Neukölln: Wachschützer als große Brüder
Neuköllner Schulen trauern um ihre Wachschützer. Aber eine Weiterfinanzierung ist nicht in Sicht.
Wenn nächste Woche die Weihnachtsferien beginnen, geht eine erstaunliche Erfolgsgeschichte zu Ende: Neuköllns Schulen verlieren ihre Wachschützer, weil der Bezirk sie sich nicht mehr leisten kann. Angesichts des greifbaren Abschieds wird immer deutlicher, welch’ große Sympathien sich die Aufpasser in den vergangenen vier Jahren erworben haben. Aber es deutet nichts darauf hin, dass der Senat bei der Finanzierung einspringt.
„Bislang gibt es keine Signale in die Richtung“, bedauert Neuköllns Schulstadträtin Franziska Giffey (SPD). Sie hat die Schulen deshalb gebeten, nach technischen Lösungen zu suchen. Gleichzeitig weiß sie aber, dass sich die Wachschützer nicht in Gänze ersetzen lassen, weil mit den Jahren persönliche Beziehungen gewachsen sind: „Es ist bitter, dass diese persönlichen Kontakte jetzt abreißen.“ Längst suchen die Wachschützer nach Dienstschluss nach einem neuen Job.
Wer sich auf einigen der 15 Schulhöfe umsieht, auf denen die Sicherheitsleute noch täglich acht Stunden präsent sind, versteht, warum Giffey jetzt von „Bestürzung, Entsetzen und Katastrophenstimmung“ bei den Betroffenen spricht. Ob an der Heinrich-Mann-Schule, am Albert- Schweitzer-Gymnasium oder auf dem Campus Rütli: Vielerorts kann man beobachten, wie die Wachschüzer mit Schülern oder ratsuchenden Eltern ins Gespräch kommen, wie sie pubertierende Jungen zurechtweisen oder schulfremde Unruhestifter vor die Tür bitten.
„Unsere Wachschützer sind ganz schnell in die Rolle des großen Bruders hineingewachsen. Sie gehören zur Schulgemeinde dazu“,sagt Lothar Semmel von der Rudower Clay-Schule. „Wir prophezeihen neue Gewaltvorfälle, wenn der Wachschutz weg ist“, sagt Semmel. „Es ist nur eine Frage der Zeit, dass es wieder Schlägereien gibt“, heißt es auch an einer Sekundarschule. Hinzukommen Sorgen wie am Albert-Schweitzer-Gymnasium, wo die Drogendealer der nahen Hasenheide ferngehalten werden müssen. Laut Stadträtin Giffey erwägt die Schule die Einführung von Chipkarten. „Seitdem sie da sind, gab es keine Übergriffe mehr auf Schüler und auch schulinterne Streitigkeiten konnten geklärt werden“, sagt der 16-jährige Dennis Hennemann vom Buckower Leonardo-da-Vinci-Gymnasium. Direktor Michael Frank berichtet, dass jetzt ältere Schüler helfen wollen. Das werde rechtlich geprüft. Die Sicherheitsleute eine Vorbildfunktion gehabt hätten.
„Wenn es ein solches Erfolgsmodell ist, muss man es evaluieren und dann gegebenenfalls sehen, ob man Haushaltsmittel dafür findet“, schlägt Innen-Staatssekretär Bernd Krömer (CDU) vor. Aktuell sieht er aber keine Möglichkeit für eine Weiterfinanzierung. Es geht um jährlich 700 000 Euro allein für Neukölln. Krömer befürchtet, dass auch andere Bezirke sich melden könnten, wenn der Senat das Geld gäbe.