Gedenkstätte in Brandenburg: "Sachsenhausen zum Teil der Berliner Geschichte machen"
Die Gedenkstätte Sachsenhausen soll tiefer im Bewusstsein der Berliner verankert werden. "So wie Dachau zu München gehört, so gehört Sachsenhausen zu Berlin", sagt Stiftungsdirektor Morsch.
Ganze 40 Außenlager hatte das Konzentrationslager Sachsenhausen in Berlin – von insgesamt 100. Doch für der Hauptstadt spielt die Gedenkstätte kaum eine Rolle. Günter Morsch konnte das in den 25 Jahren, in denen er hier tätig ist und die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten leitete, nicht ändern.
„Man fragt mich immer nach den Erfolgen“, sagt Morsch. Gewiss, er hat einige vorzuweisen. Weil er seit der Amtsübernahme 1993 das Gedenken umgekrempelt hat – vom verordneten DDR-Antifaschismus zur modernen Museumsarbeit an einen Erinnerungsort zu den Verbrechen der Nationalsozialisten.
Weil seither 60 Millionen Euro investiert wurden, was nicht viel ist über die Zeit. Weil jedes Jahr inzwischen 700 000 Besucher aus aller Welt kommen, insgesamt zwölf Millionen seit 1993. Und weil trotz der Rufe von AfD-Politikern nach einer Kehrwende in der Erinnerungskultur gerade bei jungen Menschen das Interesse hoch bleibt.
Kein Teil Berliner Geschichte
Für Morsch, der Ende Mai in Pension gehen wird und die Leitung an den Münchner Historiker Axel Drecoll übergibt, ist es die letzte Jahrespressekonferenz als Stiftungsdirektor. Da will er auch über sein Scheitern sprechen – in einem Punkt. „Es ist nicht gelungen, den Erinnerungsort Sachsenhausen zum Teil der Berliner Geschichte zu machen“, sagt der 65-Jährige. „So wie Dachau zu München gehört, so gehört Sachsenhausen zu Berlin.“
Zumal das Lager eine Sonderrolle für die Reichshauptstadt hatte: Hier, 15 Kilometer von der nördlichen Stadtgrenze entfernt, landeten große Teile der Berliner Arbeiterbewegung. Hier war die Inspektion, die Verwaltungszentrale aller Konzentrationslager. Deshalb hat Morsch für die Ausstellung zur Geschichte Berlins im Humboldt-Forum eine klare Forderung: Dort müsse Sachsenhausen endlich als „KZ der Hauptstadt“ entsprechend gewürdigt werden.
Die Gedenkstätte biete gern Sammlungsstücke als Dauerleihgabe an. In diesem Jahr soll auch eine Handy-App entstehen, mit denen die 40, zum Teil nicht mehr kenntlichen Außenlager in Berlin erkundet werden können. Zugleich fordert Morsch mehr Geld für den Erhalt der historischen Orte.
Völlig "unterdimensioniert"
Trotz umfangreicher Sanierungen seien viele Anlagen in die Jahre gekommen, die Finanzierung halte den Anforderungen gerade mit vergleichbaren Einrichtungen wie dem Deutschen Historischen Museum in Berlin nicht Schritt. Lange Zeit hätte es rund drei Millionen Euro pro Jahr für Investitionen gegeben, inzwischen seien es nur noch etwa 1,1 Millionen Euro. Das sei völlig „unterdimensioniert“.
Gebaut wird, aber langsam. Erst jetzt, am 25. Februar, wird für 35 000 gesammelte Objekte und 450 Meter Regale voller Dokumente aus dem Dritten Reich und aus der Zeit des sowjetischen Speziallagers ein neues Depot eröffnet. Und im früheren Frauenkonzentrationslagers Ravensbrück wird bis 2020 die gesamte Fläche des Lagers hergerichtet, das gesamte Ausmaß sichtbar gemacht.
Investitionen sind auch in Lieberose, südöstlich von Berlin, nötig. Das frühere Außenlager soll in die Stiftung aufgenommen worden. Dafür habe sich der Präsident des Zentralrat der Juden in Deutschland, Josef Schuster, persönlich bei Bundes- und Landesregierung eingesetzt, sagt Morsch.
Denn Lieberose sei einer der wichtigsten und zentralen Orte der Schoah in Deutschland. Im Februar 1945 waren dort 1342 zumeist ungarische Juden, die aus Auschwitz-Birkenau kamen, von der SS erschossen worden. In einem erstem Schritt soll nun eine Gedenkstätte als „Ort der Trauer“ eingerichtet werden.
Wie nötig die Arbeit ist, macht Morsch an einem Beispiel deutlich. Die Forschung zu den Täter-Motiven habe an Gewicht gewonnen. Wichtig sei das auch angesichts der AfD im Bundestag, aus der heraus die deutsche Geschichte geleugnet werde, die offen den Erinnerungskonsens in Zweifel ziehe. Morsch: „Wenn man nach den Motiven der Täter von damals fragt, wird man erstaunliche Parallelen entdecken.“