Qualitäts- und Finanzprobleme: Scherbenhaufen im Altglasstreit
Was in den östlichen Bezirken Berlins schon viele empört, erreicht nun auch den Westen: Die Glastonnen im Hof sollen verschwinden, stattdessen Iglus aufgestellt werden. Das Duale System begründet das mit Qualitätsproblemen. Dabei liegen eher finanzielle Gründe als Erklärung nahe.
Klaus Kirbach ist aufgebracht. „Die kriegen Geld dafür und dann so ein schlechter Service,“ sagt der Mann, der seit 35 Jahren in Friedrichshagen wohnt. Dort war Recycling schon immer selbstverständlich. Zu DDR-Zeiten gab man hier beim VEB „Sero“ (Sekundärrohstoffe) leere Flaschen und Gläser ab. Nun aber hat das Duale System Deutschland (DSD) ihnen die Glastonne aus dem Hof gerollt. „Keiner weiß, warum – und für die Älteren ist der Weg zum Sammelcontainer zu weit“. Auch Gerlinde Rill, 74, aus dem Allendeviertel, ist sauer. „Das fällt alles auf uns zurück“, sagt sie.
In den Bezirksämtern stapeln sich die Beschwerdebriefe von Mietern aus Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick, seit das DSD ohne Vorwarnung seine Altglas-Sammlung umgestellt hat. Und für Berlins größten landeseigenen Wohnungsvermieter Degewo sagt Sprecher Lutz Ackermann: „Die Restmülltonnen sind jetzt voll mit Altglas.“ Die dadurch entstehenden zusätzlichen Kosten würden auf die Mieter umgelegt – durch höhere „Betriebskosten“ wie es im Verwalterdeutsch heißt.
Beinahe wären die Glastonnen auch in den drei großen West-Berliner Bezirken aus den Höfen gerollt worden. Hätte der Senat nicht dazwischengefunkt, dann müssten auch die Menschen dort nun ihre Flaschen weiter zu den Sammelstellen tragen. „Das kann noch kommen“, warnt SPD-Umweltexperte Daniel Buchholz. Verträge über die Umstellung im Westen seien sogar schon geschlossen worden. Später dann hätten die Bezirke im Norden und Süden Berlins folgen sollen. Denn Berlin sei die letzte Region in Deutschland, wo überhaupt noch Glas in der Tonne eingesammelt wird.
Anders als früher stehe heute beim Glasrecycling der Umweltschutz nicht im Mittelpunkt. „Nun geht es im Wesentlichen um Profite“, sagt Frank Wenzel, Experte für Umweltrecht – und in Berlin um „Kostenminimierung“. Andere Insider erklären die wirtschaftliche Logik so: Weil die Berliner so fleißig Glas sammeln, landet beim DSD viel mehr Rohstoff (89 Prozent), als es dem Gesetz nach recyceln muss (75 Prozent). Durch den Abzug der Tonnen aus Höfen geht diese Sammelquote zurück und dadurch spart das DSD. Denn die Entsorgung des Altglases kostet mehr, als die Gebühren für dessen Verwertung einbringen. Eine Behauptung, die sogar Buchholz „plausibel“ nennt – „es wäre aber auf jeden Fall eine Bankrotterklärung für das DSD“.
Der Zusammenhang zwischen Güte des Glases und Sammelsystemen wird bezweifelt
Das Unternehmen widerspricht. „Die ökologischen Gesichtspunkte stehen im Vordergrund, es geht nicht in erster Linie ums Geld“, sagt Sprecher Norbert Völl. Die Umstellung habe ganz andere Gründe: Das in Berlin gesammelte Altglas sei minderer Güte. Die Industrie habe sogar gedroht, gar kein Berliner Glas mehr abzunehmen. Diesem Problem will das DSD durch die Container-Iglus beikommen, wo das Glas sortenreiner anfalle.
Experten im Abgeordnetenhaus hatten jedoch einen ausschließlichen Zusammenhang zwischen der Güte des Glases und den Sammelsystemen bezweifelt. Das Berliner Glas könne vor allem deshalb nicht verwertet werden, weil es zu oft umgeladen und zu stark zerkleinert werde in den Müllfahrzeugen.
Bei der BSR ist man problembewusst: „Unsere Tochter Berlin Recycling wird einen neuen Umladeplatz in Betrieb nehmen und andere Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität im Holsystem vornehmen“, sagt Sprecherin Sabine Thümler. Eine Qualitätsverbesserung sei möglich, auch wenn man beim alten System bleibe. Andere Experten schlagen die Einführung verschließbarer Hoftonnen vor. Das koste allerdings ein paar Euro mehr.
Und wie geht es weiter? Unabhängige Gutachter sollen die Auswirkungen der Umstellung auf Glas-Iglus untersuchen. Das DSD verspricht, das Ergebnis mit den Abgeordneten des Umweltausschusses und des Senats zu erörtern: Man werde „gemeinsam entscheiden, wie das ’Berliner Modell’ künftig austariert wird“. Gerüchten zufolge wählte das DSD aber selbst die Gutachter aus und beauftragte sie. Diese hätten bereits häufiger Aufträge von dem Unternehmen erhalten. „Wenn das stimmt, fände ich das sehr befremdlich“, sagt Buchholz.
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