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Die Bronzepferde.
© dpa

Nazi-Kunst aus der Reichskanzlei: Rechtsstreit um Hitlers Bronzepferde

Auf Umwegen gelangten zwei Bronzepferde von Hitlers Reichskanzlei über Eberswalde in die Pfalz: Horst Stragies half dabei – nun droht ein langer Rechtsstreit.

„Dass es irgendwie Kunst war, dachten wir uns“, sagt Horst Stragies: „Aber so wertvoll – nee. Davon hatten wir keine Ahnung. Sollten die Püppchen doch nur zerschneiden.“ Die „Püppchen“ – das waren zwei große Bronzepferde, die der nationalsozialistische Bildhauer Josef Thorak 1939 für die Neue Reichskanzlei schuf. Außerdem die beiden Frauenskulpturen Galathea und Olympia des Bildhauers Fritz Klimsch, die ebenfalls im Garten von Hitlers Regierungszentrale standen sowie zwei überlebensgroße Männerstatuen von Hitlers Lieblingsbildhauer Arno Breker – „Der Künder“ und „Berufung“.

Kunstfahnder des Berliner Landeskriminalamts hatten die Statuen – wie berichtet – im Mai dieses Jahres bei dem Unternehmer Rainer Wolf im pfälzischen Bad Dürkheim beschlagnahmt. Gegen ihn und weitere sieben Verdächtige im Alter zwischen 65 und 80 Jahren ermittelt die Berliner Staatsanwaltschaft. Ihnen wird, so Staatsanwaltschafts-Sprecher Martin Steltner, Hehlerei vorgeworfen.

"Das war immer alles legal"

Horst Stragies gehört nicht zu den Verdächtigen, obwohl er und sein Bruder die Statuen, die mehrere Millionen Euro wert sein sollen, um die Jahreswende 1988/89 von einem Sportplatz in Eberswalde holten, den die Rote Armee nutzte. Mühevoll zersägten sie die Figuren, damit sie über die innerdeutsche Grenze gebracht werden konnten. Den Auftrag hatte Horst Stragies von Peter Schmitz, einem Freund und Geschäftspartner aus Aachen, erhalten. Für den besorgte er ab und zu Oldtimer. „Das war immer alles legal“, sagt Stragies: „Es lief über ein Büro für Außenhandel in Ost-Berlin und war von den DDR-Behörden genehmigt.“

Die Statuen wollten Schmitz und ein anderer Händler, Helmut Schumacher, für eben jenen Rainer Wolf besorgen, der in Bad Dürkheim schon länger NS-Kunst sammelte. Wolf hatte 1988 aus der Zeitung von den Bronzeskulpturen in Eberswalde erfahren und Schumacher beauftragt, sie zu ihm zu bringen. Der wiederum hatte Schmitz um Hilfe gebeten.

Statuen waren in keinem guten Zustand

Wie dann der Kontakt zu den Sowjets zustande kam – darüber gibt es mehrere Versionen. Laut Schmitz hat Stragies den Kommandeur bei einem gemeinsamen Besuch dazu gebracht, ihm die Skulpturen gegen eine Spende für die Opfer des Erdbebens im Dezember 1988 in Armenien zu überlassen. Horst Stragies kann sich daran aber beim besten Willen nicht mehr erinnern. „So gut konnte ich doch gar kein Russisch“, sagt er: „Außerdem hatte ich mit den Sowjets genauso wenig am Hut wie mit der SED.“

Das lag daran, erzählt er, dass er 1972 als 24-Jähriger erleben musste, wie sein Großvater von DDR-Behörden gezwungen wurde, seinen kleinen Familienbetrieb in Velten zu verkaufen: „Weil er sich weigerte, haben sie dem 83-Jährigen eine Pistole an den Kopf gesetzt. Da hat er unterschrieben.“

Horst Stragies handelt in Oranienburg immer noch mit Fahrzeugen aller Art.
Horst Stragies handelt in Oranienburg immer noch mit Fahrzeugen aller Art.
© Kitty Kleist-Heinrich

Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb wollte Horst Stragies, der in Wildau Werkzeug- und Maschinenbau studiert hatte, selbst eine eigene Firma gründen und wurde Schrotthändler. In Polen lernte er Peter Schmitz kennen. „Er wurde mein Partner, alle unsere Geschäfte liefen über das Berliner Außenhandelsbüro“, sagt Stragies: „Ich habe ihm Traktoren oder alte Autos besorgt und dafür Westwaren gekriegt: ein paar Kisten Obst für die Kinder oder auch mal einen VW-Transporter“.

