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Der Andrang an den Flughäfen, wie etwa Tegel, machte sich mitunter auch bei den Wartezeiten bemerkbar.
© imago images / A. Friedrichs
Update

Wann platzt Tegel?: Rekord-Passagierzuwachs an den Berliner Flughäfen

Der Verkehr brummt in beiden Berliner Flughäfen: 17,5 Millionen Reisende wurden in den ersten sechs Monaten 2019 gezählt. Rekord!

Seit Monaten wird über die „Flugscham“ diskutiert. Der Begriff kam mit Greta Thunberg aus Schweden nach Deutschland. Er soll das Unwohlsein über eine schlechte persönliche CO2-Bilanz ausdrücken. An den Berliner Flughäfen ist von Flugscham aber absolut nichts zu spüren, im Gegenteil. Der Verkehr brummt in Tegel und Schönefeld: 17,5 Millionen Passagiere wurden in den ersten sechs Monaten des Jahres 2019 gezählt.

Die Flughafengesellschaft meldete am Freitag eine "positive Entwicklung". Insgesamt flogen etwa 17,5 Millionen Passagiere im ersten Halbjahr 2018 von und nach Berlin, ein Plus von fast 12 Prozent. Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2018 wurden 1,9 Millionen Passagiere mehr abgefertigt. Die Flugbewegungen haben um 7,5 Prozent auf 145 042 zugelegt. In Tegel waren es 11,8 Millionen und in Schönefeld 5,7 Millionen Passagiere.

Nach Angaben von Flughafensprecher Hannes Hönemann ist der deutliche Anstieg im ersten Halbjahr eine späte Folge der Air-Berlin-Pleite 2017. Bis Mitte 2018 sei es der Konkurrenz gelungen, die Air-Berlin-Passagiere vollständig zu übernehmen. Deshalb werde der Anstieg im zweiten Halbjahr 2019 nicht so deutlich ausfallen, sagte Hönemann. Dennoch werde 2019 ganz sicher mit einem neuen Allzeit-Rekord enden.

Für Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup sind die neuesten Zahlen ein gutes Zeichen: „Die Hauptstadtregion ist und bleibt eine hochattraktive Destination. Wir blicken auf ein sehr erfolgreiches erstes Halbjahr zurück. Gemeinsam konnte das starke Fluggastaufkommen gut bewältigt werden."

Derart positiv wie in der Pressemeldung behauptet, haben Passagiere das allerdings nicht immer erlebt. Mehrfach gab es in den vergangenen Wochen Klagen über chaotische Zustände in der Abfertigung. Teilweise waren Krankheitswellen von Sicherheitsmitarbeitern die Ursache. Auf sozialen Medien hatten verärgerte Reisende Dutzende Fotos von langen Schlangen und dichtem Gedränge veröffentlicht.

Bundesweit fliegen immer mehr Menschen

Zu Beginn der Sommerferien hatte Verdi gewarnt, dass der hohe Andrang zu Beginn der Ferien die Infrastruktur und das Personal an die Grenzen oder sogar darüber hinaus bringen könne. „Von Verspätungen über stehenbleibendes oder nicht ausgeladenes Gepäck bis sogar zu Streichungen von Flügen ist alles denkbar“, hatte Enrico Rümker, Luftfahrt-Gewerkschaftssekretär dem Tagesspiegel gesagt.

Wie berichtet, wächst die Passagierzahl bundesweit. Zwischen November und März wurden im Vergleich zum Vorjahreszeitraum 86 Millionen gezählt, ein Plus von 6 Prozent. Innerdeutschen Strecken legten mehr zu als Langstrecken. „Das Wachstum bei Starts und Landungen liegt auf einem deutlich höheren Niveau als erwartet“, hatte Ralph Beisel vom Flughafenverband ADV gesagt: „Der Wunsch nach Mobilität durch Luftverkehr ist ungebrochen.“

In Berlin steigt die Zahl der Passagiere nahezu kontinuierlich, einen Dämpfer hatte es nur 2009 nach der Wirtschaftskrise gegeben. Der Freitag, an dem die aktuellen Zahlen verschickt wurden, war übrigens der Ferientag, an dem in TXL und SXF die meisten Passagiere erwartet wurden – nämlich 120 000. Es habe kein Chaos gegeben, sagte Hönemann.

Klimaaktivist fordert Einschränkung des Flugverkehrs

Für den Fahrrad- und Klimaaktivisten Heinrich Strößenreuther sind die aktuellen Zahlen das genaue Gegenteil von positiv. „Nur durch diesen Anstieg wird der Klimabeitrag des Berliner Mobilitätsgesetzes abgefackelt“, sagte Strößenreuther dem Tagesspiegel. Er rechnet so: Ein Flug erzeugt pro Passagier eine Tonne CO2, bei knapp zwei Millionen mehr Passagieren also zwei Millionen Tonnen CO2. Strößenreuther forderte die grüne Verkehrssenatorin Regine Günther auf, den Flugverkehr in Berlin einzuschränken, zum Beispiel durch eine Ausweitung des Nachtflugverbots.

Wie berichtet, forderte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) vor wenigen Tagen die Ausweitung um eine Stunde in der Früh bis 6 Uhr. „Da geht noch mehr“, sagte Aktivist Strößenreuther. Auch höhere Flughafengebühren würden den Anstieg bremsen oder stoppen.

Noch mehr würden eine Kerosinsteuer und eine Mehrwertsteuer auf internationale Flüge nutzen, sagte Strößenreuther. Kürzlich war der Erfinder des Radentscheids auf einer Konferenz in Oslo. Fähre und Zug haben gut 200 Euro gekostet – einen Flug hätte es für 45 Euro gegeben.

In Schweden ist die Zahl der Passagiere zuletzt gesunken – die „Flygskam“ wirkt offenbar, aber auch die neue Flugsteuer. Die schwedischen Eisenbahnen wollen bis 2022 wieder Nachtzüge in mehrere europäische Städte anbieten. „In fünf Jahren ist Flugscham Mainstream“, sagte Strößenreuther.

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