Statt Wachschutz: Chipkarte soll Drogendealer fernhalten
Der Bezirk Neukölln kann sich die 700.000 Euro für den Wachschutz an Schulen nicht mehr leisten. Auf der Suche nach Alternativen prüfen einzelne Lehranstalten nun technische Lösungen.
Wenn die Schüler morgens zum Unterricht wollen, halten sie eine Chipkarte an das Lesegerät. Wer nach der Freistunde wieder zurück in den Klassenraum will, muss ebenfalls erst eine Sicherheitskontrolle passieren. So könnte der Schulalltag am Neuköllner Albert-Schweitzer-Gymnasium bald aussehen, denn die Ganztagsschule unweit des Hermannplatzes denkt jetzt über technische Zugangskontrollen nach. Am gestrigen Montag waren Sicherheitsfachleute der Firma Bosch vor Ort, um mit Bildungsstadträtin Franziska Giffey (SPD) die technischen Möglichkeiten und baulichen Gegebenheiten an dem alten Backsteinbau zu überprüfen. Anfang Januar soll ein ausführlicher Rundgang mit anschließendem Kostenvoranschlag folgen.
Hintergrund ist die Tatsache, dass sich der Bezirk Neukölln wie berichtet die 700.000 Euro für den Wachschutz an 15 Schulen nicht mehr leisten kann. Deshalb sind die Schulen auf der Suche nach Alternativen, obwohl sie ihre Sicherheitsmänner nicht missen wollen. Die Albert-Schweitzer-Schule erwägt nun gezwungenermaßen die technische Lösung des Problems – andernfalls wäre sie den im Umfeld aktiven Drogendealern ausgeliefert, die immer wieder versuchen, in die Schule zu gelangen.
„Für uns wäre das eine Notlösung, weil wir auf eine Sicherung angewiesen sind“, sagte Schulleiter Georg Krapp. Wie viel eine technische Zugangskontrolle koste und ob sie günstiger als die Wachmänner sei, wüssten er und Stadträtin Franziska Giffey noch nicht. Die Firma Bosch sagte dem Tagesspiegel dazu auf Anfrage, dass es auf die unterschiedlichen Sicherheitsanforderungen einer Schule ankomme. Dementsprechend würden auch die Preise variieren. Die günstigste Variante seien digitale Schließzylinder mit Chipkarte. Teurer kämen berührungslose Kartenleser, die zusätzlich auch die Schließung der Türen kontrollieren, gefolgt von Berührungskartenlesern mit einem Pincode und sogenannten „Fingerprint-Systemen“, die die Daten der oberen Hautschicht speichern. Das teuerste System sei ein Handvenenscanner.
Schulleiter Krapp kennt derartige Sicherungssysteme bereits von seiner jahrelangen Arbeit an einer deutsch-tschechischen Schule in Prag. Dort konnten die Schüler das videoüberwachte Schultor nur mit einem Chip öffnen. Allerdings könne eine Chipkarte an Unbefugte weitergegeben werden. Denkbarer wäre daher eher ein System, das über einen Fingerscan funktioniere. Doch bräuchte es dabei gegebenenfalls auch zusätzliches Personal, das bis Schulschluss für den geregelten Ablauf einschließlich einer Videoüberwachung an der Tür und technischer Unterstützung sorge. Auch das würde langfristige Kosten bedeuten.
Kosten, die auch ein Wachmann verursacht. Nur, dass der mehr als den reinen Schutz biete, sagte Krapp. „Unserer spricht sechs Sprachen und hat in den letzten vier Jahren mit dafür gesorgt, den Schulfrieden aufrechtzuerhalten.“ Deshalb sei eine personengestützte Lösung das Beste für alle Beteiligten, darin seien sich die Neuköllner Schulen mit Wachschutz einig. Von der Bildungsverwaltung fordern sie, die Finanzierung des Wachschutzes zu übernehmen. „Sie ist schließlich unser Arbeitgeber und hat damit auch die Fürsorgepflicht“, sagt Krapp.
Hannes Heine, Susanne Vieth-Entus