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Monika Grütters (CDU) hatte sich in der Sache auch gegen die Linie ihrer eigenen Partei gestellt.
© Christoph Soeder/dpa
Update

Ex-Leiter der Gedenkstätte Hohenschönhausen: „Richtige Entscheidung“ – Grütters verteidigt Abberufung von Knabe

Kulturstaatsministerin Monika Grütters hatte sich gegen den Untersuchungsausschuss zur Entlassung von Hubertus Knabe ausgesprochen. Nun wurde sie dort befragt.

Monika Grütters nimmt einen Schluck aus einer roten Thermoskanne und zieht den vor ihr liegenden Aktenordner ein Stück näher an sich heran. Dann beginnt die Kulturstaatsministerin zu sprechen. Und weist zuerst auf ihre begrenzte Rolle in dem Fall hin, zu dem sie befragt werden soll.

„Am Anfang ein Hinweis zur Sache: Die Gedenkstätte Hohenschönhausen ist eine Berliner Landeseinrichtung“, der Bund finanziere sie mit. Als Kulturstaatsministerin habe sie lediglich einen Sitz im fünfköpfigen Stiftungsrat, eine hochrangige Mitarbeiterin im Range einer Abteilungsleiterin vertritt sie dort.

Der Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses zur Entlassung von Hubertus Knabe als Leiter der Stasiopfer-Gedenkstätte Hohenschönhausen infolge von Sexismus-Vorwürfen hat am Dienstag Grütters befragt. Wie zuvor Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke) verteidigte Grütters vor dem Ausschuss die Entscheidung, Knabe zu entlassen.

Der Stiftungsrat habe „eine vollumfänglich richtige Entscheidung getroffen“, sagte Grütters im Ausschuss. Dieser Ansicht sei sie weiterhin: „Ich teile auch heute noch die Ansicht des Stiftungsrates.“ Und Grütters betonte, der Stiftungsrat habe Knabe das Vertrauen einstimmig entzogen.

Für den Führungsstil des ehemaligen Gedenkstättenleiters, der die Missstände viele Jahre geduldet haben soll, fand Grütters deutliche Worte. Während der Aufarbeitung des MeToo-Falls sei Knabe „mehr darum bemüht gewesen, Schaden von seiner eigenen Person abzuwenden, als von der Gedenkstätte und ihren Mitarbeitern“.

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Einer Aufarbeitung habe Knabe sich strikt verweigert. „Über Jahre“ sei der Direktor „seinen Verpflichtungen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz nicht nachgekommen“ und habe sich nicht um Aufklärungs- und Schutzmaßnahmen bemüht. Zwar habe Knabe sich „ohne Frage“ verdient gemacht um die Aufarbeitung der SED-Diktatur. „Dies entband ihn aber keinesfalls von seinen Pflichten als Führungskraft“, sagte Grütters.

Knabe war im September 2018 entlassen worden, nachdem seinem Stellvertreter über Jahre andauernde sexuelle Belästigung von Mitarbeiterinnen vorgeworfen worden war. Grütters war damals nicht nur Kulturstaatsministerin, sondern auch Landeschefin der Berliner CDU.

Sie hatte die Entlassung Knabes seinerzeit für richtig erklärt und sich gegen den von CDU, FDP und AfD eingesetzten Untersuchungsausschuss ausgesprochen. Später wurde sich vom Vorsitz der Berliner CDU verdrängt – vom Bundestagsabgeordneten Kai Wegner.

Er witterte damals eine Intrige gegen Knabe: „Es deutet darauf hin, dass das von langer Hand geplant war.“ Der Vorwurf: Lederer habe Knabes Entlassung aus politischen Gründen vorangetrieben – weil es sich um einen der prominentesten Kritiker der Linkspartei handelt.

Von dem innerparteilichen Konflikt in der CDU war am Dienstag kaum etwas zu spüren, die Fragen der CDU waren zurückhaltend, fast vorsichtig: Ob Grütters mit Lederer zum Schutz der Betroffenen besondere Vereinbarungen getroffen habe, fragte etwa CDU-Obmann Hans-Christian Hausmann.

