Udo Lindenberg live in Berlin: Protestsongs und Panikparty im Olympiastadion
Er hat sein Ding gemacht: "Panikpräsident" Udo Lindenberg gab am Dienstagabend sein Konzert im Berliner Olympiastadion und bot seinen Fans ein großartiges Rock'n'Roll-Spektakel.
„Ich mach mein Ding.“ Ein Selbstbehauptungssong mit einem Slogan wie aus der Baumarktwerbung. Sein Comebackhit aus dem Jahr 2008 ist der erste Höhepunkt von Udo Lindenbergs Auftritt im nicht ganz ausverkauften Berliner Olympiastadion. Der Sänger singt, besser: nuschelt die Refrainzeilen „Ich mach mein Ding, egal was die anderen sagen / Ich geh meinen Weg, ob gerade ob schräg, das ist egal“, und ein Großteil der 50.000 Zuschauer singt mit.
Udo Lindenberg wird im nächsten Jahr 70, und die Veröffentlichung seines letzten Albums „Stark wie zwei“, mit dem er zum ersten Mal in seiner Karriere den ersten Platz der deutschen Charts erreichte, liegt auch schon sieben Jahre zurück. Ziemlich mutig also, ausgerechnet in diesem Sommer eine Tournee durch die großen Open-Air-Arenen des Landes zu beginnen. Aber es funktioniert.
Lindenberg hat seine Stammband dabei, das Panikorchester, mit dem er bereits seit über vierzig Jahren unterwegs ist, er hat handverlesene Ehrengäste, Backgroundsängerinnen, Blasmusiker, Tänzerinnen, einen Kinderchor und Artisten mitgebracht. Es wird ein ziemlich großartiges Rock'n'Roll-Spektakel, ein nostalgischer, mitunter rührseliger Greatest-Hits-Abend, der in seinen besten Momenten an die anarchischen Panik-Performances erinnert, bei denen der selbsternannte „Panikpräsident“ in den siebziger Jahren Pop und Theater kreuzte und neben Musikern auch Catcher, Boxer, Feuerschlucker und Schlangenfrauen auf die Bühne holte.
Udo Lindenberg schwebt engelsgleich über die Besucher hinweg
Die Doktor-Schiwago-Melodie des Intros ist kaum verklungen, da schwebt Udo Lindenberg um kurz vor 20 Uhr engelsgleich auf einer skiliftartigen Plattform in 60 Metern Höhe über die Köpfe der Besucher hinweg auf die Bühne, von der aus ein langer Laufsteg in den Innenraum des Stadions ragt. Zum rumpelnden Rock seiner siebenköpfigen Band singt er „Odyssee“, eine ironisch-giftige Gesellschaftssatire aus den frühen achtziger Jahren, in der von „Millionen blinden Passagieren“ die Rede ist, die von „kranken alten Männern auf kugelsicheren Kommandobrücken“ regiert werden.
Der Sänger trägt seinen obligatorischen grauschwarzen Hut, Sonnenbrille, dunkles Hemd und Pseudomilitärjacke, locker gebundenen Schlips und enge schwarze Jeans mit blauen Streifen an der Seite. Die Udo-Uniform. Seine Sonnenbrille nimmt Lindenberg zum ersten Mal während der Liebesaus-Ballade „Ich lieb' dich überhaupt nicht mehr“ kurz ab. Die gigantischen Leinwände neben der Bühne zeigen von Falten gesäumte, halb hinter dicken Kajalstrichen verschwundene Augen.
Eierlikör zum Gurgeln
Lindenberg, ein passionierter Jogger, wirkt erstaunlich sportlich und drahtig. Immer wieder sprintet er von der Hauptbühne auf den Catwalk, er tänzelt unablässig, seine Beine scheinen aus Gummi zu bestehen. Nervosität ist sein normaler Betriebszustand. Nach der Begrüßungsansprache lässt er sich von einer russischen Bediensteten Eierlikör „zum Gurgeln“ servieren und platziert ein heftig beklatschtes politisches Statement. „Wir brauchen Freundschaft mit Russland“.
Udo Lindenberg singt „Ganz anders“ mit Jan Delay und „Cello“, den Song über die schöne Virtuosin, die „in jedem Saal in unserer Gegend“ auftrat, in einer hinreißenden halbakustischen Version mit dem Erfurter Sänger Clueso. Am Ende seilen sich Tänzerinnen in transparenten Glitzerkleidern von einem Baukran auf die Bühne ab. Lindenberg jubelt: „Sie sind von den Sternen zu uns herabgestiegen.“
Immer schon verstand sich Lindenberg als Warner und Ermahner, und zur Entwarnung sieht er längst keinen Anlass. Seine Protestsongs bleiben aktuell. „Sie brauchen keinen Führer“ handelt von „grölenden Germanen-Gangs“ und anderen Neonazis, „Wir werden jetzt Freunde“ von einer Asylbewerberin. Und bei „Wozu sind Kriege da?“ fragt der Sänger desillusioniert: „Wie oft müssen wir das Ding eigentlich noch singen?“ Damals in den achtziger Jahren ging es gegen die Nato-Nachrüstung, heute gibt es neue Konfliktherde in Syrien, dem Irak und der Ukraine. Der Junge, mit dem Lindenberg die Friedensballade 1981 im Duett sang, heißt Pascal Kravetz. Er sitzt nun am Klavier, und Lindenberg intoniert – ein berührender Moment – das Stück mit einem Kinderchor: „Herr Präsident, ich bin jetzt zehn Jahre alt und ich fürchte mich in diesem Atomraketenwald / Sag mir die Wahrheit, sag mir das jetzt wofür wird mein Leben aufs Spiel gesetzt?“.
Zum Schluss: Tränenzieher "Hinterm Horizont"
Der fast dreistündige Abend hat auch Durchhänger. Schwächere Stücke wie „Das kann man ja auch mal so sehen“ oder „Die Klavierlehrerin“ werden routiniert durchgerumpelt. Zum Finale erschallt der ostfriesische „Holladihiho“-Jodler, und Otto Waalkes, einstiger Hamburger WG-Mitbewohner des Sängers, zelebriert mit Udo Lindenberg eine Coverversion des AC/DC-Hits „Highway to Hell“ sowie die Alterstrotzhymne „Der Greis ist heiß“. Dann singt Lindenberg noch mit Josephin Busch, Hauptdarstellerin des Udo-Musicals „Hinterm Horizont“, den Tränenzieher „Horizont“. „Das mit uns, das ging so tief rein / Das kann nie zu Ende sein“, heißt es da. Zu Ende ist es auch noch lange nicht. Es folgt ein halbstündiger Zugabenblock mit „Jonny Controletti“, „Andrea Doria“ und dem unvermeidlichen „Sonderzug nach Pankow“.
Christian Schröder
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