Razzia bei Salafisten in Berlin: Radikale Muslime sollen Corona-Soforthilfe abgegriffen haben
Es geht um mehr als 90 000 Euro Staatshilfen: Am Donnerstag durchsuchte die Polizei Wohnungen von fünf Salafisten - einer war mit Anis Amri bekannt.
Die Berliner Sicherheitsbehörden gehen erneut dem Verdacht nach, Islamisten hätten zu Unrecht die staatliche Corona-Soforthilfe kassiert. Mehr als 100 Polizeibeamte, darunter Ermittler des Staatsschutzes und Spezialkräfte, durchsuchten am Donnerstag elf Wohnungen und Räume mit Geschäftsanschriften von fünf Salafisten. Die Polizei nahm sich auch fünf Fahrzeuge der Verdächtigen vor. Die Razzia betraf die Bezirke Mitte, Reinickendorf, Neukölln und Charlottenburg-Wilmersdorf. Durchsucht wurde unter anderem in den Ortsteilen Tegel, Halensee und Britz. Die fünf Männer stünden in Verdacht, "betrügerisch Corona-Soforthilfen für Kleinbetriebe bei der Investitionsbank Berlin beantragt und teilweise auch erhalten zu haben, obwohl sie keinen Anspruch auf solche Hilfszahlungen hatten", teilten Generalstaatsanwaltschaft und Polizei am Donnerstag in einer gemeinsamen Meldung mit. Die Gesamtschadenssumme liege bei 94 000 Euro. Bei den Durchsuchungen sei "neben weiteren Beweismitteln ein mutmaßlich betrügerisch erlangter Betrag in Höhe von 61 460 Euro sichergestellt" worden.
Bei einem Verdächtigen, Walid S., handelt es sich nach Informationen des Tagesspiegels um einen Vertrauten des Berlin-Attentäters Anis Amri. Beim Angriff von Amri mit einem Lkw auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz waren im Dezember 2016 zwölf Menschen gestorben. Walid S. war kurz nach dem Anschlag am Tatort.
Die Generalstaatsanwaltschaft schrieb am Donnerstagmorgen in einer ersten Mitteilung, einige Verdächtige stammten "aus dem inneren Kreis der ehemaligen Fussilet-Moschee". Amri und Walid S. hatten sich in dem Salafisten-Treff in Moabit häufig aufgehalten. Im Februar 2017 verbot Innensenator Andreas Geisel (SPD) den Moscheeverein.
Walid S. soll unrechtmäßig 9000 Euro Soforthilfe für eine Eisdiele beantragt haben. Da auf dem Formular die Steuernummer fehlte, wurde das Geld nicht ausgezahlt. Subventionsbetrug wäre es dennoch, da schon ein unrichtiger Antrag als Straftat gilt. Bei einem weiteren Salafisten, Yunis M., geht es um Gelder für ein Sushi-Restaurant und einen Friseursalon. Ein Islamist beantragte fünfmal 9000 Euro für ein Internetcafé und bekam 14.000 Euro ausgezahlt.
Abdul D. predigte in Salafistenmoschee in Tempelhof
Ein weiterer Salafist, der jetzt des Subventionsbetruges verdächtigt wird, ist Abdul D., ehemaliger Prediger in der salafistischen Ibrahim-al-Khalil-Moschee in Tempelhof. Er beantragte und erhielt 14 000 Euro.
Der Einsatz von Spezialkräften bei der Razzia war nötig, da die Islamisten als gefährlich gelten. Gegen Walid S. hatte die Generalstaatsanwaltschaft im April 2018 Ermittlungen eingeleitet wegen des Verdachts, er habe einen Anschlag auf den Berliner Halbmarathon geplant.
Die Polizei nahm einen 40-jährigen Syrer bei der Razzia fest. Bei Adnan C. verstärkte sich der Verdacht, er habe nicht nur unrechtmäßig Corona-Soforthilfe bezogen, sondern auch "gewerbsmäßig" Sozialleistungsbetrug begangen. Bei diesem Delikt sei von einem Schaden in Höhe von 30 000 Euro auszugehen, hieß es in Sicherheitskreisen. Adnan C. soll eine Wohnung untervermietet haben, die das Sozialamt bezahlt. Insgesamt seien gegen zwei der fünf Salafisten "drei weitere Verfahren wegen Sozialbetruges" eingeleitet worden, heißt es in der Meldung von Generalstaatsanwaltschaft und Polizei. Ein hochrangiger Sicherheitsexperte sagte dem Tagesspiegel, es sei eine beliebte Masche bei Salafisten, vom verhassten Staat der "Ungläubigen" Gelder zu kassieren und ihn gleichzeitig zu betrügen.
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Islamist hatte mit Lebenspartnerin 18.000 Euro ergaunert
Ausgangspunkt für die Ermittlungen gegen die fünf Salafisten wegen des Verdachts auf Betrug bei der Soforthilfe ist das Verfahren gegen einen weiteren Islamisten. Im April hatte das Landeskriminalamt bereits ermittelt, dass der bekannte Salafist Ahmad Armih alias „Abul Barra“ mit seiner Lebensgefährtin insgesamt 18.000 Euro Soforthilfe bekommen hatte. Das Paar bezieht allerdings schon länger Sozialleistungen. Abul Barra war Prediger in der Weddinger As-Sahaba-Moschee, die der Verfassungsschutz der Salafistenszene zurechnete.
Die Moschee, in der Abul Barra auch einen kleinen Laden betrieb, ist seit Ende 2019 geschlossen. Trotzdem hatten der Palästinenser und die Frau Corona-Soforthilfe beantragt. Die Polizei durchsuchte Mitte April die Wohnung von Abul Barra. Die Sicherheitsbehörden gehen dem Verdacht nach, Abul Barra habe mit dem Geld die Salafistenszene unterstützen wollen. Die ausgezahlte Summe konnte sichergestellt werden.
Investitionsbank sieht Erfolg des eigenen Prüfkonzepts
Nach der Razzia hob die IBB die Zusammenarbeit mit Hausbanken und Behörden hervor. Teil des Sicherheits- und Prüfkonzepts sei, dass auch die kontoführenden Banken der Antragsteller im Rahmen ihrer Sicherheitschecks auffällige Zahlungseingänge prüfen, sagte Jens Holtkamp, Leiter Unternehmenskommunikation bei der IBB. Die Förderbank stehe in engem Kontakt mit den Hausbanken und den Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden. „Deshalb konnten aufgrund dieser guten Kooperation bereits einige Erfolge verbucht werden.“
Bislang hat die landeseigene Förderbank in der Corona-Krise bei 210 000 Anträgen auf Soforthilfe knapp 1,8 Milliarden Euro an mehr als 207.000 Kleinunternehmer und Solo-Selbstständige ausgezahlt. Bis zum 6. Mai hätten 5221 Kunden Gelder in Höhe von 44,8 Millionen Euro wieder zurückgezahlt, sagte Holtkamp dem Tagesspiegel. Die Antragsteller hatten festgestellt, dass sie nicht berechtigt waren, die Soforthilfe in Anspruch zu nehmen.
Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei in Berlin, Norbert Cioma, lobte das Vorgehen der Sicherheitsbehörden. "Der Vorfall zeigt zum einen, dass Kriminelle die Beine trotz Corona-Einschränkungen nicht hochlegen und nach neuen Einnahmequellen suchen", sagte Cioma. "Zum anderen wird einmal mehr deutlich, dass Organisierte Kriminalität und Terrorismus starke Berührungspunkte haben."