4000 Leute feiern nach Berliner CSD: Nachts ging die Party in Neukölln weiter – Polizei räumt Hasenheide
Über Stunden muss die Berliner Polizei eine Party mit 4000 Leuten auflösen. Schon bei der CSD-Parade ging es eng zu. Fachleute warnen vor der Ansteckungsgefahr.
Offizielle Partys gab es in diesem Jahr nicht. Doch die ausgelassene Stimmung am Christopher Street Day in Berlin und die laue Sommernacht haben offenbar vielen Teilnehmenden der queeren Parade Lust darauf gemacht, auch nach dem Ende der Demonstration weiter zu feiern.
Das zeigte sich zu später Stunde in der Neuköllner Hasenheide. Anwohner alarmierten in der Nacht zu Sonntag die Polizei, weil sie sich von Partylärm und Musik gestört fühlten. Die Einsatzkräfte konnten das verstehen: Rund 4000 Leute feierten im Volkspark, wie eine Sprecherin der Polizei am Sonntag berichtete, sie fanden mehrere Musikanlagen vor. "Man geht davon aus, dass viele dort waren, die sich vorher am CSD beteiligt hatten." Woran die Polizei das in der Nacht festmachte, konnte sie auf Nachfrage nicht näher erläutern.
Wegen der Lärmbelästigung, aber auch wegen nicht eingehaltener Abstandsregeln begann die Polizei daher gegen 1 Uhr mit der Räumung der Hasenheide. Die Feiernden hätten den Anweisungen "größtenteils unproblematisch Folge geleistet", sagte die Sprecherin.
Der Park habe sich dann nach und nach geleert - dennoch habe sich die Räumung angesichts der Menge der Leute bis in die frühen Morgenstunden hingezogen. Um sich einen Überblick über die Lage zu verschaffen, leuchtete die Polizei den Park auch mit großen Scheinwerfern aus.
2020 musste der Bezirk tagelang wässern - wegen des Gestanks
Schon in der Vergangenheit hatte es in der Hasenheide immer wieder nächtliche Partys gegeben, durch Müll und Beschädigungen entstanden teils erhebliche Kosten. Im vergangenen Jahr musste der Bezirk sogar drei Tage lang die Wiesen wässern, um den Uringestank zu beseitigen.
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Nach Abschluss der Parade waren am frühen Samstagabend auch viele CSD-Teilnehmende vom Endpunkt an der Urania in den nahen Schöneberger Regenbogenkiez weitergezogen. Bei der Nachbeobachtung habe die Polizei festgestellt, dass insbesondere in der Motzstraße, bekannt für ihre vielen Szenekneipen, mehrere Hundert Personen zusammengestanden hätten, sagte die Sprecherin. Immer wieder hätten Einsatzkräfte auf die Einhaltung des Mindestabstands hinweisen müssen. Zuerst hatte die "Berliner Morgenpost" darüber berichtet.
Die Bezirksbürgermeisterin von Tempelhof-Schöneberg, Angelika Schöttler (SPD), die während des CSD auf einem Wagen mitgefahren war, sagte, dass das Verständnis für die Corona-Auflagen bei den meisten Feiernden vorhanden gewesen sei. Man habe ihr berichtet, dass es im Regenbogenkiez durchaus Verständnis bei Ansprachen zu Verstößen gegeben habe. Es sei vorgekommen, dass Menschen zu dicht gestanden hätten und die Masken nach dem Trinken nicht sofort wieder aufgesetzt hätten. Aber ihr sei von keinen aggressiven Reaktionen berichtet worden, wenn Leute darauf aufmerksam gemacht wurden.
65.000 Teilnehmende bei Berliner CSD-Parade
Probleme mit den Hygieneregeln hatte es am Nachmittag bereits bei der CSD-Parade von Mitte nach Schöneberg gegeben. Wer nicht in einem gemeinsamen Haushalt lebt, muss bei Demonstrationen wie dieser zu anderen einen Mindestabstand von 1,50 Meter zu anderen halten. Außerdem sind mindestens OP-Masken vorgeschrieben. Zu Beginn, an der Kreuzung von Leipziger Straße und Friedrichstraße, führte schon die enge räumliche Situation zu dichtem Gedränge, später jedoch kam offenbar auch Achtlosigkeit hinzu - begünstigt durch die schiere Menge von 65.000 Teilnehmenden, dreimal so viele wie erwartet. Damit handelte es sich um die größte Demonstration in der Coronakrise.
Die Veranstalter:innen reagierten darauf, indem sie die fünf Trucks mit Musik weiter auseinanderzogen, was auch die Masse auflockerte. Zudem gab es unzählige Durchsagen, sich an Maskenpflicht und Mindestabstand zu halten. Am Abend zeigte sich die Polizei mit der Einhaltung der Corona-Regeln weitgehend zufrieden. Eine Abschlussbilanz stand bis Sonntagmittag jedoch noch aus.
Kultursenator Lederer: "Gibt keinen Grund zur Sorglosigkeit"
Klaus Lederer hatte den CSD am Sonnabend als Kultursenator und Bürgermeister eröffnet. Er habe den "übergroßen Teil der Teilnehmer:innen und vor allem die Organisation als sehr bewusst erlebt", sagte der Spitzenkandidat der Linken für das Abgeordnetenhaus am Sonntag dem Tagesspiegel. Dabei hob er auch die regelmäßigen Durchsagen der Organisator:innen hervor.
