1. Mai und Walpurgisnacht in Berlin: Protestieren und chillen
Nicht nur am 1. Mai gibt es Demos in Kreuzberg, Mitte und Wedding. Schon am Donnerstagabend wird demonstriert. Das „Myfest“ soll am Freitag dann wieder die Szene befrieden.
Der 1. Mai beginnt in Berlin demonstrationstechnisch traditionell am Abend zuvor, nämlich mit der „Antikapitalistischen Walpurgisnacht“. Seit einigen Jahren findet diese in Wedding statt, in diesem Jahr wollen sich bis zu 3000 Menschen ab 18 Uhr am Leopoldplatz sammeln und am Abend gegen 20 Uhr in Richtung Prenzlauer Berg losziehen. Motto: „Gemeinsam gegen Rassismus und soziale Ausgrenzung“. Bei der Demo sind Glasflaschen verboten, die Polizei wird am Startplatz der Demonstration Pappbecher verteilen, in die mitgebrachte Bierflaschen umgefüllt werden müssen.
Die Demo führt an verschiedenen linken Szeneobjekten in Wedding vorbei und dann weiter am Mauerpark entlang bis zum U-Bahnhof Eberswalder Straße in Prenzlauer Berg (siehe Grafik). Durch diese Wegstrecke könnte erstmals wieder der Mauerpark im Fokus stehen, bis vor einigen Jahren hatte es hier teilweise heftige Flaschen- und Steinattacken von Autonomen auf die Polizeibeamten gegeben.
Straße des 17. Juni ist bis Yitzhak-Rabin-Straße gesperrt
Der 1. Mai beginnt um 9 Uhr mit dem gewerkschaftlichen DGB-Aufzug am Hackeschen Markt. Über die Oranienburger Straße, Friedrichstraße, Reinhardtstraße und Wilhelmstraße geht es bis zum Brandenburger Tor. Um 10 Uhr beginnt hier die Kundgebung, anschließend gibt es ein buntes Bühnenprogramm. Die Straße des 17. Juni ist deshalb bis zur Yitzhak-Rabin-Straße gesperrt. Für Skater und Radfahrer sowie für Motorradfahrer hat der DGB eigene Korsi angemeldet, sie führen durch die halbe Stadt. Beide Züge starten ebenfalls am Hackeschen Markt.
Mittags um 12 Uhr will die NPD die erste von zwei Minikundgebungen starten, und zwar an der Falkenberger Chaussee in Neu-Hohenschönhausen. Die zweite Aktion ist für 14.30 Uhr am Ahrensfelder Platz in Marzahn angesetzt. Bei beiden Kundgebungen unter dem Motto „Asylbetrug macht uns arm“ werden lediglich 20 Rechtsextremisten erwartet. Dennoch mobilisiert die linke Szene intensiv gegen die rechten Versammlungen: „Wir werden nicht tatenlos zusehen,wenn Nazis auf die Straße gehen wollen“, heißt es in einem Aufruf. Mehrere Kundgebungen und Aufzüge sind angemeldet. Eine größere Demo will um 11.30 Uhr am S-Bahnhof Hohenschönhausen starten und vorbei an den beiden Kundgebungen bis zum S-Bahnhof Ahrensfelde ziehen.
Zuletzt hatte es im Jahr 2013 eine große rechte Demo in Berlin gegeben, und zwar in Schöneweide. Mehrere tausend Menschen hatten dagegen protestiert. In diesem Jahr mobilisiert die rechtsextremistische Szene zu Kundgebungen in anderen Bundesländern. Deshalb dürften auch die linken Proteste deutlich kleiner ausfallen.
Unklar ob es „Spontan“-Demo durchs Fest gibt
Um 11 Uhr beginnt in Kreuzberg das sogenannte Myfest. Zahlreiche Bühnen sind zwischen Oranienplatz, Mariannenplatz und Heinrichplatz aufgebaut. Im vergangenen Jahr kamen bei gutem Wetter 40 000 Menschen, ursprünglich war das Fest vor 13 Jahren von Polizei und Bezirk zur Befriedung der Kreuzberger Krawalle erfunden worden. Mittlerweile ist ein Volksfest daraus geworden.
Unklar ist, ob die linksextremistische Szene in diesem Jahr wieder eine „Spontan“-Demo durchs Fest starten wird. Dieses gehörte jahrelang zur linken Folklore. Bekanntlich kritisiert die autonome Szene das Fest als kommerziell und will mit der sogenannten 17-Uhr-Demo zeigen, dass auch das Festgebiet linkes Homeland ist.
Anders als in den letzten Jahren gibt es derzeit keine Mobilisierung im Internet dazu. Ein einzelner Aufruf war nach kurzer Zeit wieder gelöscht worden. Allerdings ist der Ort, nämlich der Feuerwehrbrunnen am Mariannenplatz, allgemein bekannt als Treffpunkt – mitten im Festgewühl. Traditionell war diese ebenso kurze wie schnelle Demo durchs Fest nicht bei der Polizei angemeldet worden. Im vergangenen Jahr hatte die Polizei an einigen Stellen vergeblich versucht, den Zug zu stoppen – ein Konzept war damals aber nicht zu erkennen gewesen.
Kaum noch Gewalt in den letzten Jahren
Die 17-Uhr-Demo endete regelmäßig am Treffpunkt der alles entscheidenden sogenannten „Revolutionären 1. Mai-Demonstration“, auch Abenddemo oder 18-Uhr-Demo genannt. In diesem Jahr werden 20 000 oder mehr Menschen erwartet, sie ziehen durch Kreuzberg und Neukölln.
In den vergangenen Jahren hatte es aus den Demonstrationen heraus kaum noch Gewalt gegeben. Der letzte massive Gewaltausbruch datiert von 2009. Im letzten Jahr waren 65 Randalierer festgenommen worden, acht hatten wegen schwerer Taten einen Haftbefehl erhalten. In diesem Jahr werden an beiden Tagen neun Staatsanwälte im Einsatz sein. Sie sollen nach Festnahmen schnell Haftbefehle gegen Randalierer beantragen.
Vor einigen Jahren waren noch 16 Staatsanwälte im Einsatz. Auch die Zahl der Gefährderansprachen hat deutlich abgenommen. 2010 – nach den heftigen Krawallen vom 1. Mai 2009 – hatten 141 Linksextremisten Besuch von Zivilpolizisten bekommen, in diesem Jahr wurden noch 29 Autonome im Vorfeld angesprochen und verwarnt.