Radfahren in Berlin: Rechtsabbiegen bei Rot? Der Bund sagt Nein
Im US-Bundestaat Idaho dürfen Radfahrer auch bei Rot rechts abbiegen – ebenso in Paris. Bundesverkehrsminister Dobrindt lehnte eine solche Initiative aus Berlin jetzt ab.
Überlange Lastwagen testet das Bundesverkehrsministerium seit Jahren ebenso intensiv wie wohlwollend – gegenüber Radfahrern zeigt sich das CSU-geführte Ministerium deutlich weniger aufgeschlossen. Eine Anfrage der Grünen, Radfahrern das Rechtsabbiegen auch bei roter Ampel zu erlauben, lehnte Verkehrsstaatssekretär Norbert Barthle kategorisch ab: „Eine zusätzliche Regelung wird aus Gründen der Verkehrssicherheit nicht für erforderlich gehalten“, antwortete Barthle jetzt dem grünen Bundestagsabgeordneten Matthias Gastel, das Schreiben liegt dem Tagesspiegel vor. Weiter verweist Barthle auf den „Grünen Pfeil“, was aus Sicht der Grünen völlig am Thema vorbeigeht, da dieser ja auch für Autos gilt. „ Das Rechtsabbiegen von Radfahrern ist weniger gefährlich als von Kraftfahrzeugen und benötigt daher weniger hohe Hürden“, sagte Gastel dem Tagesspiegel. „Die Bundesregierung muss endlich von der Bremse runter.“ Es sei bedauerlich, dass sie nicht bereit sei, „neue Lösungen in Deutschland auszuprobieren“, und „an starren, nicht mehr zeitgemäßen Regeln festhalte“.
In den vergangenen Monaten hatten sich der Fahrradclub ADFC, Grüne und Linkspartei und auch Verkehrswissenschaftler dafür ausgesprochen, Radfahrern an geeigneten Ampeln das Rechtsabbiegen mit einem Zusatzschild zu erlauben. Dies mache Radfahrer schneller, das Verkehrsmittel werde dadurch noch attraktiver. Alle verwiesen auf gute Erfahrungen in anderen Ländern. Nach Angaben der Grünen gibt es die in den USA erfundene Regel mittlerweile auch in Frankreich, Holland, Belgien und in Basel. Bekannt ist sie als „Idaho-Stop“: In dem amerikanischen Staat dürfen Fahrradfahrer seit 1982 ein Stoppschild wie ein Schild „Vorfahrt gewähren“ und eine rote Ampel wie ein Stoppschild behandeln. In Paris gilt: An den mit Schildern markierten Ampeln dürfen Radler auch bei Rot rechts abbiegen, nachdem sie angehalten und sich umgeschaut haben.
Auch Innensenator Henkel ist auf CSU-Linie
„Was Paris macht, wollen wir auch“, sagte der Verkehrsexperte des Berliner ADFC, Bernd Zanke, am Sonntag. Doch daraus wird nach der Absage aus dem Verkehrsministerium nichts. Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) ist dabei auf CSU-Linie: Henkel hat den Vorstoß der Grünen, Radfahrern unter bestimmten Voraussetzungen „Rotlichtfahrten“ zu erlauben, als „abwegig und zynisch“ kritisiert. „Die Überlegungen werden der Ernsthaftigkeit dieses Themas in keiner Weise gerecht“, sagte der Innensenator. Henkel betonte, dass der Bund bei der Straßenverkehrsordnung die Regelungskompetenz habe, Berlin also keine Möglichkeit zu einem Test habe. Der CDU-Senator fand scharfe Worte: „Die Überlegungen der Grünen kommen der Einladung zu einem lebensgefährlichen Rechtsbruch gleich. So mussten wir im Jahr 2014 genau deshalb den Tod eines Fahrradfahrers beklagen, weil er bei Rot über die Ampel fuhr und dabei ums Leben kam.“ Aus Sicht der Grünen und des ADFC ist das Fehlverhalten eines einzelnen Radfahrers kein Argument in dieser Sache. Allgemein heißt es, dass Radfahrer wesentlich aufmerksamer fahren, weil sie keine Knautschzone haben. So sind Fahrradkuriere und Rennradfahrer trotz hoher Kilometerleistung nur selten in Unfälle verwickelt. In Paris haben Radfahrunfälle nach Angaben der Grünen seit Einführung 2012 sogar stetig abgenommen.
Wie Radfahrer tatsächlich täglich gefährdet werden, zeigt eine Polizeimeldung von Sonntag: In Lichterfelde wurde eine 26-Jährige angefahren und lebensgefährlich verletzt, als sie bei Grün die Goerzallee überqueren wollte. Der 64-jährige Fahrer eines Geländewagens hatte betrunken die rote Ampel überfahren. Sein Führerschein wurde beschlagnahmt.