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Frauen, Autos, Geld: Das Leben ist schön

„The Big Eden“, eine Arte-Dokumentation über den cleveren Glückspilz Rolf Eden. Einer, der seinen Kleinen-Jungs-Traum verwirklichen konnte und kann.

Es ist im Grunde immer das Gleiche. Warum sehen wir uns Filme über Rolf Eden an? Weil wir an die Gerechtigkeit glauben. Daran, dass ein Leben immer eine Balance haben müsse zwischen Freud und Leid, Glück und Pech. Dass einer zahlen soll dafür, wenn ihn das Schicksal mit Geld, Frauen, Autos in beliebiger Menge überschüttet. Also warten wir darauf, dass dieser ewige Gustav Gans mal bloßgestellt wird, dass ihn Geschäftspartner oder Mieter als Schuft entlarven oder die sieben Mütter seiner sieben Söhne ihn zur Hölle wünschen, weil er sie alle im fünften Monat verlassen hat, spätestens, als die Schwangerschaft sichtbar wurde. Aber was sehen wir? Nichts.

Das ist in Peter Dörflers 90-MinutenDokumentation „The Big Eden“ grundsätzlich auch nicht anders. 2010 entstanden und 2011 auf der Berlinale gezeigt, läuft sie am Dienstag im Rahmen des Dokumentarfilmfestivals bei Arte – die bisher wohl gründlichste Auseinandersetzung mit dem Berliner Playboy, Immobilienbesitzer, Lebemann, Überalldabei. Dörfler, auch Autor von Edens Biografie, hat sogar die Familie bis nach Haifa besucht, hat ziemlich viele Ex-Frauen und fast ebenso viele Kinder ausgefragt. Und das Resultat, das nicht einmal geschönt wirkt: Eden ist wohl tatsächlich dieser clevere, ewig optimistische Glückspilz, oberflächlich, exhibitionistisch, großzügig. Einer, der sich sein Leben lang am Kleine-Jungs-Traum festhalten durfte, und dem das Leben offenbar nie eine Rechnung geschickt hat.

Kritik klingt an, sie kommt aus der Familie. Sein jüngster Sohn, 2010 13 Jahre alt, gibt sich glaubhaft genervt darüber, dass der Vater ewig von irgendwelchen „Kamerafuzzis“ umgeben sei. Ein älterer Sohn sagt ganz sachlich, dass er keine Lust habe, mit ihm tiefergehende Gespräche zu führen, weil er ohnehin nichts als eine oberflächliche Gute-Laune-Suada erwarte. Edens Frauen, Brigitte, die aktuelle Lebensgefährtin, Uschi Buchfellner, Katja Künne, haben im Grunde noch weniger zu meckern. Er habe sich zwar immer nach Eintritt der Schwangerschaft aus dem Staub gemacht, sagen sie, aber sie hätten ja gewusst, worauf sie sich einlassen. Und er sei ihnen als großzügiger Freund nach wie vor verbunden.

Manchmal scheint die gut geölte Charme-Maschinerie zu stocken, das ist menschlich. Wie Katja Künne berichtet: Sie sei dann halt vom Valentinstag-Verteiler in den Muttertags-Verteiler umsortiert worden, „aber später kamen dann doch mal Blumen zum Valentinstag, das war wohl ein Fehler“. Uschi Buchfellner erinnert sich an den Abschied, inszeniert mit maximaler Grandezza: Im letzten Glas Champagner lag ein Einkaräter. Es wird nicht der einzige gewesen sein bei so vielen Abschieden.

Geld, natürlich. Wer sich ohne Geld jahrzehntelang so benimmt wie Rolf Eden, der landet als Stalker oder Heiratsschwindler im Gefängnis. Eden als generöser Multimillionär steht da auf der sicheren Seite. Die protzigen Autos zum Aufmerksammachen, die fetten weißen Bademäntel, die Reisen an die Traumstände, Ströme von Champagner, die Alimente danach – alles bezahlt und sauber verbucht. Eden ist ein Spieler, aber einer mit Überblick. Als sich die Leute nach Chrustschow-Ultimatum und Mauerbau aus Berlin davonmachten, kaufte er ihnen günstig die Immobilien ab, und zwar mit dem Geld, das ihm seine Nachtclubs säckeweise eingebracht hatten – letzten Endes nichts als ein anderer Bonus jener märchenhaft optimistischen Lebensweise, die auch die Frauen in Massen anzuziehen schien.

Die Frauen, allerdings. Was war da los? Wo bleiben die Feministinnen, wo die Genderbeauftragten, wenn er tönt, Frauen seien ja nie perfekt, aber wenn ihm an einer der Busen nicht gefalle, dann kaufe er ihr halt einen neuen? Die Frauen selbst, sofern sie im Film auftreten, betrachten ihr kurzes Leben mit ihm mit nachsichtiger, ja heiterer Gelassenheit. Da hat sie einer mit Komplimenten überschüttet, hat ihnen aufs Eleganteste nachgestellt über Monate, hat ihnen das Gefühl gegeben, die tollste Frau der Welt zu sein, also bitte. Ein Narr, mag sein, aber einer mit dem lautersten aller Motive: Glücklich sein, glücklich machen.

Schließlich der Lebenslauf. 1930 geboren, drei Jahre später mit den jüdischen Eltern nach Haifa ausgewandert. Mit 18 blutiges Kriegshandwerk in einer israelischen Eliteeinheit, später ohne Geld nach Paris, schließlich Berlin, weil es da ein paar hundert Mark gab für Zurückgekehrte. Wie kann es sein, dass ein solches Leben keine Narben hinterlässt? Möglicherweise bringt uns der nächste Dokumentarfilm über Rolf Eden wieder ein paar Erkenntnisse mehr.

„The Big Eden“, Arte, Dienstag, um 20 Uhr 15

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