Kompromiss bei Mietendeckel in Sicht: Rot-Rot-Grün steht vor einer Einigung
Der Koalitionsausschuss der Berliner Koalition hat sich vertagt, aber der Senat will das Mietengesetz am 22. Oktober beschließen.
Vier Stunden diskutierten SPD, Linke und Grüne am Freitag im Koalitionsausschuss, um einen Kompromiss für den Berliner Mietendeckel zu finden. Man sieht sich jetzt in einem „Einigungskorridor“, es wurden aber noch Prüfaufträge an die Senatsverwaltungen vergeben. Und viele Fragen sind noch offen. „Der Teufel steckt im Detail“, so ein Teilnehmer der Runde. Am Dienstag wird im Senat und Ende nächster Woche im Koalitionsausschuss weiter beraten.
Konsens ist in der Koalition, den Entwurf für das Mietengesetz am 22. Oktober im Senat zu beschließen. Alle drei Regierungspartner lobten nach der Sitzung die „gute und konstruktive“ Atmosphäre. Es sei gut gewesen, wieder miteinander und nicht via Medien übereinander zu reden.
„Wir sind ein gutes Stück vorangekommen, aber es bleiben noch Punkte offen“, sagte Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) nach der Sitzung. Sie war die Einzige, die sich namentlich äußerte. „Wir sind zuversichtlich, dass wir im Interesse der Mieter zu einer ausgewogenen und rechtssicheren Lösung finden werden, und streben einen Beschluss am 22.Oktober an.“
Ähnliche Einschätzungen vertreten Sozialdemokraten und Linke. Wenn auch mit der gebotenen Vorsicht. „Wir müssen uns kurzfristig einigen, damit das Gesetz Anfang nächsten Jahres in Kraft treten kann“, hieß es in SPD-Kreisen. Auch Vertreter der Linken sehen den Mietendeckel „auf einem guten Weg“. Es soll, darauf einigte sich die Koalition am Freitag, ein Gesamtpaket geben. In diesem gesetzlichen Rahmen sollen der – auf fünf Jahre befristete – Mietenstopp und die koalitionsintern strittige Absenkung der Mieten zeitlich gestuft in Kraft treten.
Damit können jetzt alle drei Parteien leben und es verschafft der Verwaltung Zeit, um sich auf die Umsetzung eines erweiterten Mietendeckels personell und technisch vorzubereiten. Die Ausgestaltung von Mietsenkungen sei grundsätzlich ein „lösbares Problem“, hieß es koalitionsintern. Dies ist die Kernfrage, die beantwortet werden muss, um sich auf ein Mietengesetz zu einigen.
Diverse Möglichkeiten wurden im Koalitionsausschuss skizziert. Wobei die SPD die Tabelle mit den Mietobergrenzen von weniger als acht Euro pro Quadratmetern, die in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung erarbeitet wurde, kritisch sieht. Kriterien wie Alter und Lage der Gebäude müssten aufgenommen werden.
Keine Mietabsenkung entsprechend sozialer Lage
Die Sozialdemokraten favorisieren den Mietspiegel von 2019 als Grundlage für eine Obergrenzen-Tabelle. Grüne und Linke favorisieren den Mietspiegel von 2013. Klar ist nur, dass es keine Absenkung von Mieten entsprechend der sozialen Lage der Mieter (Miethöhe maximal 30 Prozent des Nettoeinkommens) geben wird. Dieser Vorschlag Lompschers ist nun vom Tisch. Offen ist noch, ob es in den geplanten Miethöhe-Tabellen einen Inflationsausgleich geben wird. Und wenn ja, in welcher Höhe. Verständigt hat man die Koalition darauf, dass sich die Miete durch energetische Modernisierungen höchstens um einen Euro je Quadratmeter erhöhen darf.
Im Vorfeld der Sitzung hatte die Senatskanzlei den Staats- und Verfassungsrechtler Ulrich Battis beauftragt, den Gesetzentwurf der Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) zu prüfen. Dieses Gutachten sieht verfassungsrechtliche Probleme bei der von den Linken vehement geforderten Absenkung überhöhter Mieten – und stützt damit die Position der SPD. Andererseits beschreibe Battis „Lösungswege, wie sich dies juristisch heilen lässt“, hieß es nach der Sitzung. Linke und Grüne wollen das Gutachten, das am Freitag überraschend vorgelegt wurde, erst noch in Ruhe prüfen.
Kein Thema war im Koalitionsausschuss eine Bundesratsinitiative gegen Wuchermieten. Die Linken könnten sich dies begleitend zur Absenkung der Mieten vorstellen. Auch die Grünen wären nicht abgeneigt, eine Verschärfung des Wucherparagrafen im Bürgerlichen Gesetzbuch zu erzielen. Die SPD hält es dem Vernehmen nach für möglich, die Bekämpfung von Wuchermieten landesrechtlich zu regeln. Das Thema soll im Mietengesetz berücksichtigt werden.
Der Streit um die Rechtssicherheit des Mietendeckels hatte die rot-rot-grüne Landesregierung in den vergangenen Wochen an den Rand eines Koalitionsbruchs geführt. Erst seit ein paar Tagen nähern sich SPD, Linke und Grüne einem Kompromiss an, der eine Stufenlösung (erst Mietenstopp, später auch die Möglichkeit der Absenkung) vorsieht.
Die Idee für den Mietendeckel geht auf einen juristischen Fachaufsatz zurück, der von der SPD-Bundestagsabgeordneten Eva Högl und dem Vize-Landeschef der Sozialdemokraten, Julian Zado, im Januar dieses Jahres in einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel aufgegriffen wurde.
Sie verwiesen damals darauf, dass die Gesetzgebungskompetenz für das Recht des Wohnungswesens durch die Föderalismusreform 2006 weitgehend vom Bund auf die Länder übergegangen sei. Dem Land Berlin stehe es deshalb frei, eine eigene Mietpreisbindung einzuführen. Plädiert wurde damals für eine befristete Mietobergrenze. Daraus entwickelte Rot-Rot-Grün „Eckpunkte für ein Berliner Mietengesetz“, die im Juni vom Senat beschlossen wurden. Seit Ende August liegt ein Gesetzentwurf von Lompscher vor, über den koalitionsintern seitdem strittig diskutiert wird. Das neue Mietengesetz soll Anfang 2020 in Kraft treten.