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Er ist der Böse. Daniel Brühl und Rosamund Pike in "7 Days in Entebbe."
© promo

68. Berlinale: Rückkehr nach Entebbe

Der Böse ist oft ein Berliner: Der Wettbewerbsfilm über die Geiselbefreiung von 1976 hat mit der Stadt mehr zu tun als man denkt.

Die heißgeschossenen Läufe der Maschinenpistolen waren kaum abgekühlt, da begannen die Kameras schon warmzulaufen. Am 4. Juli 1976 war auf dem Flughafen von Entebbe die Entführung einer Air-France-Maschine von israelischen Elitesoldaten beendet worden. 102 Menschen wurden befreit, drei Geiseln, Yonatan Netanyahu, Kommandeur des eigentlichen Kommandotrupps und Bruder des heutigen Ministerpräsidenten, die sieben Terroristen sowie etwa 20 ugandische Soldaten kamen ums Leben.

Nicht mal ein halbes Jahr später, am 13. Dezember, strahlte die US-Senderkette ABC den Fernsehfilm „Victory at Entebbe“ aus, konnte mit Stars wie Burt Lancaster, Anthony Hopkins, Liz Taylor und Kirk Douglas auftrumpfen. Konkurrent NBC folgte nur einen Monat später mit „Raid on Entebbe“ und Stars wie Peter Finch und Charles Bronson. Ebenfalls 1977 kam der in Israel gedrehte Film „Operation Thunderbolt“ in die dortigen Kinos, während Forest Whitaker für seine Rolle als Idi Amin in „Der letzte König von Schottland“, in dem die Entebbe-Aktion ebenfalls eine zentrale Rolle spielt, 2007 mit einem Oscar geehrt wurde.

Der Wettbewerbsfilm „7 Days in Entebbe“, der an diesem Montag im Berlinale-Palast Premiere feiert, hat also eine facettenreiche cineastische Vorgeschichte. Und es ist von innerer Logik, dass der Film gerade hier sein erstes Publikum findet, ist doch die Befreiungsaktion von Entebbe, die reale wie ihre fiktionalen Umsetzungen, auf vielfache, überraschende Weise mit Berlin verbunden.

Mit der Entführung wollte ein deutsch-palästinensisches Kommando die Freilassung von inhaftierten Kampfgefährten in vier Ländern erpressen. Die Leitung hatte anfangs der deutsche Terrorist Wilfried Böse, der mit der Deutschen Brigitte Kuhlmann in Entebbe die jüdischen von den nicht-jüdischen, danach freigelassenen Geiseln trennte – eine „Selektion“, die viele an Auschwitz erinnerte. Die beiden Deutschen gehörten den „Revolutionäre Zellen“ an, Böse gilt wie der in in Berlin im Jahr 2000 wegen des Anschlags auf das Maison de France 1983 zu lebenslanger Haft verurteilte Johannes Weinrich als Gründer der Terrorgruppe. Nach Böses Tod in Entebbe rückte Weinrich an die Spitze der „Revolutionären Zellen“. Die Entführung der Air-France-Maschine, der Berliner Anschlag und zahlreiche andere Terrorakte speisten sich also aus derselben Quelle.

Noch ein Böser: Horst Buchholz als Flugzeugentführer in "Raid on Entebbe"
Noch ein Böser: Horst Buchholz als Flugzeugentführer in "Raid on Entebbe"
© /Tsp

Als zu Weihnachten 1976 der TV-Film „Victory at Entebbe“ in die Kinos kam, vermischten sich terroristische Realität und Fiktion. In mehreren Ländern gab es Anschläge auf Kinos, so auch am 3. Januar 1977 in Aachen und Düsseldorf. Dort waren zwei allerdings rechtzeitig entdeckte Brandsätze deponiert worden, um die Absetzung des Films zu erzwingen. Er stelle die als „Terroristen“ beschimpften Freiheitskämpfer als „das Böse schlechthin, Abschaum, außerdem wahnsinnig und durchgeknallt“ dar – so stand es in dem Pamphlet, mit dem sich die „Revolutionären Zellen/Kämpfer für ein freies Palästina“ zu den Anschlägen bekannten. Zahlreiche Kinos in der Bundesrepublik setzten den vom Tagesspiegel unter der Überschrift „Dramaturgie der Rührseligkeit“ verrissenen Film auf Anraten der Polizei ab, bei den anderen klingelten die Kassen. Als Täter wurden schon bald zwei arbeitslose Jungakademiker verhaftet und später zu Haftstrafen verurteilt, darunter der ehemalige FU-Student Gerd Albartus, der zehn Jahre später von der Gruppe um Johannes Weinrich und den Topterroristen Ilich Ramírez Sánchez, genannt Carlos, im Irak als vermeintlicher Stasi-Spitzel hingerichtet wurde.

Sehr böse: Klaus Kinski in "Operation Thunderbolt"
Sehr böse: Klaus Kinski in "Operation Thunderbolt"
© picture alliance / Everett Colle

Auch in dem neuen Entebbe-Film des Regisseurs José Padilha spielt Berlin eine nicht unwichtige Rolle, allerdings mehr personell. Brigitte Kuhlmann wird von der Britin Rosamund Pike gespielt, die dafür intensiv von einem Sprach-Coach betreut wurde, um ihre deutschen Dialogteile zumindest phonetisch sauber hinzubekommen – Probleme, die bei Daniel Brühl, Berlin nicht nur durch seine Kreuzberger Tapas-Bar eng verbunden, als Wilfried Böse entfielen.

Er ist nicht der erste Schauspieler mit Berlin-Hintergrund, der den Entebbe-Terroristen spielte. In der ABCFernsehverfilmung hatte die Rolle noch der Österreicher Helmut Berger, Viscontis Ludwig II., inne, im NBC-Film war es ein Berliner par excellence, auch wenn man ihn nicht unbedingt als klassischen Filmbösewicht in Erinnerung hat: Horst Buchholz. Aber wie er mit der Maschinenpistole das Cockpit stürmt und erst mal ein Mitglied der Crew zusammentritt, das wirkt schon überzeugend, trotz des überraschenden hellblauen Anzugs.

Charmeur in Uniform: Rolf Eden als Co-Pilot in "Operation Thunderbolt".
Charmeur in Uniform: Rolf Eden als Co-Pilot in "Operation Thunderbolt".
© /Tsp

Natürlich nicht ganz so überzeugend wie der Böse-Auftritt Klaus Kinskis in „Operation Thunderbolt“. Zumindest zeitweise war er Berliner, hat sich hier durch legendäre Auftritte wie die verunglückte Jesus-Performance 1971 in der Deutschlandhalle eingeprägt – verstellen musste er sich in der Rolle nicht.

Überraschend auch der Berliner, der an Kinskis Seite die Rolle des Co-Piloten übernommen hatte und bei seiner ersten Szene gleich einem hübschen Mädchen interessierte Blicke zuwirft. Auch er musste sich nicht groß verstellen. Es war Berlins berühmtester Playboy, Rolf Eden.

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