Der Fall Braun: Schrottimmobilien: Welche Rolle spielen Notare?
Gegen Berlins neuen Justizsenator Michael Braun werden schwere Vorwürfe im Zusammenhang mit Schrottimmobilien erhoben. Welche Rolle spielen bei diesen Geschäften Notare?
Dem neuen Berliner Justizsenator Michael Braun (CDU) wird vorgeworfen, als Notar unseriöse Immobiliengeschäfte beurkundet zu haben. Solche Praktiken sind auf dem Immobilienmarkt nicht selten – und viele wirken mit.
Hat das Geschäft mit Schrottimmobilien System?
Ja, unrentable, schwer vermittelbare Immobilien werden systematisch als „Steuersparmodell“ an arglose Verbraucher verkauft. Es beginnt mit einer telefonischen Umfrage, bei der die Anrufer die Einkommensverhältnisse ihrer künftigen Opfer abklopfen. Einige Tage später klingelt das Telefon erneut: Ob man steuern sparen wolle? Das verfängt bei vielen, es kommt zu einem persönlichen Termin in einer Villa im Grunewald oder einem gediegenen Geschäftshaus am Kurfürstendamm. Dort treffen die Opfer auf versierte Verkäufer, die ihnen die „Rendite“ eines „Steuersparmodells“ schönrechnen. Bunte Törtchendiagramme und Hochglanzprospekte täuschen seriöse Kalkulationen vor. Wer das Angebot nicht harsch ablehnt, wird gedrängt, „zur Sicherung der Ansprüche“ umgehend ein „unverbindliches“ Angebot abzugeben. Die Zeit drängt, es gibt andere Interessenten. Beim Notar unterschreibt das Opfer dann ein befristetes, aber „verbindliches und unwiderrufliches“ Angebot für den Kauf einer unrentablen Immobilie.
Fallen nur naive Verbraucher, die selbst schuld sind, auf die Masche rein?
Nein. Zeitsoldaten und BSR-Angestellte sind ebenso darunter wie Rechtsanwälte oder Hochschulprofessoren. Sie lassen sich verführen von geschulten Verkäufern, die auf jede kritische Frage eine einfache Antwort haben. Deshalb unterschreiben sie Verträge sogar, wenn sie nicht einmal die „Steuersparimmobilie“ gesehen haben. Oft heißt es: Den Schlüssel hat gerade ein anderer Verkäufer. Es gebe ja andere Interessenten. Das erhöht den Druck des Opfers, dem sie auf dem Weg zum Notar einreden, sie sollten, damit es schneller geht, alle Fragen des Notars einfach mit Ja beantworten. „Ja“, sagen sie dann sogar auf die Frage, ob sie den Text des Angebotsvertrages seit 14 Tagen kennen. Die Anwesenheit des Notars beruhigt sie. Er wirkt seriös.
Welche Rolle spielen die Notare?
Nach Einschätzung von Verbraucherschützern arbeiten zwei Dutzend „Mitternachtsnotare“ eng mit den Verkäufern von Schrottimmobilien zusammen. Diesen Spitznamen haben sie deshalb, weil sie jederzeit für die Beurkundung fragwürdiger Verträge bereit stehen – notfalls eben auch zu nachtschlafender Zeit. Die Opfer werden im Gespräch überrumpelt, ihre Kritikfähigkeit ist kurzzeitig ausgeschaltet. Diese Gelegenheit ergreift der Käufer sofort. Beim Notar unterschreibt das Opfer das unwiderrufliche, befristete Angebot sofort.
Müssen seriöse Notare nicht vor dieser Masche warnen?
Doch, wenn ein Notar erkennt, dass ein Vertragspartner den anderen betrügt – oder nicht zurechnungsfähig ist. Er muss außerdem sicher sein, dass die Unterzeichner den beglaubigten Vertrag verstehen. Deshalb liest er diesen laut vor. Die Notarkammer und der Landgerichtspräsident als Dienstaufsicht informieren Notare auch über betrügerische Firmen oder Personen, für die sie keine Verträge beglaubigen dürfen. Aber auf dem grauen Kapitalmarkt wechseln die Firmen ständig ihren Namen, und die Drahtzieher locken immer wieder neue, junge Verkäufer in das betrügerische Geschäft, wo man schnell viel Geld verdienen kann.
Verdienen Notare auch selbst daran?
Ja, Gebühren. Sie richten sich nach dem Kaufpreis der Immobilie, 1,5 Prozent davon sind üblich. Allerdings sind die Gebühren geringer, wenn der Notar nur ein „Angebot“ zum Kauf einer Immobilie beglaubigt, zu dem später noch eine „Annahme des Angebots“ durch den Verkäufer hinzukommt. Diese umstrittene Aufspaltung des Verkaufsvorgangs ist typisch beim Handel von Schrottimmobilien, ebenso wie die „Unzeitgebühr“, die Notaren zusteht, wenn sie Verträge am Wochenende oder spätabends beglaubigen.