Lederer betonte, dass es wichtig sei, immer wieder daran zu erinnern, "dass es keinen Grund zur Sorglosigkeit gibt, und dass es weiterhin wichtig ist, sich und andere zu schützen und sich impfen zu lassen".
Herrmann: Beim Dyke*March wurde es eng nach Polizei-Ansage
An die Mitverantwortung der Teilnehmenden, sich an die Regeln zu halten, appellierte Monika Herrmann, die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg. Die Veranstalter:innen würden sich große Mühe geben, das Hygienekonzept für Demos umzusetzen. "Es sind die Teilnehmer:innen, die sich nicht daran halten", sagte die Grünen-Politikerin am Sonntag dem Tagesspiegel. Die Politik müsse ihrerseits darauf achten, welche Signale sie sende, wenn es um Lockerungen gehe. Die Pandemie sei nicht vorbei, man müsse den Verlauf der Neuinfektionen genau beobachten, um gegebenenfalls weitere Maßnahmen zu beschließen.
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Herrmann hatte selbst zwar nicht an der CSD-Parade teilgenommen, aber am Freitagabend bereits am "Dyke*March", um für mehr lesbische Sichtbarkeit zu demonstrieren. Dort hätten die Teilnehmenden Masken getragen, zugleich habe es wiederholt Hinweise auf Maskenpflicht und Abstandsregeln gegeben. Die Demonstration sei zwischenzeitlich zum Stillstand gekommen, weil die Polizei darum gebeten habe, aufzurücken und Lücken im Zug zu schließen. "Dann war das Feld sehr verdichtet", erzählte Herrmann, die daraufhin auch die Demonstration verließ.
Liecke: Hasenheide lieber einzäunen
Wie Lederer und Herrmann rief auch Falko Liecke, stellvertretender Bezirksbürgermeister und Gesundheitsstadtrat in Neukölln, zu Eigenverantwortung und Impfen auf - und wies nebenbei auf weitere Impfaktionen in seinem Bezirk hin. Über die Hotline 030/902394040 könnten sich Bürger:innen ab Montag einen Impftermin im Gesundheitsamt in der Blaschkoallee 32 geben lassen.
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Auf Großveranstaltungen wie dem CSD könnten Hygienestandards nicht eingehalten werden, sagte der CDU-Politiker dem Tagesspiegel. Und die illegale Party in der Hasenheide zeige das Grundproblem auf, dass der Park nicht umzäunt sei und anders als das Tempelhofer Feld spätabends nicht abgeschlossen werden könne.
Der CDU-Politiker würde es begrüßen, wenn die Hasenheide oder wenigstens Teilbereiche der Anlage geschlossen werden könnten. Aber dafür gebe es seit Jahrzehnten keine politischen Mehrheiten. Der Bezirk habe erst fünf Millionen Euro für die Parkpflege in der Hasenheide erhalten. Doch wenn dort Tausende Leute Party feiern, würde die Grünanlage immer wieder Schaden davon tragen.
Delta-Variante und kein Abstand: Risiko im Freien steigt
Fachleute weisen darauf hin, dass mit der ansteckenderen Delta-Variante, die inzwischen auch in Deutschland der dominante Typ des Coronavirus ist, auch die Gefahr von Infektionen im Freien steige. Die Viruslast sei fünfmal so hoch wie bei der Alpha-Mutante B.1.1.7, sagte der Präsident der Gesellschaft für Virologie, Ralf Bartenschlager, der Deutschen Presse-Agentur. „Je mehr Virus bei einem Infizierten vorhanden ist, desto größer das Übertragungsrisiko, auch im Freien.“
Das Robert-Koch-Institut (RKI) stuft die Ansteckungsgefahr draußen indes immer noch als gering ein - wenn denn auf den Mindestabstand geachtet werde, um Tröpfchen beim Sprechen und Atmen nicht direkt ausgesetzt zu sein.
Antisemitische Ausfälle bei Pride-Demo in Neukölln
Unabhängig vom großen CSD gab es am frühen Samstagabend eine "Internationalistische Queer Pride". Die Demonstration trat dem Plakat zufolge "für den antikolonialen, antirassistischen, antikapitalistischen Freiheitskampf" ein und zog vom Neuköllner Hermannplatz zum Oranienplatz in Kreuzberg.
Auch ein Aufruf gegen Antisemitismus war auf dem Plakat zu finden. Die Praxis sah dann jedoch anders aus: Das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus (JFDA) berichtete von Boykottaufrufen gegen Israel, das der "Apartheid" geziehen wurde. Auch seien Journalist:innen per Megafon als "Zionistische Presse" diffamiert worden.
Die Polizei berichtete am Sonntagmorgen von mehreren Tausend Teilnehmenden bei der Demonstration. Ein Journalist des Jüdischen Forums sei dabei von einem Ordner bedrängt worden, sodass die Polizei eingegriffen habe, erklärte eine Sprecherin. Dabei sei es aus der Menge heraus zu einer Solidarisierung mit dem Ordner gekommen, sodass die Polizei unmittelbaren Zwang habe anwenden müssen. Bei weiteren Vorfällen sei um Vorwürfe der Nötigung und des Landfriedensbruchs gegangen.
Vor dem Rathaus Neukölln findet am Sonntagnachmittag eine Kundgebung gegen Antisemitismus statt. Ein Bündnis hatte dazu aufgerufen, nachdem es im Frühjahr mehrere judenfeindliche Aufzüge im Bezirk gegeben hatte.