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CDU-Obmann Stefan Evers (l), im Untersuchungsausschuss zur Diese eG.
© Christoph Soeder/dpa

„An allen Vorgaben des Bezirksamtes vorbei“: Riskiert Berlin 27 Millionen Euro bei Vorkäufen der „Diese eG“?

Wie hoch ist das Risiko im Monopoly der „Diese eG“? Der Untersuchungsausschuss sucht Antworten.

Riskiert Berlin 27 Millionen Euro bei der Förderung von vier Wohnhäusern, die der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg per Vorkaufsrecht privaten Geschäftspartnern wegschnappte und der Genossenschaft „Diese eG“ übertrug? Oder sind die beim Rechnungshof aktenkundigen 270.000 Euro der einzige Schaden dieser politisch umstrittenen Aktion?

Der Direktor des Rechnungshofes Stefan Finkel war am Dienstag erster Zeuge im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Affäre um die neu gegründete Genossenschaft. Und obwohl er wenig über den Bericht der Kontrollbehörde hinausging, ging der politische Streit über die Bewertung gleich los.

„Erschreckt über die Zahlen, die im nichtöffentlichen Teil gehört“ wurden, äußerte sich CDU-Obmann Stefan Evers. „An allen baurechtlichen und organisatorischen Vorgaben des Bezirksamtes vorbei“ seien die Miethäuser der Diese eG zugeschanzt worden. So seien „immense Haftungsrisiken“ entstanden, denn die Genossenschaft habe „mit leeren Taschen“ dagestanden.

Diese habe mit „Luftbuchungen“ ihre Zahlungsfähigkeit frisiert. Die sanierungsbedürftigen Immobilien seien mit fehlerhaften Investitionsplänen rentabel gerechnet worden – mit einer Mietsteigerung von vier Prozent pro Jahr. Dies sei gar nicht zulässig und würde bei einer privaten Gesellschaft gewiss für Empörung sorgen.

Damit der politisch erwünschte Deal trotzdem zustande kommt, habe der Bezirk nach Überzeugung von Bernd Schlömer (FDP) die „rechtliche Bewertung innerhalb des Hauses umgangen“. Im Jahr 2019 sei ein Rechtsgutachten eingeholt worden von externen Beratern. Auch der Haushaltsbeauftragte des Bezirks sei trotz der immensen Risiken des Geschäfts außen vor gelassen worden, sagte Christian Hochgrebe (SPD). Und: „Nach Auffassung des Rechnungshofes war die Diese eG in fachlicher und finanzieller Hinsicht nicht in der Lage, diese Käufe durchzuführen.“

Die Linke parierte: „Wie unterschiedlich die Wahrnehmungen sind“, sagt Michail Nelken. Der frühere Pankower Baustadtrat stieß sich an der Risikobewertung des Rechnungshofes. Die 27 Millionen Euro, die im Raum stünden, seien nur fällig, wenn das Land „in alle Kaufverträge einsteigen würde“. Und diesem Geld stünden Immobilien gegenüber. Deren Wert sei überhaupt nicht berücksichtigt bei der Berechnung des Risikos.

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Für die Grünen, deren Bezirksstadtrat Florian Schmidt die Diese eG protegiert hatte, ergänzte Andreas Otto: Die Genossenschaft habe den Kaufpreis für die Häuser letztlich bezahlt und zahle regelmäßig ihre Raten. Das spiele für den Rechnungshof keine Rolle.

Auch die Ziele, die Bezirk und Land mit dem Erwerb der Immobilien verfolgten, blieben auf der „buchhalterischen Ebene“ des Rechnungshofes unberücksichtigt. Die Genossenschaft sei „eine Selbsthilfegruppe, wo Leute ihr Wohnschicksal in die eigenen Hände nehmen – die könnten in der FDP sein.“

Die Attacken auf den Rechnungshof gingen Schlömer zu weit: Grüne und Linke brächten diesen „in Misskredit“ mit ihren „irritierenden Bemerkungen“. Der Rechnungshof genieße „richterliche Unabhängigkeit“, das sei gut so. Der FDP-Politiker sprach sich gar für eine Stärkung der Behörde aus. Und auch Evers legte nach: „Der Kaufpreis ist nicht von der Genossenschaft, sondern von Ihnen und mir bezahlt worden“, sagte er in Anspielung auf die bewilligten Fördermittel für die Diese eG. Das Risiko habe sich dadurch nicht in Luft aufgelöst – „wir haben uns Zeit gekauft“.

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