-Millionen-Kuchen haben zu wollen. Da die Bildungsverwaltung es ihnen verweigert, sind sie vor das Verwaltungsgericht gezogen. Es handelt sich um die Arche-Schule in Hellersdorf und die Immanuel-Schule in Spandau, die beide das entscheidende Kriterium des Sonderprogramms erfüllen: Über die Hälfte ihrer Schüler stammen aus Familien, die von staatlichen Transferleistungen leben. Zur Begründung der Ablehnung teilte die Bildungsverwaltung dem Träger der beiden Schulen, dem Christburg Campus, mit, dass die Mittel „nach dem Willen des Haushaltsgesetzgebers nur für öffentliche Schulen zur Verfügung gestellt werden“.

Diese Formulierung wird seither gebetsmühlenartig wiederholt – zuletzt in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Stefanie Remlinger. Das Problem ist nur: Der Haushaltsgesetzgeber hat sich dazu gar nicht geäußert. Vielmehr findet sich in keiner der entsprechenden Beschlüsse und Reden im Parlament irgendein Hinweis darauf, dass das Geld nur für staatliche Schulen gedacht sein könnte.

Keiner dachte daran, dass es auch arme Privatschulen gibt

„Da hat keiner dran gedacht“, gibt die SPD-Abgeordnete Renate Harant freimütig zu. Das „Bewusstsein“ sei nicht da gewesen, dass es auch freie Schulen geben könnte, die überwiegend Kinder aus ärmeren Familien aufnehmen. Die Vorsitzende des Bildungsausschusses im Abgeordnetenhaus findet aber, dass dieses Versäumnis „spätestens im nächsten Haushalt“ nachgeholt werden müsste.

Diese Ansicht teilt nicht nur Stefanie Remlinger von den Grünen sondern auch Hildegard Bentele von der CDU: „Uns müssen alle Kinder gleich viel wert sein“, fordert Bentele. Die Behauptung der Bildungsverwaltung, wonach der „Haushaltsgesetzgeber das so gewollt“ habe, bestreitet sie. Vielmehr stimmt sie Harant darin zu, dass die freien Schulen im Parlament schlicht vergessen worden seien.

Und was sagt der Vater des Programms, Raed Saleh? Der ist in der Debatte um die Wowereit-Nachfolge offenbar bestrebt, keinen Parteiflügel zu verärgern und äußert sich gar nicht. Stattdessen kommt aus seiner Fraktion der Hinweis, man möge sich doch an die beiden SPD-Bildungspolitiker Ilkin Ösizik und Lars Oberg wenden.

Die SPD-Linke will nicht nachgeben

„Es ist denklogisch, dass das Geld nur für die öffentlichen Schulen ist“, weist Oberg eine Beteiligung der freien Träger weit von sich. Und weil das „denklogisch“ sei, habe man im Parlament darüber gar nicht erst sprechen müssen. „Bei unserer politischen Ausrichtung ist das klar“, findet Oberg, womit er die Linie der SPD-Linken wiedergibt, die auch in der Bildungsverwaltung vertreten wird. Bei Ilkin Ösizik, dem bildungspolitischen Sprecher, klingt das wiederum etwas anders – eher wie eine Mischung zwischen Harant und Oberg. Er habe zwar generell nichts dagegen, den freien Brennpunktschulen mehr Geld zu geben, sagt Ösizik. Aber das Land müsse „erstmal an die staatlichen Schulen denken, die so viele Kinder zurücklassen“. Die freien Schulen hätten durch Spenden und Geschäftsführer mehr Möglichkeiten, armen Kindern zu helfen.

Die Grünen bemängeln den "ideologischen" Ansatz der SPD

Für die Grüne Remlinger ist da zu viel Ideologie im Spiel. „Wir müssen an alle Kinder gemeinsam denken“, fordert sie – egal, ob an freien oder staatlichen Schulen. "Kinder dürfen doch nicht dafür diskriminiert werden dass sie beim 'falschen' Schulträger lernen", ergänzt Wolfgang Stock, der Geschäftsführer des Trägers Christburg Campus. Der Träger hieß bis vor kurzem "Freie Evangelische Schulen Berlin" und ist an der Christburger Straße in Pankow ansässig. Daher der neue Name

Die Bildungsverwaltung argumentiert jetzt nur noch mit dem Schulgesetz: In Paragraph 101,2 Dort ist geregelt, dass freie Schulen 93 Prozent ihrer Personalkosten vom Staat erstattet bekommen. Das sei „abschließend“, bekräftigt Sprecherin Beate Stoffers. "Falsch", sagen dazu die Kläger. Denn das Geld aus dem Brennpunktprogramm wird von den Schulen vorrangig für Personal ausgegeben. Deshalb könne man aus dem Paragraphen 101,2 sehr wohl einen Anspruch ableiten.

Welcher Interpretation das Gericht folgt, ist nun abzuwarten. Falls die Klagen der Arche- und Immanuel-Schule erfolgreich sind, könnte das teuer werden, denn es gibt noch acht weitere freie Schulen, die überwiegend arme Kinder betreuen. Tendenz steigend: Im kommenden Jahr will die Freie Bürgerschule starten, die sich ebenfalls um Brennpunktkinder kümmern will.

Am Programm nehmen 207 öffentliche Schulen teil. Das ist etwa jede Vierte. So viele erfüllen das Kriterium, wonach mindestens 50 Prozent der Kinder aus Familien stammen, die staatliche Transferleistungen beziehen. 66 der 207 Schulen haben sogar mehr als 75 Prozent dieser Kinder. Letztgenannte Gruppe kann bis zu 100 000 Euro pro Jahr zusätzlich bekommen, die anderen 62 500 Euro. Das Programm summiert sich auf 15 Millionen Euro pro Jahr. Es nennt sich nicht mehr Brennpunkt-, sondern Bonusprogramm, weil der Begriff als weniger stigmatisierend gilt. Viele Schulen nutzen das Geld, um Streitschlichter, Lerncoaches oder Sprachmittler zu finanzieren. Da es sich dabei um Personalmittel handelt, kommt das Schulgesetz ins Spiel: Es besagt, dass freie Schulen 93 Prozent jener Personalkosten vom Land erstattet bekommen müssen, die den staatlichen Schulen zustehen.

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