„Symbolpolitik und Aktionismus“: Scharfe Kritik am geplanten Umzug des Wissenschaftsressorts
Brandenburgs Wissenschaftsressort soll nach Cottbus ziehen. Alle früheren Minister halten nichts davon. Und auch in der SPD gibt es Kritik.
In Brandenburg gerät SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke wegen der jüngsten Regierungsentscheidung weiter unter Druck, das Wissenschafts-, Forschungs- und Kulturministerium aus der Landeshauptstadt Potsdam nach Cottbus umziehen zu lassen. Das hat das rot-rote Kabinett vorige Woche – nur viereinhalb Monate vor der Landtagswahl – überraschend beschlossen.
Seitdem protestiert die 150-köpfige Belegschaft so deutlich, dass es sogar im Stadtbild sichtbar ist. So wird seit Tagen mit einem Spruchband an der Fassade des Ministeriums, aufgehängt aus den Bürofenstern heraus, gegen die Entscheidung des Kabinetts und der eigenen Ministerin Martina Münch (SPD) protestiert. Im Haus läuft eine Unterschriftensammlung, mit reger Beteiligung.
Unterstützung kommt nun auch von allen früheren Kultur- und Wissenschaftsministern Brandenburgs seit 1990, egal mit welchem Parteibuch. Sie reagierten im Gespräch mit dem Tagesspiegel mit Unverständnis, Ablehnung und Skepsis auf die geplante Verlegung des Ministeriums.
Nicht nachvollziehen kann einen Zwangsumzug nach Cottbus etwa Ex-Ressortchefin Johanna Wanka (CDU), die das Ministerium von 2000 bis 2009 gelenkt hatte und später Bundesministerin war. „So etwas kommentiert sich doch von selbst“, sagt Wanka. Und Ex-Ministerin Sabine Kunst (SPD), die 2011 bis 2016 auf diesem Posten wirkte und inzwischen Präsidentin der Berliner Humboldt-Universität ist, nennt die Entscheidung „erstaunlich“. Sie könne den Ansatz zwar verstehen, dass Wissenschaft und Kultur stärker als bisher landesweit wichtige Handlungsfelder sein sollten.
Parallel soll der Landesforstbetrieb nach Eberswalde umziehen
Doch zugleich macht Kunst aus ihren Bedenken keinen Hehl, dass ein Sitz in Cottbus für die Arbeitsfähigkeit des Ministeriums, die operativen Abläufe und Erfordernisse nicht zuträglich wäre. Nach ihren Erfahrungen sei die Berlinnähe gerade für das Wissenschaftsministerium von Vorteil, „weil viele Dinge mit dem Bund geklärt werden müssen“, sagt Kunst.
In der vergangene Woche hatte bereits der frühere Wissenschafts- und Bildungsminister Steffen Reiche, der in den Neunziger Jahren auch Landeschef der Sozialdemokraten war, den Umzugsbeschluss der Woidke- Regierung gegeißelt: „Diese Entscheidung ist nicht nachhaltig, denn dieser Aktionismus wird nach den Wahlen wieder kassiert werden.“
Woidke und Finanzminister Christian Görke (Die Linke) haben die Verlegungen – parallel soll der Landesforstbetrieb von Potsdam nach Eberswalde umziehen – strukturpolitisch begründet. Etwa mit der nötigen Stärkung der Lausitz, um den Ausstieg aus der Braunkohle zu kompensieren. „Ich glaube nicht, dass man mit der Verlegung eines Ministeriums eine Region aufwertet.
Regiert man besser, wenn man die Ministerien über das Land verteilt?
Dafür müssen ganz andere Dinge passieren“, widerspricht Ex-Minister Hinrich Enderlein (FDP), der 1990 bis 1994 in der damaligen Ampel-Regierung von SPD-Ministerpräsident Manfred Stolpe das Ministerium aufgebaut hatte. „Das riecht sehr stark nach Symbolpolitik und Aktionismus.“ Auch Enderlein ist überzeugt davon, dass das „keinen Bestand haben wird“.
Und Ex-Wissenschaftsminister Wolfgang Hackel (CDU), der 1999/2000 ein Jahr auf diesem Posten war, sagt: „Eine Regierung sollte zusammenbleiben.“ Man regiere nicht besser, wenn man die Ministerien übers Land verteile. Das sei auch für die Zusammenarbeit mit dem Parlament und innerhalb der Regierung kontraproduktiv. Aber womöglich, so vermutet Hackel, habe Ministerpräsident Woidke inzwischen selbst Schwierigkeiten, seinen Wahlkreis in der Lausitz wieder zu gewinnen, so dass er nun versuche, vor Ort zu punkten.
Die Kritik ist auch in der SPD groß
Nach dem Kabinettsbeschluss soll der Umzug des Wissenschaftsministeriums nach Cottbus bis 2023 vollzogen werden. Die eigentlichen Planungen dafür beginnen jetzt erst. Das weckt Erinnerungen an die zu Beginn der Legislaturperiode ähnlich überstürzt gestartete und handwerklich schlecht geplante Kreisgebietsreform, die Woidke voriges Jahr absagen musste.
Beschlüsse mit finanziellen Auswirkungen liegen ohnehin in der Hoheit des neuen Landtages. SPD und Linke, die in Brandenburg seit 2009 regieren, haben nach allen Umfragen keine eigene Mehrheit mehr. Eine dritte Neuauflage von Rot-Rot nach dem 1. September scheint daher nahezu ausgeschlossen.
Die Kritik an der Entscheidung Woidkes geht bis in die SPD hinein. In der Landtagsfraktion haben inzwischen die frühere Generalsekretärin Klara Geywitz, aber auch die Abgeordneten Ulrike Liedtke und Britta Müller Unverständnis geäußert.