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Bildungssenatorin Scheeres ist laufend unter Druck - zuletzt wegen der Verwirrung um die Ausschreibung des Schulessens.
© dpa

Bildungssenatorin will investieren: Scheeres verspricht jeder Berliner Schule mindestens einen Sozialarbeiter

300 neue Sozialarbeiter will Sandra Scheeres einstellen. An jeder Schule soll es mindestens eine Stelle geben – ein Fortschritt. Doch manchen reicht das nicht.

Einen besseren Ort für die Bekanntgabe der Stärkung der Schulsozialarbeit an Berlins Schulen hätte Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) ganz offensichtlich nicht wählen können. Dort, wo sich auf Presseterminen üblicherweise Journalisten drängeln und um den besten Blick auf das Geschehen ringen, saßen am Freitagmorgen in der der Aula der Friedrichshainer Schule am Königstor fast nur Schulsozialarbeiter, genauer Schulpädagogen.

Davon gibt es an der integrierten Sekundarschule mit 326 Schülern in 16 Klassen ganze sieben. Jeder von ihnen kümmert sich demzufolge durchschnittlich um 47 Schüler. Was viel klingt, dürfte in Berlin ein Rekord sein, im positiven Sinne. Längst nicht jede der knapp 600 öffentlichen Schulen in der Stadt verfügen über einen Schulsozialarbeiter. Und das bei wachsenden Problemen im und nach dem Unterricht, Stichwort Mobbing.

Genau das soll sich nach dem Willen von Scheeres nun ändern. Zum 1. August 2020 und damit zum Beginn des neuen Schuljahres, sollen 150 Stellen für Schulsozialarbeiter neu geschaffen und besetzt werden. 3,5 Millionen Euro stehen dafür im Entwurf für den Doppelhaushalt 2020/2021 zur Verfügung. 12 weitere Millionen stehen bereit, um den Aufwuchs im Jahr darauf, also 2021, zu wiederholen. 300 Schulsozialarbeiter will die Senatorin in den kommenden beiden Jahren einstellen. Für jede Schule mindestens einen, so die Marschroute.

Die dafür vorgesehenen Millionen sind nur ein Bruchteil der laut Scheeres zusätzlichen 800 Millionen Euro, die das Bildungsressort künftig mehr zur Verfügung haben wird. Insgesamt steige das Budget auf mehr als fünf Milliarden Euro, erklärte sie. Stolz erklärte sie, dass Kriterium dafür, ob es einzelnen Schulen auch mehr sein sollten, sind die soziale Lage im Umfeld der Schule, ihre Größe, die Zahl der Schüler mit Berlin-Pass sowie die Statistik über Fehlzeiten an der Schule. Oberstes Ziel der Maßnahme: Die Schulabbrecherquote reduzieren. Sie lag zuletzt bei rund zehn Prozent, Tendenz steigend.

Keine Umverteilung von Sozialarbeitern geplant

Für den Fall, dass die Anwerbung der Sozialarbeiter zum Problem wird, auch in diesem Bereich herrscht Scheeres zufolge „Fachkräftebedarf“, hat sie eine bundesweite Ausschreibung der Stellen angekündigt. Eine Versetzung bereits eingestellter Sozialarbeiter von einer überversorgten an eine unterversorgte Schule dagegen schloss Scheeres am Freitag aus. Sie sagte: „Es wird definitiv keine Umbesetzungen geben.“

Damit ist klar: Auch wenn die Schule am Königstor - eine inklusive Schwerpunktschule für Schüler mit besonderen Förderschwerpunkten „Geistige Entwicklung“ und „Autismus“ - in puncto Schulsozialarbeit auf lange Zeit überdurchschnittlich gut ausgestattet sein wird, der Bereich wird gestärkt. Denn: „Schulsozialarbeit ist genauso wichtig wie alle anderen Bereiche an der Schule auch. Sie zu stärken ist der richtige Weg und ein ganz klares Zeichen“, erklärte Scheeres. Über die Jugendsozialarbeit würden würden Kompetenzen der Schüler gestärkt, Familien unterstützt und das Lehrpersonal entlastet. „Schuldistanz“, also das Fernbleiben vom Unterricht, könne durch die Mitarbeit von Schulsozialarbeitern wirksam reduziert werden.

Und tatsächlich berichteten die Anwesenden Schulsozialarbeiter am Freitag von sehr guten Erfahrungen aus dem Schulalltag. Durch die Einführung eines Klassenbezugssystems könnten sich die jeweiligen Kollegen nicht an die Schüler und umgekehrt gewöhnen, auch die Kommunikation mit den Eltern werde vereinfacht.

Schüler profitieren nachweislich

Die Schüler selbst nähmen die Sozialarbeiter häufig als gleichberechtigter Teil der Lehrerkollegiums wahr, wohl auch weil diese fest in die Strukturen an der Schule eingebunden sind. „Wir arbeiten auf Augenhöhe mit den Lehrern, nehmen an deren Teamsitzungen teil und können handeln, sobald es Probleme im gibt“, erklärte einer der Schulsozialarbeit und lobt Schulleiterin Martina Nöthe. Diese habe das Problem der Schuldistanz von Beginn an konsequent in Angriff genommen, zu Beginn sogar über Telefonketten für den Fall, dass Schüler nicht zum Unterricht erschienen waren.

Vielleicht auch deshalb konnten zuletzt 92 Prozent der abgehenden Schüler vermittelt werden, entweder in eine Ausbildung oder an eine weiterführende Schule, ein ausgesprochen guter Wert für eine integrierte Sekundarschule. Die Schulsozialarbeiter, die sich auch um die Berufs- und Studienorientierung kümmern, haben daran ihren Anteil.

Jedoch: Die Probleme, mit denen Schüler im Alltag konfrontiert sind, werden nicht weniger. Mobbing, gerade auch in sozialen Netzwerken, sei ein großes Thema, berichten Sozialarbeiter. Hinzu käme die „passive Schuldistanz“, also das Stören des Unterrichts oder die geistige Abwesenheit während der Stunden, der Konsum von Drogen und andere. Probleme, die an Schulen in Brennpunktbezirken, die auch bei der Suche nach geeignetem Lehrpersonal besondere Schwierigkeiten haben, besonders geballt auftreten. Wohl auch mit Blick auf diese erklärte Nöthe am Freitag: „Ein Schulsozialarbeiter pro Schule ist für meine Begriffe zu wenig.“

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