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Berlin-Kreuzberg.  Teilnehmer einer "Revolutionären 1.-Mai-Demonstration stehen auf einem Dach und begleiten den Aufzug mit bengalischen Fackeln und Flugblättern.
© Hannibal Hanschke/dpa

Linksextremisten in Berlin: Radikaler Neuanfang

Die linksextreme Szene in Berlin gründet eine neue Gruppierung - die "Radikale Linke". Der Verfassungsschutz warnt vor Militanz.

Um 13.27 Uhr bedankte sich die „Radikale Linke“ am Freitag beim Verfassungsschutz, und zwar per Twitter. Drei Tage zuvor hatte die Behörde einen Lagebericht veröffentlicht, Titel: „Alte Bekannte in neuem Gewand.“ Erstmals sei die neue Gruppierung der gewaltbereiten linksextremistischen Szene Ende November auf der Silvio-Meier-Demonstration mit einem Transparent aufgetreten. Am zweiten Weihnachtsfeiertag ging die Gruppe mit einer Internetpräsenz, einem Facebook- und einem Twitteraccount online, für den Verfassungsschutz der Auslöser, eine Einschätzung der Lage zu veröffentlichen.

Aus Sicht des Verfassungsschutzes handelt es sich bei der „Radikalen Linken“ um ein Sammelbecken ehemaliger Mitglieder der aufgelösten Antifaschistischen Linken Berlin (ALB) und der in Auflösung befindlichen Antifaschistischen Revolutionären Aktion Berlin (ARAB). Die beiden Gruppen hatten in den vergangenen Jahren die autonome Szene dominiert, etwa als Organisator der sogenannten Revolutionären 1.-Mai- Demo in Kreuzberg.

Der Verfassungsschutz warnt vor Militanz

Beide aufgelösten Gruppen „eint vor allem eines: Militanz“, heißt es in dem Bericht des Verfassungsschutzes. Der zu beobachtende Umbruch sei bemerkenswert und „ein Bruch traditioneller Gewohnheiten“. Die Entwicklung zeige, „dass einzelne Aktivisten und Gruppen ihre ideologischen und strategischen Differenzen immer häufiger zurückstellen und bereit sind, Kompromisse einzugehen, um gemeinsam neue Wege zu gehen“, heißt es in dem Bericht. Der Tweet der neuen Gruppe (es war erst der dritte) geht darauf ein: „Grenzen auch szeneintern zu überwinden schürt offensichtlich ganz schön Angst unter den Herrschenden.“

Die linksextremistische Szene entwickelt sich in zwei Richtungen: Zum einen in militant agierende Kleingruppen, die in unregelmäßigen Abständen Anschläge verüben. Und zum anderen in gemäßigter auftretende Organisationen, die versuchen, sich überregional als Bündnispartner in der linken Szene anzubiedern.

Im ersten Halbjahr 2014 gab es 240 Straftaten

Ihre Gewalt ist gestiegen. Im ersten Halbjahr 2014 gab es mit 240 Straftaten in diesem Bereich etwa 60 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Diese Zahlen nannte Innensenator Frank Henkel (CDU) Mitte Dezember. „Die Anschläge werden auch immer brutaler“, sagte Henkel damals. Wie berichtet, hatten Linksextremisten auf einer Montagsdemo der Marzahner Heimgegner, an der sich viele Rechtsextremisten beteiligten, Teilnehmer mit Teleskopschlagstöcken angegriffen und schwer verletzt.

In der Silvesternacht warfen Autonome Brandsätze auf die Baustelle eines verhassten Neubauprojektes, ein Baucontainer und das Auto eines Wachmannes brannten aus. Der Wachmann wurde mit Steinen angegriffen. Später flogen Steine auf die Polizei. Die Beamten erlitten Prellungen und einen Schock.

„Polizisten werden nur noch als Staatsmacht gesehen, nicht als Menschen“, hatte der Hamburger Polizeivizepräsident Reinhard Fallak im Dezember auf einem Kongress zum Linksextremismus gesagt. Fallak berichtete, dass die Hamburger Justiz gegen fünf Autonome wegen versuchten Totschlags ermittele. Sie hatten Polizisten mit Böllern und schweren Gegenständen beworfen. In Berlin hingegen wurde der jüngste Angriff auf Polizeibeamte nur als Landfriedensbruch gewertet.

Neue Auseinandersetzungen werden für Montag befürchtet. Am Abend wollen Flüchtlingsgegner erstmals als „Bärgida“ – angelehnt an die Pegida-Proteste – in der Innenstadt demonstrieren. Start soll 18.30 Uhr in der Klosterstraße sein, Ziel das Brandenburger Tor. Dafür gibt es an diesem Montag keine Demo in Marzahn. Linke Gruppen und der Türkische Bund haben Gegendemos in Mitte angemeldet.

Jörn Hasselmann

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