Senator Geisel verbietet „Jamaatu Berlin“: Salafisten riefen zur Tötung von Juden auf
Hier verkehrte auch Anis Amri: Die Mitglieder des Vereins „Jamaatu Berlin“ kennen sich aus der berüchtigten Fussilet-Moschee. Nun ist die Gruppe verboten.
Innensenator Andreas Geisel (SPD) hat am Donnerstag die militant salafistische Vereinigung „Jamaatu Berlin“ alias „Tauhid Berlin“ verboten. Jamaatu bedeutet Gemeinschaft, mit Tauhid ist die Einzigartigkeit Gottes gemeint. Die Gruppierung, die beide Namen verwendet, verherrlichte nach Informationen des Tagesspiegels vor allem im Internet den Kampf der Terrormiliz „Islamischer Staat“ und rief zur Tötung von Juden auf. Begrüßt wurde auch die Ermordung des französischen Lehrers Samuel Paty. Ein junger Salafist hatte im Oktober 2020 in einem Pariser Vorort Paty enthauptet, weil dieser im Schulunterricht über die umstrittenen Mohammed-Karikaturen gesprochen hatte.
Gegen mehrere Mitglieder von Jamaatu Berlin sind Strafverfahren anhängig, auch wegen der Bedrohung von Polizisten. Zwei Mitglieder der Salafistentruppe sind von der Polizei als terroristische Gefährder eingestuft.
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Ungefähr 850 Polizeibeamte, darunter das Spezialeinsatzkommando, durchsuchten am Donnerstag in Berlin 24 Wohnungen und weitere Objekte der 19 Personen zählenden Gemeinschaft. Die Polizei rückte unter anderem Reinickendorf und Kreuzberg an. In Brandenburg wurden zwei Objekte durchsucht. Die Präsenzen von Jamaatu Berlin im Internet, unter anderem bei der Videoplattform YouTube, wurden abgeschaltet. Das Verbot erfolgte nach dem Vereinsgesetz. Es erlaubt auch die Auflösung von Gruppierungen, die nicht als eingetragener Verein agieren, sich aber wie ein Verein verhalten.
Die Gruppierung habe gegen die verfassungsmäßige Ordnung und gegen den Gedanken der Völkerverständigung verstoßen, sagte Geisel am Morgen in einer Pressekonferenz. "Sie lehnt den Rechtsstaat und die Demokratie ab", betonte der Senator. Jamaatu Berlin habe den bewaffneten Dschihad befürwortet, "auch mit Selbstmordattentaten". Geisel hob hervor, das Verbot sei vor allem auf die Arbeit des Verfassungsschutzes zurückzuführen. Innenstaatssekretär Torsten Akmann sagte, die Verbotsverfügung habe 100 Seiten. Der Rechtsstaat zeige "auch in der Pandemie seine Zähne".
Salafisten kennen sich aus Fussilet-Moschee
Bei Jamaatu Berlin kamen Salafisten zusammen, die sich bereits aus der berüchtigten Fussilet-Moschee kannten. Senator Geisel hatte im Februar 2017 den Fussilet-Verein aufgelöst. In der Moschee in Moabit hatte der Attentäter Anis Amri häufig Islamisten getroffen, die ebenfalls mit dem IS sympathisierten. Amri war auch am 19. Dezember 2016 kurz vor seinem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz in der Fussilet-Moschee. Bei dem Angriff mit einem gekaperten Truck starben zwölf Menschen, mehr als 60 wurden verletzt.
Die jetzt verbotene Vereinigung Jamaatu Berlin wollte offenbar in der Tradition der Fussilet-Moschee auftreten. Jamaatu Berlin verfügte allerdings nicht über eine eigene Gebetsstätte, die Mitglieder blieben unter sich. Vermutlich waren der elitär anmutenden Vereinigung selbst die noch existierenden salafistischen Moscheen in Berlin nicht radikal genug. Mitglieder der Gruppe fielen in der Öffentlichkeit mit dem Verteilen von Flugblättern auf, vor allem am Hermannplatz in Neukölln und am Gesundbrunnen-Center im Wedding. In Parks wurde gemeinsam gegrillt. Die Mitglieder waren aufgeteilt in eine Männer- und eine Frauengruppe. Letztere sollte als eine Art Heiratsagentur salafistische Frauen mit radikalisierten Männern zusammenführen.
Als Anführer von Jamaatu Berlin gelten der Salafist Jarrah B. alias „Abu Umar“ und seine Ehefrau. Jarrah B. hatte sich an der salafistischen Kampagne „Lies!“ beteiligt. Islamisten verteilten am Potsdamer Platz und an anderen öffentlichen Orten in der Bundesrepublik gratis Exemplare des Koran, um vor allem junge Menschen in die militant salafistische Szene zu ziehen. Im November 2016 verbot der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) den hinter der Kampagne steckenden Verein „Die wahre Religion“.