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Der Katholische Domfriedhof St. Hedwig.
© Kitty Kleist-Heinrich

Verstorbene ohne Hinterbliebene: Reinickendorfer organisieren Gedenkfeier

Verstorbene ohne Angehörige und Geld erhalten eine „ordnungsbehördliche Bestattung“. Bürger planen für sie nun eine Gedenkfeier.

Wenn ein Mensch stirbt, der keine Angehörigen hat und keine Freunde, niemanden, der sich um eine Beerdigung oder Urnenbeisetzung kümmert, wenn kein Geld hinterlassen wurde, um ein Bestattungsunternehmen mit diesem letzten Dienst zu beauftragen, keine entsprechende testamentarische Verfügung – dann gibt es eine „ordnungsbehördliche Bestattung“. Das heißt, dass sich die Behörden des Bezirks in der Regel um die Organisation einer Einäscherung kümmern. Eine letzte preisgünstige Ruhestätte für die Urne wird gesucht – schließlich muss die öffentliche Hand die Kosten tragen.

Die letzte Ruhestätte ist in vielen Fällen der alte Domfriedhof St. Hedwig, er liegt zwischen der Liesenstraße in Mitte und der Ausfahrt der S-Bahn aus dem Nord-Süd-Tunnel. Hier ist die Beisetzung am billigsten. Ein kleines grünes Schild mit dem Namen wird an der Stelle in die Erde gesteckt, an der die Urne versenkt wurde. Es ist trotz dieses Schildes am Ende doch ein anonymer Vorgang, rein mechanisch eben. Es gibt keine Trauergäste, keine Feier, keine Musik, keine Ansprache und natürlich keinen Grabschmuck.

Andere deutsche Städte haben Wege gefunden, dieses routinierte Vergraben der zu Asche gewordenen sterblichen Überreste eines Menschen anders zu gestalten: Zeremonien zu ersinnen, bei denen die Namen genannt, Daten und Ereignisse aus dem Leben des Toten berichtet werden. Der Newsletter Checkpoint von Tagesspiegel-Chefredakteur Lorenz Maroldt hat in den vergangenen Wochen und Monaten mehrfach darauf hingewiesen und die Frage gestellt, ob es nicht auch in Berlin einen Weg geben sollte, der Trauer um diese Menschen Ausdruck zu verleihen. Doch alle Bemühungen scheiterten an Formalien.

Überkonfessionelle Gedenkfeier für die Verstorbenen

Es ging um Datenschutz und Zuständigkeiten, eigentlich aber darum, dass sich niemand die Arbeit machen wollte. Einige wenige engagierte Bürgerinnen und Bürger in Reinickendorf wollten sich damit nicht abfinden. Immerhin sind es alleine in diesem Bezirk Jahr für Jahr im Durchschnitt 220 Menschen, deren irdischer Weg so auf dem Friedhof von St. Hedwig endet. Die engagierten Bürgerinnen und Bürger haben sich (wie im Checkpoint und im „Leute“-Newsletter für den Bezirk Reinickendorf bereits berichtet) zusammen gefunden, um einen Weg für eine würdevolle Totenfeier zu finden.

Mit dabei sind Patrick Larscheid, der Leiter des Gesundheitsamtes von Reinickendorf, Uwe Brockhausen, der für Gesundheit zuständige SPD-Bezirksstadtrat, und Andreas Hertel, der Pfarrer der Evangelischen Apostel-Paulus-Kirche in Hermsdorf. Sie werden künftig einmal im Jahr, am dritten Sonntag im Januar um 17 Uhr, eine überkonfessionelle Gedenkfeier für jene Verstorbenen abhalten, derer sonst niemand gedenkt. Im Jahr 2019 wird der Termin der 20. Januar sein.

Zur Teilnahme aufgerufen sind Bürgerinnen und Bürger, die ein Zeichen dafür setzen wollen, dass die Würde des Menschen nicht mit seinem Tod endet. Zwischen Liedern und Musik werden die Namen der Toten verlesen. Patrick Larscheid stellt sich vor, dass außergewöhnliche Lebenswege und Schicksale auch ausführlicher dargestellt werden können, dies allerdings ohne Nennung des Namens. Er sagt, es seien nicht nur die Einsamen der Gesellschaft, für die eine ordnungsbehördliche Bestattung organisiert werden müsse. Es gebe zum Beispiel bewegende Fälle etwa von völliger Zerstrittenheit in Familien, wo am Ende überhaupt niemand mehr bereit sei, einen Toten auf seinem letzten Weg zu begleiten.

Die Reinickendorfer Gruppe erhofft sich, dass ihr Beispiel Bürgerinnen und Bürger in anderen Bezirken anregen könne, von sich aus aktiv zu werden. An der tatsächlichen oder vorgeschobenen Unzuständigkeit etwa von Verwaltungen dürfe ein letzter Akt der Menschlichkeit nicht scheitern.

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