Thilo Sarrazin im Nachbarschaftsstreit: Sarrazin, die Dampfwalze
Der umstrittene Ex-Senator Thilo Sarrazin hat auf Usedom ein Grundstück gekauft und will dort bauen. Jetzt hat er Ärger mit seinen neuen Nachbarn: Denn denen passt nicht, was er da vorhat.
Thilo Sarrazin erregt wieder einmal die Gemüter. Diesmal allerdings verschreckt der Ex-Finanzsenator, ehemalige Bundesbanker und umstrittene Buchautor aber nicht die Republik mit Thesen wie „Deutschland schafft sich ab“, sondern verärgert seine künftigen Nachbarn im Örtchen Stolpe auf Usedom durch rege Bautätigkeit. Dort hat er ein 14 000 Quadratmeter großes Grundstück erworben, um darauf ein Haus zu bauen. Das allein würde die Einwohner wahrscheinlich nicht so erzürnen; aber seit geraumer Zeit sind große Bagger im Einsatz, um das Grundstück zu begradigen. Sprich: Hügel werden eingeebnet, Senken zugeschüttet.
Gegenüber der „Ostsee-Zeitung“ machten die Anwohner ihrem Ärger über die sich auftürmenden Sandberge und den Lärm der Bagger Luft. „Das nimmt Ausmaße an, das glaubt uns keiner“, sagt ein Nachbar. „Es ist unmöglich, wie viel Erde hier aufgeschüttet wird. Freunde macht er sich hier nicht“, sagt eine andere. Ein weiterer sorgt sich um die Umwelt: „Da wird Natur kaputt gemacht. Der Hügel stand dort hunderte Jahre.“ Und was sie Sarrazin übel nehmen: Er hat sich nicht vorgestellt und sein Bauvorhaben erklärt. Das müsse man zwar nicht, sei aber in Stolpe so üblich. Mit einem Promibonus kann Sarrazin in der Gemeinde am Nordufer des Stettiner Haffs nicht rechnen.
Nicht nur die nachbarschaftlichen Beziehungen sind jetzt getrübt. Der Landkreis Vorpommern-Greifswald hat ein Bußgeldverfahren gegen Sarrazin eröffnet. Das Grundstück liegt am Rande eines Landschaftsschutzgebietes, und Sarrazin hat nach Angaben des Kreises versäumt, für die Grundstücksgestaltung eine Ausnahmegenehmigung einzuholen. „Zum Einebnen der Grundstücksfläche, die einen Hügel und eine Senke umfasste, hätte er einen gesonderten Antrag stellen müssen“, heißt es in einer Stellungnahme der Behörde. Jetzt hat die Kreisverwaltung Sarrazin einen Anhörungsbogen geschickt. Aber wenn dieser sich an die Auflagen hält, lediglich die begonnen Arbeiten zu Ende zu führen und für Ersatzpflanzungen zu sorgen, dann kann er um das mögliche Bußgeld in Höhe von 500 Euro herumkommen. „Insgesamt hat die Sache den Stellenwert eines Schönheitsfehlers, aber bei weitem nicht die Substanz eines Umweltskandals“, lautet das Fazit des Kreises.
Der Stolper Bürgermeister Eckhard Schulz findet die ganze Aufregung im Ort ein bisschen übertrieben. Ihm liegt mehr daran, den Konflikt zu schlichten. Die Gemeinde genehmigte im Mai den Hausbau; die Pläne entsprachen der Gestaltungssatzung. Später seien die Nachbarn mit der Bitte an ihn herangetreten, „die massiven Erdarbeiten zu stoppen“. Er sei sogar mit dem Zollstock zum Grundstück gefahren, um die Höhe des Hügels zu messen. Denn wenn mehr als zwei Meter abgetragen worden wären, hätte man einschreiten können. „Aber der Hügel war gerade mal um die 1,50“, sagt Schulz. Aber ohnehin sei nicht die Gemeinde zuständig, sondern der Kreis.
Sarrazin, der zuletzt vor zwei Wochen mit gewagten Bemerkungen zur Homo-Ehe und zu „Tunten in rosa Kleidchen“ auffiel, war am Dienstag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. An der Ostsee hat er schon früher gerne Urlaub gemacht. Bei einem Aufenthalt ersann er seinen Menüplan für Hartz-IV-Bezieher. Beim Einkaufen beim Discounter kam ihm die Idee, preiswerte Rezepte zusammenstellen zu lassen. Für ihn Beweis genug, dass die Hartz-IV-Regelsätze zum Leben ausreichen.