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Auch über Brücken fahren Radler gerne.
© Julian Stratenschulte/dpa

ADFC straft Berlin ab: "Radfahren ist in der Berliner Politik nicht angekommen"

Wie fahrradfreundlich sind Deutschlands Städte? Der ADFC untersucht das regelmäßig per Umfrage. Berlin schneidet 2015 noch schlechter ab als vor zwei Jahren. Experten sind davon wenig überrascht.

Bald ist Berlin womöglich Letzter. Beim sechsten „Fahrradklimatest“ des ADFC und des Bundesverkehrsministeriums kam Berlin auf Platz 30 – von 39. Dass Hamburg noch schlechter ist, tröstet wenig. Vor zwei Jahren langte es für Berlin immerhin noch zu Platz 24. Am Donnerstag wurden in Berlin die Gewinner vorgestellt, Münster hat wie immer bei den größeren Städten gewonnen. Mehr als 100 000 Menschen stimmten ab, knapp 4000 davon aus Berlin. ADFC-Bundesgeschäftsführer Burkhard Stork nannte den Test „das Kundenbarometer des deutschen Radfahrens“. Welchen Stellenwert der Senat dem Thema beimisst, zeigte sich bei der Siegerehrung. Viele Städte schickten ihre Oberbürgermeister zur Preisverleihung. Berlin war mit einem Abteilungsleiter vertreten.

Es gibt nicht einmal mehr einen Fahrradbeauftragten, den hat die Hauptstadt sich vor einigen Jahren gespart. „Berlin ist schlechter geworden“, sagt Stork. Die Schulnote ging von 4,0 auf 4,1 zurück. Mangelhaft schneidet die Stadt erneut bei zentralen Punkten ab: 5,3 bei der Frage, ob Falschparken auf Radwegen geahndet wird – das ist deutliche Kritik an Polizei und Ordnungsamt und die schlechteste Note überhaupt. Ebenfalls mit der Note „Mangelhaft“ bewerteten die 3820 Berliner die Breite der Radwege, den Winterdienst, die Führung an Baustellen und den Diebstahl.

„Das Thema Radfahren ist in der Berliner Politik nicht angekommen“, kritisiert Stork. „Die Politik will, dass mehr Leute aufs Rad steigen. Das gelingt aber nur, wenn sich Radfahrer wohlfühlen.“ Stork erinnert daran, dass vor allem Alltagsradler sich an der Umfrage beteiligten. Wenn aber schon die ihre Stadt als mangelhaft bewerten, schrecke das potenzielle Umsteiger ab. „Die Stimmung auf den Straßen ist aggressiver geworden“, sagt Stork.

„Das Ergebnis überrascht mich nicht“, sagt der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Stefan Gelbhaar. „Wer den Etat für die Fahrradinfrastruktur nicht erhöht, muss sich nicht wundern.“ Berlin leistet sich etwa drei Euro. In Berlin steige der Anteil der Radler nicht wegen der Senatspolitik, sondern trotz der Senatspolitik, sagt der Abgeordnete. Verkehrsstaatssekretär Christian Gaebler verteidigte am Donnerstag die Arbeit des Senats: In diesem Jahr werden 20 Kilometer Radspuren markiert und zehn Kilometer Radweg saniert.

Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel Wuppertal. Vor zwei Jahren war die 350.000-Einwohner-Stadt auf dem letzten Platz unter den Großstädten. Nun bekam Wuppertal eine Auszeichnung als „bester Aufholer“ und liegt direkt hinter Berlin auf Platz 31. In den vergangenen Jahren wurde eine vier Meter breite Schnellstraße für Radfahrer kreuzungsfrei quer durch die Stadt gebaut, berichtet der Fahrradbeauftragte Rainer Widmann. Das kostete 32 Millionen Euro, die überwiegend von EU und Bund kamen.

Berlin denkt anders: 500 Millionen wolle die Stadt für die A100 ausgeben und 100 Millionen für die Tangentiale Verbindung Ost, sagt Gelbhaar: „Das Geld könnte man besser investieren.“ Der ADFC-Geschäftsführer plädiert für ein härteres Vorgehen gegen Falschparker: „Schleppen Sie ab, das bringt Kohle in die Kasse“, forderte Stork.

Um besser zu werden, muss Berlin nicht weit schauen: Potsdam landete in der Kategorie der Städte bis 200 000 Einwohner auf dem vierten Platz. Unter den Kleinstädten erreichte Ketzin an der Havel sogar den zweiten Platz bundesweit.

Jörn Hasselmann

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