Verzögerung auf Großbaustelle: Schiffshebewerk in Niederfinow wird erst 2016 fertig
Anderes Großprojekt, ähnliche Probleme. Auch das neue Schiffshebewerk nordöstlich von Berlin liegt weit hinter dem Zeitplan zurück. Der stählerne Gigant in Niederfinow wird nun doch frühestens 2016 fertig. Mehr kosten soll es immerhin nicht.
So hoch steht kein anderes mobiles Toilettenhäuschen in Berlin und Brandenburg. Ein Kran hat es auf einen Betonkoloss in 45 Meter Höhe gehoben und so zum Blickfang auf einer der größten Baustellen Ostdeutschlands gemacht. Der Blick von oben fällt auf ein Gewirr aus Türmen, Stahlteilen, betonierten Gruben und prall gefüllten Materialplätzen. Dazwischen blitzt ab und zu ein Schweißgerät auf, bewegt ein Bagger große Sandmassen und schweben tonnenschwere Teile durch die Luft.
Das neue Schiffshebewerk in Niederfinow bei Eberswalde, gut anderthalb Stunden Autofahrt nordöstlich Berlins gelegen, nimmt immer mehr Konturen an. Allerdings teilt das Projekt das Schicksal der meisten Großvorhaben: Es liegt weit hinter dem ursprünglichen Zeitplan zurück. Denn ursprünglich sollten die ersten Schiffe aus dem Oder-Havel-Kanal schon in diesem Jahr in den neuen Fahrstuhl einfahren und den 36 Meter großen Höhenunterschied an dieser Stelle überwinden. Nun wird die Premiere frühestens in zwei Jahren stattfinden.
Keine Beeinträchtigung für aktuellen Verkehr
Doch genau wie beim Berliner Flughafendesaster fallen die Verzögerungen für den aktuellen Verkehr nicht weiter ins Gewicht. Das alte Schiffshebewerk gleich nebenan leistet genau wie die schon betagten Anlagen in Tegel und Schönefeld treu und zuverlässig seine Dienste. Nur feiert der stählerne Gigant in Niederfinow in diesem Sommer schon sein 80-jähriges Jubiläum. Nichts deutet auf eine Altersschwäche hin. Nur die neuen Güter- und Containerschiffe sind mit bis zu 110 Metern Länge gut 30 Meter größer und passen nicht mehr in den Trog des alten Hebewerks. Auch das Ladegewicht kann bei den größeren Pötten viel höher ausfallen.
Projektleiter Peter Huth vom Wasserstraßen-Neubauamt Berlin hält sich auf die Frage nach dem Grund der Verzögerungen zurück. Es würden rechtliche Auseinandersetzungen mit beteiligten Baufirmen geführt, über die er öffentlich nicht viel sagen dürfe. „Aber vor allem die beiden zurückliegenden Winter haben uns einen Strich durch die Zeitpläne gemacht“, sagt Huth und spricht von „mehrmonatigen Stillstandszeiten“. Die könne man nicht wieder aufholen, auch wenn die meisten Betonarbeiten bis zuletzt im Drei-Schicht-System mit mehr als 100 Beschäftigten ausgeführt worden seien. Außerdem gab es wohl zumindest in der ersten Zeit nach dem Baustart im Jahre 2008 noch einige unerwartete Lieferengpässe auf dem Stahlmarkt. „Zumindest bleiben wir mit dem ganzen Projekt aber im Kostenrahmen“, sagt der Projektleiter. „285 Millionen Euro sind gesetzt und werden nicht überschritten.“ Rund 75 Prozent der gesamten Bauleistungen sind bisher geschafft. Bis zum Frosteinbruch Mitte Januar liefen die Arbeiten reibungslos. Jetzt verlangte der Frost den Stopp einiger Montagen und Betonierungen.
Neubau nicht in Baukosten vorgesehen
Besagtes Toilettenhäuschen steht auf dem künftigen Dach des neuen Schiffshebewerks. Vier sogenannte Pylone, also Türme, bilden das Grundgerüst der Konstruktion. Sie ähneln im Innern dem Treppenhaus eines Hochhauses und werden später auch für Besucher zugänglich. Sie blicken dann aus der 13. Etage auf den von 224 Seilen gehaltenen Trog und über die Hochflächen des Barnims und des Oderbruchs. Nur zu erahnen sind von hier aus aber die zwei Straßenbrücken über den Oder-Havel-Kanal, die den ganzen Neubau des Schiffshebewerks fast zum Schildbürgerstreich gemacht hätten. Denn deren Neubau war ursprünglich nicht in den Baukosten vorgesehen gewesen, so dass die voll beladenen Containerschiffe zwischen Berlin und Stettin hier gar nicht hindurchgepasst hätten. Der ganze Neubau des Hebewerks wäre infrage gestellt worden. Diese Blamage kann nun dank der verlängerten Bauzeit um zwei Jahre vermieden werden.
Claus-Dieter Steyer