Schmitz habe den Brüdern auch den Auftrag erteilt, die Statuen aus Eberswalde zu holen. „Wir sollten mit zwei Lkw und Anhänger kommen“, sagt Stragies: „Die Russen hatten alles vorbereitet.“ Die Statuen seien in keinem guten Zustand gewesen. Den Pferden war der Schweif teilweise abgerissen, sie wiesen Einschusslöcher auf. Außerdem waren sie zum Teil einbetoniert – nur mit Hilfe der Soldaten bekamen die Brüder die Statuen auf die Lkw.

„Dann sind wir ganz langsam – es war kalt und Glatteis – die etwa 80 Kilometer von Eberswalde zu unserer Scheune bei Vehlefanz gefahren, wo wir unseren Edelschrott lagerten. Wir haben die Dinger auf den Boden plumpsen lassen, waren froh, dass sie nicht zerbrachen. Da wussten wir ja noch nicht, dass wir sie klein sägen sollten.“ Das erfuhren die Brüder von Schmitz, der ihnen dafür eine Makita-Metallsäge aus dem Westen brachte.

„Wir hatten wochenlang zu tun und irgendwann waren die Teile verschwunden“, sagt Stragies. Schmitz und Schuhmacher transportierten sie nach und nach über die Grenze. „Ich habe die einfach zu meinen sonstigen von der Abteilung Außenhandel genehmigten Transporten dazugelegt“, sagt Schmitz. „Die Grenzsoldaten haben nie nachgefragt.“

"Stragies-Brüder haben etwas Gutes getan"

Horst Stragies selbst musste nur einen Männer-Kopf in eine Wohnung nahe der Karl-Marx-Allee bringen. „Ich erinnere mich noch, dass ich ihn im Hochparterre bei einer Frau abgab – er sollte angeblich als erstes auf die Reise gehen.“

Danach hat Stragies mehr als 25 Jahre lang nie wieder etwas von den Statuen gehört, bis die Fahnder des Landeskriminalamts bei ihm klingelten. Die hatten, nachdem die Pferde zum Verkauf angeboten worden waren, gemeinsam mit dem niederländischen Kunstdetektiv Arthur Brandt nach den Statuen gesucht und sie schließlich bei dem Bad Dürkheimer Unternehmer beschlagnahmt. Der behauptet, sie legal erworben zu haben. Auch wenn das Verwaltungsgericht Berlin vor zwei Wochen seine Klage zunächst einmal abgewiesen hat, droht nun ein langer Rechtsstreit darum, wem sie gehören.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) hat da keine Zweifel. „Die Stiftung Topographie des Terrors soll zusammen mit dem Deutschen Historischen Museum Teile der im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland stehenden Skulpturen möglichst noch im Jahr 2016 in einer Sonderausstellung der Öffentlichkeit zugänglich machen“, sagt sie. Nur so sei eine „angemessene, wissenschaftlich fundierte Kontextualisierung und kritische Reflexion der Objekte“ garantiert.

„Sie sind ein wichtiger Beleg dafür, wie Kunst instrumentalisiert werden kann“, meint Kunstdetektiv Arthur Brandt: „Man wird sich die Statuen noch in tausend Jahren ansehen, also haben die Stragies-Brüder Gutes getan. Objektiv ist es ihnen zu verdanken, dass die Skulpturen noch existieren.“

Schmiergeld ging an Kommandeur

„Vielleicht kriegen wir ja noch ’nen Orden“, sagt Horst Stragies und grinst. „Damals ist ja nicht viel bei rübergekommen. Das meiste Schmiergeld hat wohl der Kommandeur eingesteckt. Aber wer weiß  – vielleicht hat er es ja doch für Armenien gespendet. Ich erhielt jedenfalls ein Schreiben von ihm, dass alles seine Richtigkeit hatte“.

Dieses Schreiben hat der Bad Dürkheimer Sammler Rainer Wolf jetzt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht – als Beweis dafür, dass er die Ware rechtmäßig erworben habe. Allerdings behauptet Händler Schmitz, dass er das Schreiben erst im Nachhinein vom russischen Kommandeur besorgte, auf Wunsch von Wolf.

Stragies will dem zwar nicht widersprechen, ist sich aber sicher, dass er schon beim Abtransport der Statuen eine Genehmigung hatte: „Sonst wäre ich gar nicht losgefahren.“ So aber sei für ihn klar gewesen, dass sowohl die Russen als auch das Büro für Außenhandel von dem Geschäft wussten und alles legal war. Unheimlich seien ihm damals nur die Pferde vorgekommen, sagt er: „Die hatten so einen beängstigend irrsinnigen Tatendrang in den Augen. So, als ob die gleich losgaloppieren wollten.“

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