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Eisenbahn war gestern. Der langgestreckte frühere Rangier- und Güterbahnhof Pankow war den Anliegern zu seinen Betriebszeiten ein permanentes Ärgernis. Heute geht es auf dem ca. 40 Hektar großen Gelände ruhiger zu.
© Simulation: KGG

Stadtentwicklung und Wohnungsbau: Projekt „Pankower Tor“ auf der Kippe

Der Bezirk Pankow will kein Mega-Einkaufszentrum – das Land Berlin will eine Straße mitten durch das Quartier. Es geht unter anderem um 750 Wohnungen.

Der Plan klingt richtig gut. Vor allem in Anbetracht der hohen Nachfrage nach Miet- und Eigentumswohnungen in Pankow. Der Bezirk in Berlins grünem Norden ist besonders bei jungen Familien beliebt. Aber das Projekt „Pankower Tor“ ist und bleibt vorerst ein Gedankenspiel.

Dabei hatte Möbelhändler Kurt Krieger das rund 40 Hektar große Gelände zwischen Berliner Straße und Prenzlauer Promenade Anfang 2010 in der Hoffnung erworben, hier bald ein neues Stadtquartier mit 750 dringend benötigten Wohnungen, einer Grund- und einer Oberschule, einem Einkaufszentrum, einem Möbel Höffner und einem neuen Stadtplatz vor der S-Bahnstation Pankow errichten zu können. Dafür hatte der Berliner Unternehmer auch ein Investitionsvolumen von 400 Millionen Euro veranschlagt und die damit einhergehende Schaffung von mehr als 1000 Arbeitsplätzen in Aussicht gestellt. Außerdem hatte er Anfang 2014 bei einer Planungswerkstatt, die gemeinsam mit Bezirk und Land durchgeführt wurde, verkündet etwa 250 der Wohnungen zu einem Mietpreis von 5,50 Euro kalt pro Quadratmeter anzubieten. Alles in allem ein guter Plan, sollte man meinen.

Stadtrat will Areal anders entwickeln

„Wir wollen dieses Areal entwickeln, das ist keine Frage. Wir wollen Wohnungen bauen, eine neue Schule und den neuen Stadtplatz. Auch der Möbel Höffner soll kommen“, sagt Jens-Holger Kirchner (Grüne), Pankows Stadtrat für Stadtentwicklung. „Aber wir streiten uns um das Wie.“ Auch wenn der Standort vom Typ her ein 70er Jahre Standort sei, fast am Stadtrand und autobahnah, müsse man heute eine Zukunftsperspektive entwickeln, die über 2030 hinausreiche. Dazu gehöre, dass man auch über neue, integrierte Verkehrs- und Infrastrukturkonzepte nachdenke.

So möchte Kirchner zum Beispiel verhindern, dass hier ein Einkaufszentrum mit 30 000 Quadratmetern Verkaufsfläche entsteht. Diese großen Klopper mit Autobahnanschluss gehörten zu den städtebaulichen Verbrechen der 90er Jahre. Man baue heute einfach nicht mehr so. Vielmehr sei eine vernünftige städtbauliche Fassung und Entwicklung nötig, wo neben Einkaufsmöglichkeiten, Dienstleistungen, Gastronomie, Naherholung und Kultur ihren festen Platz haben und wodurch vor allem der existierende Einzelhandel nicht bedroht und verdrängt wird. „Es geht hier um nicht weniger als die Zukunft des innerstädtischen Einzelhandels“, sagt Kirchner. „Pankow braucht sicher eine Aufwertung im Einzelhandel. Aber nicht so.“

Anwohner sind skeptisch

Ein Riesencenter wie das Alexa am Alexanderplatz, das im Konzept der Krieger Grundstück GmbH (KGG) vorgesehen ist, passt auch nach Ansicht vieler Anwohner nicht zum geplanten neuen Quartier, das an den beliebten Flora-Kiez grenzen wird. Prominente Unterstützung bekommen sie von Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD), der kein Fan von Einkaufscentern ist, schon gar nicht an dieser Stelle. Das geplante Möbelhaus mit den Ausmaßen eines „Supertankers“, wie Kirchner es nennt, sei schon schwierig genug. „Dafür braucht Krieger auch das Einkaufszentrum, um Kundenfrequenz zu erzeugen. Das ist das Problem.“

Problematisch ist auch die Lage des Areals. Denn hinter dem für den Wohnungsbau vorgesehenen Grundstück fahren S- und Regionalbahnen entlang. Zudem donnern hier auch regelmäßig Güterzüge vorbei. Es gilt also für die künftigen Anwohner ein gutes Lärmschutzkonzept zu entwickeln und umzusetzen. „Das ist machbar“, sagt Kirchner. „Auf die Häuserseiten, die zu den Gleisen hingewandt sind, kommen Laubengänge und die Nutzräume wie Küche und Badezimmer, während auf der anderen Seite die Schlafzimmer liegen. Bewohnte Lärmschutzwände nennt man das. Heute kann man im Zusammenspiel von Bautechnologie und Architektur eine Menge machen.“

Bezirk besteht auf Verkehrskonzept

Darüberhinaus muss aber ein Verkehrskonzept her. Die Senatsverwaltung hat gerade dem Bezirk den Ball zurückgespielt nachdem diese die Planungsabsicht kundgetan hatte. „Neben dem Einkaufszentrum tut sich hier mit der Verkehrsplanung eine zweite Konfliktlinie auf“, so Kirchner. Die Senatsverwaltung pocht derzeit noch auf eine Ost-West-Achse, die mitten durch das neue Quartier und über die Berliner Straße führen soll. Aber der Bezirk stellt sich dagegen, weil eine Straße die Bebauungspläne völlig verändern würde. „Dann verlieren wir zahlreiche Wohnungen und müssen auch überlegen, wo wir Platz für die Schule finden“, so Kirchner. Andererseits ist bereits eine Machbarkeitsstudie für eine Straßenbahnlinie in Arbeit. „Die Straßenbahn ist ein Muss“, sagt Kirchner. Sie würde nicht nur die beiden S-Bahnhöfe Heinersdorf und Pankow miteinander verbinden und dabei das neue Quartier einbinden, sondern könnte sogar verlängert werden, etwa nach Wilhelmsruh. Der Nebeneffekt wäre eine Taktverdichtung durch eine zweite Linie neben der M 1. Mit anderen Worten eine Win-Win-Situation ohne neue Straße. „Aber ein Verkehrsgutachten geht eben nur, wenn das die Senatsverwaltung abnimmt. Wir haben hier eine schwierige Gemengelage, wo die Fachbereiche sich noch abstimmen müssen.“ Die KGG war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

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