Warum werden die Verträge aufgespalten in Angebots- und Annahmevertrag?
Angebot klingt unverbindlich. Der Käufer denkt, es handle sich um ein Wohnungsangebot. Er ahnt nicht, dass er sich schon damit für einen gewissen Zeitraum verbindlich verpflichtet, die Wohnung zu kaufen. In dieser Zeit hat der Verkäufer freie Hand: Mit dem Angebot geht er zur Bank und organisiert einen Kredit für das Opfer. Dann muss der Verkäufer nur noch das Angebot mit einer notariellen Beurkundung annehmen, damit das Geschäft besiegelt ist. Dann lässt er sich über den Notar den Kaufpreis von der Bank auszahlen.
Die Bundesnotarkammer warnt vor der Aufsplittung von Verträgen. Warum wird das nicht umgesetzt?
Seit Jahren warnen Notarkammern anderer Bundesländern vor dieser Praxis, die sie standeswidrig nennen. Die Bundesnotarkammer hat sich dieser Sichtweise angeschlossen und dies in einem Rundbrief 2007 an alle Kammern deutlich zum Ausdruck gebracht. In Berlin gibt es die Richtlinie, dass auf die „Schutz- und Belehrungsfunktion“ bei solchen Geschäften „besonders“ zu achten sei.
Was verbindet die Kanzlei Braun/Lehmann-Brauns/Mahlo mit umstrittenen Anbietern wie Grüezi?
In einem Fall zumindest für einige Zeit die selbe Geschäftsadresse, Kurfürstendamm 37. Außerdem hat die Kanzlei in einem Katalog des Verkäufers eine Notariatsanzeige geschaltet – obwohl vor eben dieser Firma von Verbraucherschützern und der Stiftung Warentest wegen der Schrottimmobilienmache seit langem gewarnt wird. Braun erklärte vor dem Abgeordnetenhaus, er habe sein Amt als Notar sehr sorgfältig ausgeübt und sich im Internet regelmäßig über die schwarzen Schafe am grauen Kapitalmarkt erkundigt. Warum er Verträge von Firmen aus der dubiosen Grüezi-Gruppe beglaubigte und wie er deren Machenschaften bewertet, dazu sagte er nichts. Er habe die Firma ebenso flüchtig gekannt wie andere Nachbarn an seinem Geschäftssitz auch.
Warum sprach die Notarkammer Braun so schnell frei?
Die Notarkammer Berlin hatte am Freitag nach nur wenigen Stunden Braun in einem Schreiben testiert, sie hätten keine Veranlassung anzunehmen, dass er seinen Pflichten als Notar nicht nachgekommen sei. Gegenüber der Notarkammer habe es bisher keine Vorwürfe gegen ihn gegeben. Am Donnerstag teilte die Notarkammer Berlin mit, dass sie mit ihrem Schreiben Braun nicht habe „exkulpieren“ wollen. Sie habe lediglich festgestellt, dass ihr keine Anhaltspunkte für ein rechtliches Fehlverhalten von Braun vorliegen würde, ohne Bezugnahme auf konkrete Grundstücksgeschäfte. „Vergleichbare Bestätigungen“ würde die Kammer auf Nachfrage der Mitglieder „auch sonst“ abgeben.
Ist Braun rechtlich angreifbar als Notar von Schrottimmobilie oder nur moralisch?
Braun sagt, er haben sich streng an die Rechtsnormen gehalten und die verböten ihm jegliche wirtschaftliche Beratung. Braun weiter: „Wenn ich im Rechtsstaat das Kriterium ,moralisch’ einführe, dann kommen wir in eine ganz schwierige Situation – das endet meist bei der Willkür.“ Verbraucherschützer und Opfer-Anwälte werfen ihm aber auch vor, er habe seine Honorabilität zur Geschäftsanbahnung genutzt. So hätten Verkäufer von Schrottimmobilien Interessenten mit den Worten zum Notartermin gelockt: „Herr Braun gehört dem Abgeordnetenhaus an, er ist aus der CDU“.
Stimmt es, dass sich niemand über Braun beschwert hat?
Das hat Braun im Ausschuss behauptet, wobei er sich auf die Notarkammer und die Gerichte bezog. Tatsächlich aber liegt dem Tagesspiegel ein Briefwechsel zwischen einem Käufer und Braun selbst vor, der belegt, dass Braun bereits vor Jahren detailliert von den Betrugsvorwürfen weiß, die ihn auch selbst betreffen. Braun bestritt damals wie heute die Vorwürfe.
Sabine Beikler, Lorenz Maroldt, Ralf Schönball
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