Sein Kollege Claudio Jupe fragte Grütters, ob Knabe die Möglichkeit gehabt habe, Stellung zu den Vorwürfen zu beziehen. Grütters antwortete: „Ich bin ja nicht Mitglied im Stiftungsrat, aber so weit ich unterrichtet worden bin, hatte er Gelegenheit zur Stellungnahme.“

Grütters zweite Zeugin, die im Ausschuss aussagt

Nach Kultursenator Lederer ist Grütters die zweite Zeugin, die im Ausschuss aussagt. Lederer und Grütters hatten den Vorwurf einer politischen Intrige zurückgewiesen. Entscheidend sei das verlorene Vertrauen in Knabes Fähigkeiten als Führungskraft, die Vorwürfe gegen ihn seien „substantiiert und gravierend“, sagte Lederer in der vergangenen Ausschusssitzung Mitte Mai. Wie Grütters hatte auch er die Entlassung Knabes entschieden verteidigt.

Ihr Verhältnis zu Lederer beschrieb Grütters im Ausschuss als kollegial. Weil es eine „politisch etwas kontaminierte Situation“ war – ein Linke-Senator beruft den Leiter einer Gedenkstätte ab, die die Aufarbeitung der SED-Diktatur zur Aufgabe habe –, habe es nach Knabes Absetzung die Absprache gegeben, dass der Bund den Nachfolger suchen wird, berichtete Grütters. Üblicherweise hätte Lederers Kulturverwaltung das getan.

„Erschreckende Regelmäßigkeit übergriffiger Verhaltensmuster“

Schon nachdem die Vorwürfe gegen Knabe und seinen Stellvertreter 2018 bekannt wurden, hatte Grütters von „hässlichen Einblicken“ gesprochen und den Beschluss, Knabe abzusetzen, gegenüber ihrer Partei entschieden vertreten. Im Ausschuss sagte sie, die betroffenen Frauen hätten über eine „erschreckende Regelmäßigkeit übergriffiger Verhaltensmuster“ berichtet.

Ein persönliches Gespräch ihrer Abteilungsleiterin mit zwei der Betroffenen habe diesen Eindruck bestätigt. Auch der von der Senatskulturverwaltung beauftragte Anwalt sei zu dem Schluss gekommen, die Vorwürfe seien gerechtfertigt, Knabe habe seine Pflicht als Leiter der Gedenkstätte verletzt.

Grütters äußerte „Befremden, immer weiter über einen Mann, statt über die acht betroffenen Frauen zu reden“. Auch Anne Helm, Vertreterin der Linken im Ausschuss, kritisierte, dass der MeToo-Fall in dieser Form wieder ausgerollt werde. Sie gehe davon aus, dass das die Betroffenen beschäftige.

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„Zumindest ist die Debatte über die Vorgänge – und teilweise auch über intime Details – wieder eröffnet.“ Und wie zu hören ist, enthalten die Unterlagen, die dem Ausschuss zur Verfügung stehen, auch personenbezogene Informationen. Dadurch könnte die erbetene Anonymität der Betroffenen theoretisch gefährdet werden.

Knabe soll es „nur um eigenes Interesse“ gegangen sein

Grütters sei „sehr deutlich geworden“ und habe dargelegt, dass es Knabe „weder um die Gedenkstätte noch um den Schutz der Mitarbeiter ging, sondern um eigenes Interesse“, sagte Helm. FDP–Obmann Stefan Förster hingegen sieht Grütters Ansicht, Knabe zu entlassen, sei richtig gewesen, nicht ausreichend begründet.

Ihre Entscheidung habe vor allem auf Telefonaten mit Lederer und Gesprächen mit ihrer Abteilungsleiterin beruht. Grütters sagte im Ausschuss wiederholt, es sei der fünfköpfige Stiftungsrat gewesen, der die Entscheidung getroffen habe, nicht sie.

Der Untersuchungsausschuss wird neben Ex-Kulturstaatssekretär Tim Renner (SPD) demnächst auch Jörg Kürschner befragen, wie am Dienstag mitgeteilt wurde. Der frühere MDR-Journalist Kürschner war Vorsitzender des Fördervereins der Gedenkstätte. Knabe hatte die Zusammenarbeit der Gedenkstätte mit dem Verein wegen AfD-Nähe im Juni 2018 beendet.

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