Innensenator Geisel gibt der AfD eine Mitschuld: Rechtsextremistische Gewalt steigt in Berlin um 20 Prozent
Der Rechtspopulismus bedrängt die Demokratie, sagt Innensenator Andreas Geisel. Rechtsextremisten fühlten sich dadurch ermutigt. CDU fordert schärfere Gesetze.
Die Zahl der rechtsextremistischen Gewalttaten ist in Berlin im vergangenen Jahr um 20 Prozent angestiegen. Das sagte Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) in einem Interview mit dem Tagesspiegel, das in der Sonntagsausgabe erscheint. Insgesamt sei die Zahl der Straftaten im Bereich der rechtsmotivierten politischen Kriminalität um acht Prozent gestiegen. Geisel bezeichnete den Anstieg der Gewalttaten als „besonders beunruhigend“.
2019 wurden damit in Berlin 1932 rechtsmotivierte Straftaten angezeigt (2018: 1789). Die Zahl der Gewalttaten stieg von 128 auf 153 Fälle. „Das ist bemerkenswert hoch“, sagte Geisel. Die Aufklärungsquote liege im Bereich der rechtsmotivierten Kriminalität bei 37,7 Prozent - 1,3 Prozentpunkte mehr als noch 2018.
Durch das Erstarken des Rechtspopulismus würden Demokratie und Rechtsstaat angegriffen, sagte Geisel dem Tagesspiegel. „Die AfD legt mit ihrem Rechtspopulismus und mit ihrer Hetze den Nährboden für diese Taten.“ Rechtsextremisten fühlten sich ermutigt, den Worten nun Taten folgen zu lassen.
Einen Anlass, Gesetze zu verschärfen sieht Berlins Innensenator nach dem rechtsextremistischen Anschlag im hessischen Hanau nicht. „Das ist immer schnell gesagt. Jetzt verschärfen wir mal die Gesetze, ohne dass wir wirklich wissen, ob die Verschärfung von solchen Gesetzen dazu geführt hätte, Täter aufzuspüren“, sagte Geisel.
Stattdessen wolle er die Polizei weiter umstrukturieren. Der Staatsschutz soll im Bereich Rechtsextremismus besser aufgestellt werden. Er will in der zuständigen Abteilung mehr Beamte und eine bessere technische Ausstattung. Insgesamt hält Geisel die Sicherheitsbehörden aber für „sehr gut aufgestellt“. Hundertprozentige Sicherheit könne jedoch niemand versprechen.
Juristischen Voraussetzungen für Ermittlungen wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung seien gegeben
Bezogen auf die rechtsextremistische Anschlagsserie in Neukölln zeigte sich der Innensenator „guten Mutes“, dass der Generalbundesanwalt doch noch wegen Terrorverdachts ermittelt. Die Ermittlungsgruppe „Fokus“ hatte kürzlich einen dritten Tatverdächtigen identifiziert - womit nun die juristischen Voraussetzungen für Ermittlungen wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung gegeben wären.
Oppositionsführer Burkard Dregger (CDU) kritisierte die Politik des rot-rot-grünen Senats scharf. Die CDU-Fraktion habe bereits vor zwei Jahren „alle in Berlin fehlenden Instrumente im Kampf gegen den Extremismus“ vorgeschlagen. Dregger forderte, den Verfassungsschutz zu stärken, die Befugnisse des polizeilichen Staatsschutzes in der Telekommunikationsüberwachung auszuweiten.
Keine Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus
„Statt unsere Vorschläge aufzugreifen, hat die rot-rot-grüne Koalition die Durchsetzungsfähigkeit des demokratischen Rechtsstaates geschwächt“, sagte Dregger. Er warf dem Senat vor, nicht mehr als „Lippenbekenntnisse“ abzugeben.
Norbert Cioma, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Berlin erklärte: „Nicht erst die Tat in Hanau hat uns brutal vor Augen geführt, dass Rechtsextremismus ein gravierendes Problem in unserem Land ist.“ Ideologie und auch politische Unzufriedenheit spiegelten sich verstärkt in verbaler und körperlicher Gewalt wider, sagte Cioma.
Zu den Plänen des Innensenators, die Polizei stärker auf den Kampf gegen Rechtsextremismus auszurichten, sagte Cioma: „Der Innensenator weiß sehr wohl, dass die Strukturreform für die Berliner Polizei gerade eine gigantische Aufgabe darstellt. Der Staatsschutz wurde gerade erst in LKA 5 und LKA 8 aufgeteilt und dort werden natürlich die jeweiligen Fokussierungen den aktuellen Lagen angepasst.“ Er warnte davor, die Polizei zu häufig strukturell umbauen zu wollen.
Niklas Schrader, Innenexperte der Linkspartei, sagte dem Tagesspiegel: „Es muss allen klar sein, dass die steigende rechte Gewalt und der Rechtsterrorismus aktuell die größte Bedrohung für unsere Demokratie sind.“ Die anzuerkennen, bedeutet auch, „dass die permanente Gleichsetzung von Rechts- und Linksextremismus endlich aufhören muss“, sagte Schrader.
Auch Innensenator Andreas Geisel erklärte im Tagesspiegel, man dürfe Rechtsextremismus und Linksextremismus nicht gleichsetzen. Anschläge auf Menschenleben kämen „ganz eindeutig aus der rechtsextremistischen Eckte“. Er ergänzte jedoch: „Gewalttätige Linksextremisten sind keine Freunde der Demokratie – wir müssen sie ebenfalls bekämpfen.“