Tödlicher Unfall in Charlottenburg: Rote Ampel – nicht zu übersehen
Die Ampel, an der ein Autofahrer eine Radlerin totfuhr, ist gut sichtbar - und für den Autoverkehr optimiert. Am Freitag soll eine Mahnwache dort stattfinden.
Am Tag danach erinnert noch keine Blume und keine Kerze an die Tragödie. Sie ist allenfalls anhand der gelben Farbmarkierungen der Polizei auf der Fahrbahn zu erkennen und an dem beschädigten Mercedes, der noch direkt an der Unfallstelle parkt.
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Mit dem hat ein 25-Jähriger am Mittwochnachmittag am Luisenplatz in Charlottenburg eine 69-Jährige umgebracht: Ein Scheinwerfer ist zerbrochen, die Frontscheibe vielfach gesplittert, an den Reifen kleben Reste der gelben Sprühfarbe, mit der die Polizei die Position des Autos nach dem Unfall markiert hatte.
Außerdem ist die Motorhaube ausgehakt - ein Sicherheitsmerkmal mancher neueren Autos, das die Wucht des Aufpralls für den verletzlichen Unfallgegner mindern soll. Es nützt nur nichts, wenn das Tempo zu hoch ist.
Laut Polizei querte die Frau mit ihrem Fahrrad die Fußgängerfurt an der provisorischen Ampel bei Grün, der von der Schloßbrücke kommende Autofahrer hatte also Rot. Die drei roten Ampellichter sind unübersehbar, sofern man als Fahrer nicht komplett mit anderen Dingen beschäftigt ist.
Ob der Fahrer - etwa durchs Handy - abgelenkt war und ob diese Frage explizit untersucht wird, vermochte die Polizei am Donnerstag nicht zu sagen. „Sämtliche Umstände, die für den Unfall von Bedeutung sein könnten, werden geprüft“, hieß es nur. Fast vier Stunden lang war die Unfallstelle am Mittwoch für die Ermittlungen gesperrt.
Die Ampel dürfte schon mindestens zwei Sekunden rot gewesen sein
Auf der kürzlich teilsanierten Brücke gilt Tempo 30, aber direkt vor der Ampel hängt ein 50er-Schild. Abgesehen davon, dass Tempo 50 absurd erscheint angesichts der Kurve auf dem kurzen Stück bis zur querenden Otto-Suhr-Allee, legt ein Auto bei diesem Tempo knapp 14 Meter pro Sekunde zurück.
Da sich die Haltelinie nur einen Meter vor der Fußgängerfurt befindet, dürfte der Mercedes schon mindestens zwei Sekunden lang Rot gehabt haben. So lange ist jedenfalls die Pufferzeit, bis die Fußgänger Grün bekommen.
„So ein Schwachsinn“, sagt eine ältere Frau ungefragt, während sie an der Ampel steht. „Erst wartet man ewig, bis man irgendwann bei Rot losrennt. Und irgendwann hinter einem wird dann Grün.“ Konkret wird nach einer Minute und zehn Sekunden Grün, gemessen ab Druck auf den Knopf. „Bettelampeln“ nennen Kritiker diese Variante.
Nur eine gelbe Linie als Absicherung für Radfahrer
Die Grünphase dauert zwölf Sekunden. Gerade lange genug, um in einem Rutsch über beide Richtungsfahrbahnen zu kommen. Wobei die Mehrzahl der Passanten an diesem Tag nicht auf Grün wartet, sondern eine Lücke im Verkehr abpasst. Und Fußgänger gibt es reichlich, denn die östliche Gehwegseite der Brücke ist noch immer wegen Bauarbeiten gesperrt.
Der verbliebene Gehweg auf der Westseite der Brücke ist 1,2 Meter breit, der Uralt-Radweg in Höhe der Ampel genau einen Meter. Die Stahlbögen der Brücke selbst sind mit einer Betonkante gegen Autos geschützt. Für die Radfahrer, die baubedingt vom Seitenstreifen auf die Fahrbahn geleitet werden, muss eine verwaschene gelbe Linie als Absicherung reichen.
„Diese Stelle hier zeigt, dass die Leute, die sowas planen, nicht aus dem Dienstwagen rauskommen“, sagt ein Radfahrer, der kurz stoppt und sich im Gespräch als Architekt und ADFC-Aktivist zu erkennen gibt. Gemeinsam mit dem Verein Changing Cities und dem Netzwerk Fahrradfreundliches Charlottenburg-Wilmersdorf ruft der ADFC für Freitag um 17.30 Uhr zu einer Mahnwache an der Unfallstelle auf.
Es ist die sechste für getötete Radfahrer und Radfahrerinnen in Berlin seit Jahresbeginn. Der bisher letzte tödliche Unfall mit Fahrradbeteiligung in Charlottenburg geschah in einer Spielstraße, wo Tempo sieben gilt.