Kultursenator Lederer im Untersuchungsausschuss: „Hubertus Knabe zeigte keinerlei Problembewusstsein“
Der Berliner Untersuchungsausschuss zur Entlassung von Hubertus Knabe als Chef der Stasiopfer-Gedenkstätte befragt den ersten Zeugen.
Der Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses zur Stasiopfer-Gedenkstätte Hohenschönhausen hat am Dienstag Kultursenator Klaus Lederer (Linke) vernommen. Der frühere Leiter der Gedenkstätte, Hubertus Knabe, war infolge von MeToo-Vorwürfen gegen seinen Stellvertreter im September 2018 entlassen worden. Die Opposition vermutet, Lederer habe Knabes Entlassung aus politischen Gründen vorangetrieben – weil es sich um einen der prominentesten Kritiker der Linkspartei handelt.
Vor dem Untersuchungsausschuss warf der Kultursenator dem früheren Gedenkstättenleiter vor, „keinerlei Problembewusstsein“ gezeigt zu haben, nachdem Vorwürfe der sexuellen Belästigung in seiner Einrichtung bekannt wurden. Das sei dem Stiftungsrat im Laufe eines Briefwechsels deutlich geworden.
Knabe habe versucht, „genaue Informationen über die Frauen“ zu bekommen“, und sich ansonsten geweigert zu handeln – obwohl die Senatsverwaltung ihn mehrfach aufgefordert hatte, Anti-Belästigungs-Maßnahmen zu ergreifen, etwa eine Beschwerdestelle und eine Frauenbeauftragte. Von Januar bis September 2018 habe Knabe trotz mehrfacher Aufforderungen keinerlei Maßnahmen ergriffen, „um wenigstens mal herauszubekommen, ob es da einen Missstand gibt.“
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Die Schilderungen der betroffenen Frauen wertete Lederer als „sehr glaubwürdig“. Knabe habe die Vorwürfe zurückgewiesen und erklärt, sie seien nicht mit Substanz gefüllt, sagte Lederer. Auf Nachfrage der CDU, warum Lederer die Vorwürfe nicht konkretisiert habe, verwies er auf den Whistleblower-Schutz für die Frauen. Sie hatten um Anonymität gebeten. „Dem kommen wir selbstverständlich nach.“
Der Stiftungsrat, dem Lederer vorsitzt, hatte Knabe im September 2018 als Gedenkstättenleiter infolge der Belästigungsvorwürfe das Vertrauen entzogen und ihn von seinen Aufgaben entbunden.
Zur Begründung hieß es damals: Knabe, der die Gedenkstätte 17 Jahre geführt hat, habe sexuell übergriffiges Verhalten seines Vizes Helmuth Frauendorfer geduldet, sei nicht entschlossen dagegen vorgegangen und habe strukturellen Sexismus zugelassen, Machtmissbrauch und Belästigung toleriert. Mehrfach hatte die Kultursenatsverwaltung des Landes Berlin Maßnahmen zum Schutz von jungen Mitarbeiterinnen angeordnet.
Lederer und Kulturstaatsministerin Monika Grütters, damals CDU-Landeschefin, hatten den Vorwurf einer politischen Intrige zurückgewiesen. Entscheidend sei das verlorene Vertrauen in Knabes Fähigkeiten als Führungskraft, die Vorwürfe gegen ihn seien „substantiiert und gravierend“.
Grütters hatte auch von „hässlichen Einblicken“ gesprochen und die Entscheidung gegenüber ihrer Partei verteidigt. Im Ausschuss bekräftigte Lederer nun: „Ich bin der Ansicht, dass wir in dieser Sache richtig gehandelt haben.“
Juristisch ist der Fall erledigt: Das Arbeitsgericht wies Frauendorfers Kündigungsschutzklage ab: Er sei nicht für den Posten geeignet, neues Fehlverhalten nicht auszuschließen. Knabe ließ seine Klage am Landgericht fallen, als er eine hohe Abfindung bekam. Die neue Führung der Gedenkstätte hat die gesetzlich vorgeschriebenen, bis dahin aber fehlenden Schutzmaßnahmen umgesetzt.
Der Untersuchungsausschuss tagt alle zwei Wochen. Weitere prominente Zeugen stehen an: Kulturstaatsministerin Grütters und der Ex-Kulturstaatssekretär Tim Renner (SPD)
Der Ausschuss, der am Dienstag mit Lederer den ersten Zeugen vernommen hat, war im Februar mit den Oppositions-Stimmen von CDU, FDP und AfD eingesetzt worden. Die Regierungsfraktionen von SPD, Grünen und Linken enthielten sich. Die Opposition vermutet, dass Knabe aus politischen Gründen gefeuert wurde.